Elektrosmog-Report
4. Jahrgang / Nr. 4 April 1998
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Grenzwerte und Politik

Internationale Strahlenschutzkommission ignoriert Vorsorgeaspekte beim Elektrosmog

Die ICNIRP, die Internationale Strahlenschutzkommission für nichtionisierende Strahlung, publiziert im April 1998 in der Zeitschrift Health Physics erstmals Empfehlungen für Grenzwerte für elektromagnetische Wechselfelder über den gesamten Frequenzbereich bis 300 GHz. Die Empfehlungen sollen einen Schutz gegen wissenschaftlich gesicherte schädliche Wirkungen auf die menschliche Gesundheit bieten. Eine Analyse der vorliegenden Studien mündet dabei in einer Bestätigung der bisherigen internationalen Grenzwertempfehlungen. Mögliche Langzeiteffekte, wie etwa eine Förderung der Krebsentstehung, finden keinerlei Berücksichtigung. Auf Vorsorgeaspekte wurde vollständig verzichtet. Damit wird sich das Mißtrauen gegen das in der Politik bisher hochangesehene international besetzte 13-köpfgige Wissenschaftlergremium verstärken.

Der Redaktion des Elektrosmog-Reports liegt ein Vorabdruck der aus Verbrauchersicht enttäuschenden und umweltpolitisch bedenklichen 30-seitigen Empfehlungen für Expositionsgrenzwerte für elektrische, magnetische und elektromagnetische Wechselfelder vor.

Beim achten Kongreß der Internationalen Strahlenschutzvereinigung (IRPA, International Radiation Protection Association) vom 18.-22. Mai 1992 in Montreal wurde die ICNIRP, die Internationale Strahlenschutzkommission für nichtionisierende Strahlung (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection) gegründet. Als neue wissenschaftliche Organisation sollte sie mögliche Risiken, die mit verschiedenen Formen nichtionisierender Strahlen verbunden sein können, untersuchen und internationale Empfehlungen für Grenzwerte entwickeln.

Diese Empfehlungen liegen nun vor. Sie lösen die IRPA-Empfehlungen von 1988 für hochfrequente Felder und die vorläufigen IRPA-Empfehlungen von 1990 für 50/60-Hz-Felder ab. Sie umfassen nunmehr das gesamte Frequenzspektrum für Wechselfelder bis 300 GHz (Gigahertz). Empfehlungen für statische Felder wurden von der ICNIRP bereits 1994, für Mobiltelefone und Basisstationen 1996 veröffentlicht (vgl. Elektrosmog-Report, Juli 1997).

ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection):

Bis zum April 1996 führte Dr. Michael H. Repacholi den Vorsitz der internationalen Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung, die 1992 gegründet wurde. Seit dem Mai 1996 wird der Vorsitz von Prof. Dr. Jürgen H. Bernhardt vom deutschen BfS (Bundesamt für Strahlenschutz) eingenommen. Dr. Repacholi leitet nunmehr das EMF-Programm der Weltgesundheitsorganisation. Dipl.-Ing. Rüdiger Matthes vom deutschen BFS ist seit 1993 wissenschaftlicher Sekretär der ICNIRP. Das Sekretariat befindet sich im Institut für Strahlenhygiene des Bundesamtes für Strahlenschutz.

Mitglieder der ICNIRP:

A. Ahlboom (Schweden); U. Bergqvist (Schweden); J. H. Bernhardt (Deutschland); J. P. Césarini (Frankreich); M. Grandolfo (Italien); A. F. McKinlay (Großbritannien); M. H. Repacholi (Australien); D. H. Slincy (USA); J. A. J. Stolwijk (USA); L. D. Szabo (Ungarn); M. Taki (Japan); T. S. Tenforde (USA); R. Matthes, wissenschaftlicher Sekretär (Deutschland).

Die neuen ICNIRP-Empfehlungen werden eine wichtige Rolle für die nationalen Grenzwertfestlegungen spielen und von vielen Ländern direkt als Grenzwerte übernommen werden. Die ICNIRP bestätigt mit ihren Empfehlungen die Einschätzung verschiedener nationaler Kommissionen (Großbritannien, Deutschland, USA), die nun ihrerseits wieder bestätigend auf die ICNIRP verweisen können. Diese gegenseitige Bestätigung ist nicht weiter verwunderlich, da sich in den verschiedenen Kommissionen weitgehend die gleichen Wissenschaftler treffen. Man darf auf die Ergebnisse des EMF-Projektes der Weltgesundheitsorganisation gespannt sein. Den Vorsitz des WHO-Projektes führt der ehemalige Vorsitzende der ICNIRP.

Methodische Basis für Grenzwerte

Die methodische Basis für die Grenzwertempfehlungen der ICNIRP bilden die nach Ansicht der Kommission als "gesichert" geltenden Effekte. Da mögliche Langzeitschäden durch elektromagnetische Felder von den Kommissionsmitgliedern nicht als gesichert angesehen werden, finden diese keinerlei Berücksichtigung. Dazu heißt es im Kapitel "Basis für Grenzwerte":

"Die Empfehlungen für Grenzwerte sind nach einer sorgfältigen Durchsicht aller publizierten wissenschaftlichen Literatur entwickelt worden. Die Kriterien, die im Verlauf der Durchsicht angewendet wurden, waren dazu bestimmt, die Glaubwürdigkeit der verschiedenen Studienergebnisse zu ermitteln. Nur gesicherte Effekte wurden als Basis für die vorgeschlagenen Expositionsbegrenzungen verwendet. Die Krebsinduktion durch langzeitige EMF-Exposition wurde nicht als gesichert betrachtet. Daher basieren diese Empfehlungen auf kurzzeitigen, unmittelbaren Gesundheitseffekten wie Stimulation der peripheren Nerven und Muskeln, Schocks und Verbrennungen durch die Berührung leitender Objekte, sowie erhöhte Gewebstemperaturen, die aus der Absorption von Energie während der Exposition mit EMF entstehen. Hinsichtlich potentieller Langzeiteffekte der Exposition, wie ein erhöhtes Krebsrisiko, kam die ICNIRP zu dem Ergebnis, daß die verfügbaren Befunde unzureichend für die Schaffung einer Basis zur Festlegung von Expositionsbegrenzungen sind..."

Die Entscheidung, solch einem methodischen Vorgehen in der Grenzwertfestlegung zu folgen, ist grundsätzlich keine wissenschaftliche Entscheidung sondern eine politische. Die Politik ist damit weiter in der Verantwortung, auch wenn die ICNIRP hier einer bestimmten politischen Vorstellung mit wissenschaftlicher Sprache den Weg bahnt und - so hat es zumindest den Anschein - gerne selbst Umwelt- bzw. Wirtschaftspolitik betreiben möchte.

Selbst wenn also die fachliche Einschätzung der ICNIRP von den politischen Entscheidungsträgern geteilt wird, so hat die Politik die Aufgabe, sich zu dieser wissenschaftlichen Einschätzung politisch zu verhalten. Sie wird vor allem die Frage zu beantworten haben, wie sie normativ mit den als "unsicher" oder "fraglich" eingestuften Risiken umgehen will. Hier steht die Forderung nach Vorsorgewerten unterhalb der Grenzwerte zur Diskussion.

Darüber hinaus bietet auch die fachliche Einschätzung der ICNIRP Anlaß zur Kritik.

Biologische Basis für Grenzwerte

Entsprechend der methodischen Basis befassen sich die Kapitel über die biologische Basis für Grenzwerte vor allem mit der Begründung, warum in verschiedenen Untersuchungen möglicherweise gesundheitsschädigende Langzeiteffekte im Bereich der häuslichen und beruflichen Umgebung sämtlich nicht als gesichert bzw. irrelevant gelten und daher keinen Eingang in die Empfehlungen finden. Nacheinander werden der Nieder- und der Hochfrequenzbereich mit den möglichen biologischen Auswirkungen betrachtet.

Niederfrequenzbereich (0 bis 100 kHZ)

Fortpflanzung: Nach Ansicht der ICNIRP wurde bisher kein konsistenter Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen niederfrequenten elektromagnetischen Feldern und Fehlgeburten oder kindlichen Mißbildungen gefunden. Die meisten Studien mit Frauen an Bildschirmarbeitsplätzen, Heizdeckenbenutzung, Wasserbetten und anderen Quellen niederfrequenter EMF hätten keine Schädigung von Embryo bzw. Fetus nachgewiesen.

Häusliche Belastung: Bisher seien 13 Untersuchungen über einen Zusammenhang zwischen Kinderleukämie und elektromagnetischen Feldern in der Wohnumgebung durchgeführt worden, beginnend mit der ersten von Wertheimer und Leeper im Jahre 1979. Dabei seien zumeist Kurzzeitmessungen der Belastung oder Einteilungen nach der Verkabelungskonfiguration ("Wire code") erfolgt. Mit Ausnahme von 5 der Studien hätten sich relative Risikoabschätzungen zwischen 1,5 und 3,0 ergeben. In den ICNIRP-Empfehlungen wird die Metaanalyse der amerikanischen nationalen Akademie der Wissenschaften von 1996 angeführt, in der ebenfalls festgestellt wurde: Wenn die verschiedenen Studien zusammen betrachtet werden, "sind die Ergebnisse konsistent mit einem gepoolten Risiko von 1,5."

Obwohl die Zahlen einen Zusammenhang zwischen Kinderleukämie und elektromagnetischen Feldern nahelegten, bestehe hier jedoch eine Unsicherheit. Der Zusammenhang zwischen Hochspannungsleitungen und Kinderleukämie müsse nicht unbedingt auf den elektromagnetischen Feldern basieren, sondern könne "durch einen unbekannten Faktor" zustande kommen. Es gebe jedoch "keine wahrscheinlichen Kandidaten" für diesen Faktor.

(Anm.: Es entsteht der Eindruck, daß die ICNIRP die beobachteten Zusammenhänge kleinzureden versucht. Tatsächlich kommen verschiedene Metaanalysen zu dem Ergebnis, daß "es aus den bisher publizierten Studien verschiedene Hinweise auf eine Assoziation zwischen EMF und Krebserkrankungen, speziell Leukämien, bei Kindern gibt", wie es Rolf Meinert, Mitarbeiter des bekannten Epidemiologen Prof. Jörg Michaelis aus Mainz, im Elektrosmog-Report vom Juni 1995 formulierte. Andere bekannte Wissenschaftler kommen zu ähnlichen Ergebnissen. So schreiben Anders Ahlboom und Maria Feychting vom Karolinska Institut in Stockholm: "Es gibt keinen anerkannten Mechanismus, durch den magnetische Felder von Hochspannungsleitungen eine Rolle bei der Krebsentstehung spielen könnten. Nichtsdestoweniger hat die epidemiologische Forschung nahezu übereinstimmend eine Assoziation zwischen häuslicher Magnetfeldexposition und Krebs gefunden. Dies gilt am deutlichsten für Kinderleukämie." (Elektrosmog-Report, April 1996).

Hinsichtlich Gehirnkrebs bei Kindern sei bisher kein Zusammenhang entdeckt worden. Informationen über Krebs bei Erwachsenen und häuslichen Magnetfeldern seien spärlich und basierten auf kleinen Fallzahlen, so daß sich keine Schlußfolgerungen ziehen ließen.

Nach Ansicht der ICNIRP "sind die Ergebnisse der epidemiologischen Forschung über EMF-Feldbelastung und Krebs, inklusive Kinderleukämie, bei Abwesenheit einer Unterstützung durch experimentelle Forschung nicht stark genug, um eine wissenschaftliche Basis für Expositionsempfehlungen zu bilden. Diese Einschätzung befindet sich in Übereinstimmung mit früheren Übersichten (NRPB 1992, 1994, NAS 1996, CRP 1997)." Die genannten Übersichten sind Übersichten der britischen und der deutschen Strahlenschutzkomission sowie der Akademie der Wissenschaften der USA.

Arbeitsplatzstudien: Laut ICNIRP sind eine große Zahl von Arbeitsplatzstudien über den Zusammenhang zwischen EMF und Krebs durchgeführt worden. Wie bei der ersten Studie von Milham im Jahre 1982 sei überwiegend eine grobe Expositionsabschätzung anhand der Berufszugehörigkeit vorgenommen worden. Die Krebsraten, für die erhöhte Risiken gefunden würden, hätten in den verschiedenen Studien variiert. Berichtet worden sei von erhöhten Raten verschiedener Leukämien und Tumoren des Nervengewebes sowie in einigen Fällen von männlichem und weiblichem Brustkrebs. Neben den inkonsistenten Ergebnissen bestünde die Schwäche der Studien in der sehr groben Expositionsabschätzung und dem Fehlen einer Kontrolle von anderen möglichen Einflußfaktoren wie etwa Lösungsmitteln am Arbeitsplatz. Drei jüngere Studien hätten versucht, diese Schwächen zu überwinden (Floderus 1993, Thériault 1994, Savitz 1995). Zwar seien auch hier leicht erhöhte Krebsraten gefunden worden, die Ergebnisse seien jedoch nicht konsistent, da die verschiedenen Krebsarten mit einem erhöhten Risiko differierten und zum Teil auch keine Erhöhung gefunden wurde: "Wenn es tatsächlich eine Verbindung zwischen beruflicher Exposition mit magnetischen Feldern und Krebs gibt, so wäre eine größere Konsistenz und ein stärkerer Zusammenhang in diesen jüngsten Studien, die auf besser entwickelten Expositionsdaten basieren, zu erwarten gewesen."

(Anm.: Von verschiedenen Forschern wurde darauf hingewiesen, daß selbst ein vergleichsweise kleiner Effekt der elektromagnetischen Strahlung auf die menschliche Gesundheit eine große epidemiologische Bedeutung hätte, da viele Menschen dieser Strahlung ausgesetzt sind. Die prozentuale Zunahme der Erkrankungsraten lag beispielsweise in der Studie von Birgitta Floderus vom schwedischen nationalen Institut für das Arbeitsleben in Solna in den stark EMF-belasteten Berufen für unterschiedliche Krebsarten (Gehirn, blutbildendes System, Brust, Dickdarm, Niere, Lunge, Prostata, Haut und Hoden) bei 5 bis 30%. Sollten diese Ergebnisse einen ursächlichen Zusammenhang zwischen EMF und Krebs reflektieren, so müsse nach Auffassung von Floderus von einigen Hundert EMF-Krebsfällen pro Jahr allein in Schweden ausgegangen werden und nicht nur - wie bisher angenommen - von einigen Dutzend. Die jüngeren sehr sorgfältig durchgeführten Studien können nicht mit dem Hinweis beiseite gewischt werden, es hätte sich "ein stärkerer Zusammenhang" finden müssen. Zum Teil wurden ja auch stärkere Zusammenhänge mit relativen Riskien von 2 bis 3 und darüber beobachtet.)

Jüngst sei auch ein Zusammenhang zwischen der Alzheimer-Erkrankung und beruflicher Magnetfeldbelastung ermittelt worden, jedoch sei dieser Effekt bisher nicht reproduziert worden.

Studien an Freiwilligen: In einem 60-Hz-Feld sei bei 20 µT (Mikrotesla) eine leichte Reduzierung des Herzschlages um 3 bis 5 Schläge pro Minute beobachtet worden. Andere Parameter seien jedoch nicht beeinflußt worden und die Probanden hätten das Feld nicht wahrgenommen. In einem anderen Versuch seien Freiwillige einem 50-Hz-Feld von 2 bis 5 mT (Millitesla) ausgesetzt gewesen, ohne daß physiologische oder psychologische Parameter beeinflußt worden seien. Bei 60 mT eines 50-Hz-Feldes wurde der Grenzwert für die Auslösung visueller Effekte ermittelt. Bei 5 mT oder noch weiter darunter bei 30 µT traten solche Effekte nicht auf. Durch sehr starke elektromagnetische Felder induzierte Ströme könnten Nerven- und Muskelgewebe direkt stimuliert werden.

Zell- und Tierstudien: Auch hier werden die beobachteten Effekte in einem Bereich von unter 100 µT von der ICNIRP als ungesichert eingestuft und seien daher nicht als relevant für Grenzwertempfehlungen. So heißt es im Bericht der Kommission zu den an Tieren beobachteten krebsfördernden Effekten verschiedener Arbeitsgruppen, darunter die Studien von Löscher und Mevissen von der Tierärztlichen Hochschule in Hannover, daß Wiederholungen "durch unabhängige Labors erforderlich sind, bevor Schlußfolgerungen hinsichtlich der Implikationen dieser Befunde für einen promovierenden Effekt von magnetischen Niederfrequenzen Feldern auf Brustkrebstumoren gezogen werden können".

Hochfrequenzbereich (100 kHz-300 GHz)

Fortpflanzung: Es habe verschiedene Untersuchungen über den Einfluß hochfrequenter Strahlung auf den Fetus gegeben, etwa von Frauen, die an Kurzwellen-Diathermie-Geräten arbeiten. Die Befunde seien widersprüchlich gewesen. Es habe Studien mit negativen Effekten und solche ohne Hinweise auf einen Einfluß gegeben. Die ICNIRP weist daraufhin, daß es "schwer sein wird, starke Schlußfolgerungen für das Fortpflanzungsgrisiko zu ziehen, ohne weitere epidemiologische Daten über hoch exponierte Individuen und genauere Expositionsabschätzung".

Krebsstudien: Es wurde über eine Zunahme von Leukämien durch Radaranlagen bei Soldaten (Szmigielski 1996) sowie in der Umgebung von Sendetürmen (Hocking 1996, Dolk 1997) berichtet. Andere Studien hätten jedoch keinen Hinweis auf einen Einfluß von Hochfrequenzemittenten auf die Krebshäufigkeit ergeben, so daß "die Ergebnisse nicht überzeugend" seien und eine "begrenzte Information über das Krebsrisiko" geben.

Studien an Freiwilligen: Hohe Dosen hochfrequenter EMF-Strahlung würden Nerven und Muskeln stimulieren bzw. ein Wärmegefühl erzeugen. Bei 100 kHz sei das erste Gefühl ein Kribbeln der Nerven, während es bei 10 MHz ein Wärmegefühl auf der Haut sei. Studien mit einer Ganzkörper-SAR (spezifische Absorptionsrate) von unter 4 Watt pro kg führten zu einem Anstieg der Körpertemperatur von unter 1 Grad Celsius.

Zell- und Tierstudien: Hohe Dosen von Mikrowellen könnten zu Schädigungen empfindlicher Gewebe wie Auge und Hoden führen. So wurden Hornhautschäden bei Ratten bei einer spezifischen Absorptionsrate von 100 bis 140 Watt pro kg beobachtet.

Eine Anzahl tierexperimenteller Studien hat sich mit der Förderung der Krebsentstehung bzw. einer Schädigung des Erbgutes durch HF-Strahlung befaßt. Bei den meisten Studien hätte sich bei den interessierenden Dosisstärken kein Effekt ergeben. Die Studie von Lai und Singh (1995, 1996), bei der Brüche in der Erbsubstanz bei einer SAR von etwa 1 Watt pro kg festgestellt worden waren, habe erhebliche methodische Fehler aufgewiesen. Die im letzten Jahr von Repacholi und Kollegen veröffentlichte Studie mit transgenen Mäusen, bei denen eine Zunahme der Krebshäufigkeit nach langzeitiger Bestrahlung mit gepulster 900-MHz-Strahlung beobachtet worden war, müsse zunächst wiederholt werden, um hier eine Anzahl von Fragen im Zusammenhang mit diesem Ergebnis zu beantworten. Wegen des relativ großen Bewegungsraums der Tiere habe die Bestrahlungsstärke stark variiert: "Die Studie muß wiederholt werden, wobei die Tiere eingesperrt werden müssen, um die SAR-Expositions-Variation zu minimieren, und um zu bestimmen, ob eine Dosis-Wirkungsbeziehung besteht."

Besondere Betrachtung gepulster und amplitudenmodulierter Wellenformen: Es gebe Hinweise darauf, daß gepulste HF-Strahlung eine stärkere biologische Wirkung entfalten. So wurde etwa von einer Beeinflussung der elektrischen Gehirnaktivität, der Hemmung der Aktivität bestimmter weißer Blutkörperchen (T-Lymphozyten) sowie eine Beeinflussung bestimmter Enzyme (Ornithin-Decarboxylase) berichtet. Die ICNIRP kommt hier zu dem Ergebnis: "Insgesamt ist die Literatur über athermische Effekte amplitudenmodulierter elektromagnetischer Felder so komplex, die Gültigkeit der berichteten Effekt so wenig etabliert und die Bedeutung der Effekte für die menschliche Gesundheit so unsicher, daß es unmöglich ist, die Gesamtheit dieser Informationen als Basis für die Festsetzung von Grenzen für eine menschliche Exposition mit diesen Feldern zu verwenden."

Zusammenfassung der biologischen Basis
der Grenzwerte

Die Analyse der ICNIRP läuft darauf hinaus, daß es keine gesicherten Langzeiteffekte durch elektromagnetische Felder gibt. Wiederholt festgestellte schädliche Effekte wie ein erhöhtes Risiko für verschiedene Krebsarten oder die Entwicklung einer Alzheimer-Erkrankung seien hinsichtlich der Kausalität in Frage zu stellen. Die Ergebnisse seien inkonsistent, die Expositionsabschätzungen zu ungenau, mögliche weitere Einflußfaktoren seien oft zu wenig berücksichtigt worden etc. Sie könnten daher keine Berücksichtigung bei Grenzwertempfehlungen finden.

Basisgrenzwerte der ICNIRP

ICNIRP definiert zunächst sog. Basisgrenzwerte, die je nach Frequenz der EMF auf verschiedenen physikalischen Größen beruhen:

Zwischen 1 Hz und 10 MHz beruhen die Basisgrenzwerte auf der im Körper auftretenden Stromdichte J (Einheit: Ampere pro Quadratmeter (A/m2)). Bis 100 kHz ist die Energieabsorption in der Regel vernachlässigbar, ebenso wie die resultierende Temperaturerhöhung. Zwischen 100 kHz und 10 MHz können signifikante Energieabsorptionen und Temperaturerhöhungen auftreten, so daß hier neben der Stromdichte zusätzlich die SAR-Werte herangezogen werden (s.u.).

Sowohl das elektrische als auch das magnetische Wechselfeld rufen Ströme im Körper hervor. Ein äußeres elektrisches Wechselfeld induziert unterschiedliche elektrische Ladungen auf der Körperoberfläche, die durch innere Ströme ausgeglichen werden. Ein äußeres magnetisches Wechselfeld ruft induzierte elektrische Wechselfelder sowie Wirbelströme im Körper hervor.

Bei der Festlegung der zulässigen Körperstromdichte geht ICNIRP ausschließlich von akuten, thermischen Effekten aus. Zwischen 4 Hz und 1 kHz wird die Schwelle für akute Änderungen der Erregbarkeit des zentralen Nervensystems und ähnlicher Effekte wie z.B. visuelle Effekte ("Magnetophosphene") mit 100 mA/m2 angenommen. Für den beruflichen Bereich wird dann ein Sicherheitsfaktor von 10 angesetzt, woraus sich ein Basisgrenzwert von 10 mA/m2 für die berufliche Exposition ableitet. Für die Öffentlichkeit wird ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor von 5 angenommen, so daß hier der Basisgrenzwert bei 2 mA/m2 ergibt. Die folgende Tabelle zeigt die Basisgrenzwerte für den Frequenzbereich von 1 bis 10 MHz im Überblick:

Tabelle: Basisgrenzwerte für den Frequenzbereich 1 Hz bis 10 MHz, Stromdichte J in Kopf und Rumpf in mA/m2
 
Frequenz f
Berufliche Exposition
Allgemeinheit
bis 1 Hz
40
8
1 - 4 Hz
40/f
8/f
4 Hz - 1 kHz
10
2
1 kHz - 10 MHz
f/100
f/500

Zwischen 100 kHz und 10 GHz beruhen die Basisgrenzwerte auf der spezifischen Absorptionsrate SAR (Einheit: Watt pro kg (W/kg)) und sollen sowohl die Ganzkörper-Temperaturerhöhung als auch eine exzessive lokale Gewebeerwärmung begrenzen. Zwischen 100 kHz und 10 MHz werden Basisgrenzwerte sowohl in Form von SAR-Werten als auch in Stromdichten (s.o.) angesetzt. Mit steigender Frequenz tritt die Ganzkörper-Absorption gegenüber signifikanten lokalen Absorptionen bzw. lokalen Gewebeerwärmunger in den Hintergrund, bis schließlich bei Frequenzen über 10 GHz die Eindringtiefe in den Körper sehr gering wird, die Absorption findet primär an der Körperoberfläche statt. Hier ist der SAR-Wert keine gute Meßgröße mehr, um die absorbierte Energie abzuschätzen. ICNIRP verwendet für diese hohen Frequenzen die Leistungsflußdichte (Einheit: W/m2) als Basisgrenzwert.

Der Ganzkörper-SAR-Wert weist für Menschen zwischen 70 und 100 MHz die höchsten Werte auf. Aufgrund der geometrischen Abmessungen des Menschen findet sich hier eine Resonanz mit den elektromagnetischen Wellen, deren Wellenlängen der Größe des Menschen entsprechen. Für den nicht-geerdeten "Standard-Referenz-Mann" liegt die Resonanz bei 70 MHz, für Kinder bei ca. 100 MHz. Es sei angemerkt, daß diese Resonanzen nichts mit den beobachteten Resonanzeffekten gepulster EMF zu tun haben.

Bei der Festlegung des zulässigen SAR-Wertes geht ICNIRP davon aus, daß gesicherte biologische und gesundheitlich bedenkliche, akute Effekte erst bei einer Erhöhung der Körpertemperatur von mehr als 1 Grad ° C auftreten. Diese Temperaturerhöhung entspricht laut ICNIRP einem Ganzkörper-SAR-Wert von etwa 4 W/kg über 30 Minuten. Mit einem Sicherheitsfaktor von 10 ergibt sich daraus ein Grenzwert für die berufliche Exposition von 0,4 W/kg und mit einem zusätzlichen Sicherheitsfaktor von 5 für die Allgemeinheit von 0,08 W/kg. Die folgende Tabelle zeigt die Ganzkörper- und Teilkörper-SAR-Werte. Alle SAR-Werte werden dabei über 6-Minuten-Perioden gemittelt, die Teilkörper-SAR-Werte werden über jeweils 10 g Gewebe gemittelt.

Tabelle: Basisgrenzwerte für den Frequenzbereich 100 kHz bis 10 GHz, Ganz- und Teilkörper-SAR-Werte in W/kg
 
Frequenz
Ganzkörper-SAR
Teilkörper-SAR (Kopf und Rumpf)
Teilkörper-SAR (Extremitäten)
 
berufl. / Allg.
berufl. / Allg.
berufl. / Allg.
100 kHz bis
10 GHz
0,4 / 0,08
10 / 2 
20 / 4

Tabelle: Basisgrenzwerte für den Frequenzbereich 10 bis 300 GHz, Leistungsflußdichte in W/m2
 
Frequenz
berufliche Exposition
Allgemeinheit
10 - 300 GHz
50
10

(Anm.: Es besteht bis heute kein wissenschaftlicher Konsens darüber, welche physikalischen Größen geeignet sind, ein Maß für mögliche Gesundheitsschäden zu sein. Stromdichte und SAR-Werte mögen geeignete Größen sein, um das Risiko akuter, thermischer Effekte zu beschreiben. Welche physikalische Größen aber für schwache elektromagnetische Felder und eventuelle Langzeiteffekte ein Maß für mögliche Gesundheitsschäden sein könnten, darüber besteht Unsicherheit.)

Aus den Basisgrenzwerten abgeleitete
Grenzwertempfehlungen (Referenzwerte)

Unabhängig davon, auf welch gutem oder schlechtem Fundament die genannten Basisgrenzwerte stehen, können die Basisgrenzwerte in der Regel nicht unmittelbar gemessen werden. Aus diesem Grunde werden die Basisgrenzwerte mit Hilfe mathematisch-physikalischer Modelle in die üblichen EMF-Meßgrößen elektrisches und magnetisches Feld (Einheit: Volt pro Meter (V/m) und Mikrotesla (µ T)) bzw. im Hochfrequenzbereich in Leistungsflußdichte (Einheit: W/m2) umgerechnet. Diese Umrechnung bringt weitere methodische Probleme mit sich. Zwangsläufig handelt es sich um Vereinfachungen, die spezielle Gewebeeigenschaften, verbunden mit inhomogener und anisotroper elektrischer Leitfähigkeit, nicht berücksichtigen. Zu dem Problem der Umrechnung liegen verschiedene wissenschaftliche Arbeiten vor. Laut ICNIRP erzeugt ein 50-Hz-Magnetfeld einer Stärke von 100 µ T maximale Körperstromdichten von 2 mA/m2. Die 100 µ T sind demnach der aus dem Basisgrenzwert der Stromdichte von 2 mA/m2 abgeleitete Grenzwert für das magnetische Wechselfeld für die Allgemeinheit. Für den Hochfrequenzbereich ergeben sich bei der Umrechnung von SAR-Werten in Leistungsflußdichten vor allem Probleme im Nahbereich der Antenne, wie u.a. die lange Zeit falschen Umrechnungen für den Betrieb von Handies gezeigt haben.

Die resultierenden Grenzwertempfehlungen werden in 11 Frequenzbändern nach unterschiedlichen Formeln berechnet und können daher nur in umfangreichen Tabellen dargestellt werden, die den Rahmen dieses Textes sprengen würden. Hier bietet sich eine graphische Darstellung an; aus Platzgründen beschränken wir uns hierbei auf die Grenzwertempfehlungen für das Magnetfeld.

Insgesamt zeigt sich, daß sich die Grenzwerte von den IRPA-Empfehlungen aus dem Jahre 1988 nur sehr wenig unterscheiden. Für 50-Hz-Wechselfelder werden wie gehabt die bekannten Grenzwerte von 100 MikroT (berufliche Exposition: 500 MikroT) für das Magnetfeld bzw. 5.000 V/m (10.000 V/m) für das elektrische Feld empfohlen.

Einige Auffälligkeiten bei der Festlegung der Grenzwerte sollen aber kurz diskutiert werden. Im Frequenzbereich unter 1 kHz wird für das elektrische Wechselfeld als zusätzlicher Sicherheitsfaktor zwischen beruflicher und allgemeiner Exposition nicht der Wert 5 (s.o.), sondern nur der Wert 2 verwendet. Dieses Vorgehen ist willkürlich und wird vollkommen unzureichend begründet. Der Hintergrund dürfte sein, daß ein Sicherheitsfaktor von 5 zu Grenzwertempfehlungen für die Allgemeinheit führen würde, der erheblich größere Abstände zwischen Hochspannungstrassen und Wohnbebauungen erzwingen würde. Im Gegensatz zum elektrischen Feld wird für das Magnetfeld bis 100 kHz tatsächlich der zusätzliche Sicherheitsfaktor von 5 verwendet.

Für den Frequenzbereich von 100 kHz bis 10 MHz wurde für das Magnetfeld der zusätzliche Sicherheitsfaktor von 5 auf 2,2 gesenkt und damit gegenüber den IRPA-Empfehlungen von 1988 der Grenzwert für die Allgemeinheit heraufgesetzt! Begründet wird dies damit, daß man sich bisher an den elektrischen Feldstärken und der Fernfeld-Beziehung zwischen elektrischem und magnetischen Feld orientiert habe. Dies sei jedoch nicht zulässig, da das Magnetfeld unterhalb von 100 MHz kein signifikantes Risiko für Elektroschocks und Verbrennungen darstelle. Eine höchst willkürliche Argumentation. Ähnlich könnte man auch in anderen Frequenzbereichen argumentieren und jeweils zu völlig unterschiedlichen Sicherheitsfaktoren kommen. Hintergrund dieser Heraufsetzung sind die sonst notwendigen großen Sicherheitsabstände von Lang-, Mittel- und Kurzwelle-Radiosendern zu Wohngebäuden, die insbesondere in deutschen Großstädten nicht eingehalten werden. Genau dieser Frequenzbereich wurde 1996 aus der deutschen Elektrosmogverordnung "vorsorglich" herausgenommen, um den Weiterbetrieb zahlreicher innerstädtischer Radiosender nicht zu gefährden (vgl. Elektrosmog-Report, Juni 1996). Nun können die gewünschten Werte aus den ICNIRP-1998-Empfehlungen problemlos übernommen werden.

Im Bereich 10 MHz bis 10 GHz liegen die Werte für die Allgemeinheit um den Faktor 2,2 unter den Werten für die berufliche Exposition. Dies ist aber hier kein Taschenspielertrick. Vielmehr entspricht ein Faktor 5 bei den SAR-Werten (Basisgrenzwert) einem Faktor von 2,2 (= Ö 5) bei den Leistungsflußdichten.

Für den Bereich 10 bis 300 GHz wird der zusätzliche Sicherheitsfaktor von 5 genommen. Eine Umrechnung ist nicht erforderlich, da hier ja der Basisgrenzwert bereits der meßbaren Größe Leistungsflußdichte entspricht (s.o.).

Gepulste Strahlung, die in dem gesamten Papier ansonsten keinerlei Berücksichtigung erfährt, wird immerhin in ihrem Spitzenwert begrenzt. Dies ist unumgänglich, da die Grenzwerte nur zeitlich gemittelte Werte betreffen und damit ansonsten die Spitzenwerte gepulster Strahlung vollkommen ungeregelt wären. So wird angesetzt, daß der Spitzenwert den Mittelwert nicht um mehr als 1.000 überschreiten solle, was einem Unterschied in den Feldstärken von 32 (= Ö 1.000) entspricht. Eine Begründung für diese Faktoren wird nicht für notwendig gehalten.

Schließlich werden noch verschiedene Berechungsformeln angegeben, wie z.B. die induzierte Körperstromdichte beim Einwirken unterschiedlicher Felder mit verschiedenen Frequenzen zu berechnen ist.

Kritik des nova-Instituts an den ICNIRP-Grenzwertempfehlungen

Methodik

Langzeiteffekte Fehlende Vorsorge Politik Es ist aber ausschließlich eine Frage der Politik, wie mit möglichen Schäden, die nicht ausgeschlossen werden können, umzugehen ist (vgl. Vorsorge). Die ICNIRP vermittelt der Politik durch ihre Grenzwertempfehlungen eine scheinbar auf wissenschaftlichen Fakten beruhende Sicherheit, die sich bei näherem Hinsehen als eine politisch-wirtschaftlich motivierte Entscheidung entpuppt, unsichere Risiken völlig zu ignorieren.
Fazit

Die neuen ICNIRP-Empfehlungen sind eine Enttäuschung für den Umwelt- und Verbraucherschutz. Gegenüber den IRPA-Empfehlungen von 1988 hat sich nahezu nichts geändert (bis auf eine Heraufsetzung (!) der Grenzwerte für den Radiowellen-Bereich). Die Ergebnisse der in den letzten 10 Jahren durchgeführten Untersuchungen zu Langzeiteffekten bleiben letztendlich vollständig unberücksichtigt. Naheliegende Vorsorgemaßnahmen werden nicht einmal angesprochen.

Die ICNIRP-Grenzwertempfehlungen bieten schon vom Konzept her lediglich einen sicheren Schutz vor akuten Wirkungen elektromagnetischer Strahlung, wie sie erst bei extremen Feldstärken auftreten (Unfälle in der Elektroindustrie). Das Risiko von Langzeiteffekten wird von den Grenzwerten nicht tangiert.

Dies steht im krassen Widerspruch zur öffentlichen Wahrnehmung. Wie soll man es anders verstehen, wenn Anwohner von Hochspannungstrassen, die über mögliche Langzeiteffekte besorgt sind, damit abgespeist werden, daß ihre Belastungen unterhalb der internationalen Empfehlungen liegen. Die ICNIRP-Empfehlungen bieten - wie schon die IRPA-Empfehlungen von 1988 - bzgl. Langzeiteffekten konzeptbedingt keinerlei Sicherheit.

Deutsche Elektrosmogverordnung

Vor dem Hintergrund der aktuellen ICNIRP-Empfehlungen werden die Begründungen zur deutschen "Elektrosmogverordnung" (behördlich: "Verordnung über nieder- und hochfrequente EMF-Emissionen zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes") zu Taschenspielertricks. Dort werden die ICNIRP-Empfehlungen zu - man höre und staune - Vorsorgewerten für die Dauerbelastung uminterpretiert, damit dann für "kurzzeitige" bzw. "kleinräumige" Expositionen um den Faktor 2 höhere Grenzwerte festgelegt werden können (vgl. Elektrosmog-Report, Juni 1996). Grund: An heißen und trockenen Sommertagen werden die ICNIRP-Grenzwerte für das elektrische Feld bei (deutschen) Hochspannungstrassen nicht immer eingehalten.

Das Grenzwertkonzept der ICNIRP und der offiziellen deutschen Strahlenschützer erweist sich als ausgesprochen flexibel, wenn es um die Vermeidung von Expositionsrestriktionen für die Betreiber geht. Eine ähnliche Kreativität im Bereich der Vorsorge gilt es einzufordern!

Michael Karus, Franjo Grotenhermen

nova-Institut Hürth, Redaktion Elektrosmog-Report

Wie schätzen SIE die neuen ICNIRP-Empfehlungen ein?

Wir würden uns sehr über Leserbriefe (nova-h@t-online.de) zum Thema ICNIRP-Grenzwertempfehlungen freuen und mit diesen in den nächsten Ausgaben eine Diskussion zu diesem wichtigen Thema beginnen.

Anhang: Bisherige Empfehlungen der IRPA und ICNIRP sowie Risikoeinschätzungen durch nationale Institutionen:

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Forschung und Politik

Repacholi zum Risiko Elektrosmog

Am 12.02.98 veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung ein Interview von Jeanne Rubner mit Dr. Michael Repacholi, Leiter des WHO-Projektes "Elektromagnetische Felder". Wir zitieren die Antworten von Repacholi in Auszügen.

Wie im Elektrosmog-Report Mai 1996 und Februar 1998 berichtet, hat die WHO im Jahr 1996 ihr Elektrosmog-Programm gestartet und Anfang 1998 die Schwerpunkte der weiteren Arbeit festgelegt. Repacholi: "Wir haben die bisherigen Studien genau unter die Lupe genommen und Lücken aufgezeigt. In der Zukunft wollen wir uns demnach auf zwei Bereiche konzentrieren: Erstens interessieren uns die niederfrequenten Felder, also Hochspannungsleitungen oder Haushaltsgeräte, und die Frage, ob sie Leukämie bei Kindern, Brustkrebs oder Krankheiten des Zentralnervensystems hervorrufen. Zweitens stellt sich die Frage, ob die hochfrequenten Strahlen der Mobiltelephone Gesundheitsschäden – insbesondere Leukämie oder Lymphome – verursachen."

Zu aktuellen epidemiologischen Studien, die nach Presseberichten kein erhöhtes Risiko gefunden haben: "Nicht, wenn man die Studien genau liest." Nach der Untersuchung der amerikanischen Akademie der Wissenschaften "haben Kinder, die in der Nähe von Hochspannungsleitungen leben, ein um 50 Prozent erhöhtes Risiko, an Leukämie zu erkranken. Auch die Studie des US-Krebsinstituts von letzem Jahr hat offenbart, daß Kinder, die Magnetfeldern oberhalb von 0,3 Mikrotesla ausgesetzt sind, ein signifikant erhöhtes Leukämie-Risiko haben. Nur stand das eben nicht in der Pressemitteilung".

"Wir haben Kriterien aufgestellt, mit denen wir Studien bewerten können. Das sind im wesentlichen die Kriterien der Internationalen Agentur für Krebsforschung, mit denen auch Chemikalien bewertet werden. Eine Untersuchung, die etwa bestimmte statistische Mängel aufweist oder bei der Tiere nicht lange genug den Feldern ausgesetzt waren, wird man weniger wichten als eine, die zahlreiche Kriterien erfüllt."

Als problematisch schätzt Repacholi die Wissenslücken über die tatsächliche Belastung ein: "Es ist bisher nicht klar, welchen Feldern Menschen tatsächlich ausgesetzt sind. Denn Geräte im niederfrequenten Bereich senden nicht nur regelmäßige Sinusschwingungen aus, sondern auch Spitzen mit anderen Frequenzen. Sie könnten gesundheitsschädigend sein, indem sie elektrische Ströme in Zellen hervorrufen, die oberhalb der gewöhnlichen Werte liegen. Außerdem fehlen gute Krebsstudien, die diese Feldspitzen berücksichtigen."

Zum Handy-Risiko: "Die bisherigen Untersuchungen haben kein Risiko ergeben. Aber wasserdicht sind die Ergebnisse nicht. Wir wollen daher subtile Effekte studieren, denn Mobiltelephone sind mittlerweile so weit verbreitet, daß selbst ein kleiner Effekt sich zu einem großen Gesundheitsproblem entwickeln könnte."

Auf die Frage, ob neue Erkenntnisse zu Effekten unterhalb der Grenzwerte zu einer Absenkung der Grenzwerte führen würden, antwortet Repacholi: "Nicht unbedingt. Man muß zunächst feststellen, welches Risiko Felder genau darstellen – also etwa wieviele Menschen jährlich dadurch zusätzlich an Krebs erkranken. Diese Zahl gilt es, mit den Vorteilen der elektrischen Stromversorgung oder der Mobiltelephone zu vergleichen. Wir schaffen ja auch nicht die Autos ab, weil auf den Straßen Menschen verletzt oder getötet werden. Das ist letztlich eine sozialwirtschaftliche Frage. In jedem Fall kostet es viel Geld, Grenzwerte zu senken, und möglicherweise wird man entscheiden, daß dieses Geld in anderen Bereichen der Gesundheitsvorsorge besser angelegt ist."

Zum Gesamtetat des WHO-Programms: "Die WHO koordiniert die Forschung, das Programm sieht deshalb nur 3,3 Millionen Dollar über fünf Jahre hinweg vor. Aber wir empfehlen nationalen Geldgebern, bestimmte Studien zu finanzieren. Diese werden insgesamt 100 Millionen Dollar kosten. Das ist viel Geld, aber wir halten es für gerechtfertigt, weil elektromagnetische Felder so weit verbreitet sind."
 
 
 
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Veranstaltungsbericht

Symposium des Bundesverbandes gegen Elektrosmog

Am 21. März 1998 fand in Frankfurt das "gemeinsame Symposium" des "Bundesverbandes gegen Elektrosmog e.V." und der "Internationalen Gesellschaft für Interdisziplinäre Wissenschaften" statt. Im Anschluß an das Symposium folgten die Jahresmitgliederversammlungen der beiden Vereine.

Zu dem Symposium waren ca. 120 Teilnehmer gekommen, die insgesamt neun Vorträge von "hochkarätigen Referenten" (so die Veranstalter) hörten.

Wirklich hochkarät waren dann allerdings nur wenige Vorträge. Teilweise wurden recht obskure oder esoterisch beeinflußte Ansichten vertreten oder auch alte Behauptungen zum xten mal wiederholt. Viele Teilnehmer schien das nicht zu stören, im Gegenteil. Daß Wasseradern, Wünschelruten, (un)wissenschaftliche Außerseiterpositionen und obskure Elektronik-Zylinder ("besteht aus vier Mineralien, die durch ein besonderes Verfahren aktiviert werden und Strahlenstreß in Büros, Werkstätten... beruhigen") zum Thema "Elektrosmog" gehören, schien bei einem großen Teil der Anwesenden Konsens zu sein. Leider wurde die Chance vertan, wirklich fundierte Kritiker aus dem Bereich Elektrosmog, von denen es in Deutschland genug gibt, bei einem Symposium zusammenbringen.

Zu den interessanten Vorträgen gehörte der Beitrag von Prof. Dipl.-Ing. Günter Käs "Intelligente Technik gegen Elektrosmog". An Beispielen wie Synchronuhren am Küchenherd, Magnetfeldkompensation bei Monitoren, strahlungsarmen Handies und Ladegeräten erklärte Käs, wie man mit intelligenter Technik durch "spezielle Anordnungen und Ausführungen von Geräten eine deutliche Reduzierung um etwa den Faktor 10 .... der magnetischen Feldstärken" erreichen kann. Käs berichtete von neuen Handy-Konstruktionen, die eine reduzierte Strahlungsabgabe in Kopfrichtung aufweisen, und von Handy-Abschirmtaschen, die nur noch ca. 1% der Strahlung zum Kopf hin passieren lassen. Dann berichtete er, wie schwer es für Laien ist, mit sog. Abschirmfolien hochfrequente Felder abzuschirmen.

Dr. Lebrecht von Klitzing legte in seinem Vortrag sehr klar und verständlich die Diskrepanz zwischen den offiziellen Grenzwerten, die sich ausschließlich an thermischen Effekten orientieren, und tatsächlichen biologischen Wirkungen gepluster elektromagnetischer Felder dar. "Das offensichtlich breite Wirkungsspektrum schwacher elektromagnetischer... Felder auf den Menschen weist auf einen multikausalen Mechanismus hin... Daß das Biosystem "Mensch" durchaus auf schwache Feldemissionen reagiert, zeigen vor allem die klinischen Fälle, sie sehr wohl kausale Zusammenhänge aufweisen."

Zum Symposium soll in ca. drei Wochen ein Tagungsband erscheinen.

Insgesamt zeigte sich in Gesprächen am Rande, daß viele Teilnehmer von dem Symposium enttäuscht waren, da wichtige technische, wissenschaftliche und politische Aspekte des Themas Elektrosmog ebenso wie Hilfen für die Praxis nicht behandelt wurden.

Kontakt: Bundesverband gegen Elektrosmog e.V., Festerbachstr. 16, 65329 Hohenstein, Tel.: (06120) 91 00 08, Fax: (06120) 91 00 09.

Werner Schaper, Michael Karus

(Redaktion Elektrosmog-Report)

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Veranstaltungshinweise

23. bis 29. Mai 1998, Vingstedcentret, Dänemark
14th International Symposium on Bioelectrochemistry and Bioenergetics
Kontakt: Dr. S. Kwee, Universität Aarhus, Tel: 0045-8942-2869, Fax: 0045-8613-1160, E-Mail: bes98@biokemi.aau.dk, Internet: www.health.aau.dk/conf/bes98.htm.
 

07. bis 11. Juni 1998, Tradewinds Resort, St. Pete Beach, Florida 33706
20th Annual Meeting of the Bioelectromagnetics Society (BEMS)
Veranstalter und Kontakt: BEMS, Dr. William Wisecup, W/L Associates, 7519 Ridge Rd., Frederick, MD 21702, Tel: 001 (301) 663-4252, Fax: 001 (301) 371-8955, E-Mail: 75230.1222@compuserve.com, Internet: http://www.biomed.ucr.edu/bems.htm

Preis für Nicht-Mitglieder: $325 (ab 08. Mai: $405), für einen Tag: $100 ($130).
 
 
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