Elektrosmog-Report
5. Jahrgang / Nr. 4 April 1999
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Jubiläum
Vier Jahre Elektrosmog-Report

Der Elektrosmog-Report feiert mit der Aprilausgabe seinen fünften Geburtstag: Im April 1995 erschien die erste Ausgabe. Seit nunmehr vier Jahren berichten Wissenschaftler des nova-Instituts monatlich über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, politische Entwicklungen, technische Neuheiten und Verbraucherschutz. Dazu kamen Übersichten und Analysen sowie Beiträge von Fremdautoren unterschiedlicher Fachrichtungen.
Wir möchten uns bei unseren Lesern für das anhaltende und wachsende Interesse an unserer Fachzeitschrift bedanken. Über 1.000 Abonnenten bilden eine solide finanzielle Basis und stellen sicher, dass die Informationen des Elektrosmog-Reports den größten Teil aller Elektrosmog-Interessierten im deutschsprachigen Raum erreichen. Anlässlich des 4-Jahre-Jubiläums möchten wir den Elektrosmog-Report mit einem neuen Layout optisch attraktiver gestalten. Wir hoffen, dass Ihnen das neue Erscheinungsbild gefällt!
Des Weiteren möchten wir darauf hinweisen, dass Beiträge von Fremdautoren weiterhin herzlich willkommen sind! Wenn Sie zu einem wissenschaftlichen, technischen, politischen oder verbraucherschutzorientierten Thema arbeiten und Ihre Ergebnisse publizieren möchten, so freuen wir uns auf Ihre Zuschrift. Bislang haben bereits über 20 Wissenschaftler und Techniker Ihre aktuellen Ergebnisse und Einschätzungen im Elektrosmog-Report veröffentlicht.
Schließlich haben wir das Jubiläum zum Anlass genommen, EMF-Experten aus dem deutschsprachigen Raum um ein Statement bzw. einen Diskussionsbeitrag zu bitten:
Was waren Ihrer Meinung nach im Bereich EMF / EMVU / Elektrosmog die wichtigsten neuen Erkenntnisse und neuen Entwicklungen in den letzten fünf Jahren?
Die Anzahl der Rückmeldungen war überwältigend. Oft enthielten die Zuschriften zusätzlich Glückwünsche und anerkennendes Lob, über die wir uns sehr gefreut haben und für die wir uns herzlich bedanken. Im Folgenden finden sie die Diskussionsbeiträge in – von wenigen Ausnahmen abgesehen – vollständiger Länge. Wir danken allen Autoren recht herzlich für ihre Mühe bei der Abfassung der Beiträge.
Wir wünschen allen Lesern und Leserinnen, dass sie auch zukünftig die für Sie wichtigen Informationen im Elektrosmog-Report finden!

Ihr Redaktionsteam
Dipl.-Phys. Michael Karus, Dr. med. Franjo Grotenhermen
und Dr. rer nat. Peter Nießen



Stellungnahmen

Die wichtigsten neuen Erkenntnisse und Entwicklungen der letzten fünf Jahre

Die Beiträge in alphabetischer Reihenfolge der Nachnamen:

Prof. Dr. Jürgen H. Bernhardt, ICNIRP-Vorsitzender

Aus Sicht der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP):

Dr. Torsten Gailus, Forschungsgruppenleiter "Biologische Effekte von elektromagnetischen Feldern", Technologiezentrum der Deutschen Telekom AG, Darmstadt

Der Elektrosmog-Report feiert sein fünfjähriges Bestehen. Ein durchaus stolzes Jubiläum für die journalistische Betätigung in einer noch relativ jungen Umweltdebatte, die auf großes Interesse der Bevölkerung stößt. Durch Ihre Existenz zeigen Sie den kontinuierlichen Bedarf an wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Thema EMVU auf und tragen ihm Rechnung.
Das Technologiezentrum der Deutschen Telekom AG hat durch sein Forschungsprogramm zur EMVU ein breites wissenschaftliches Fundament gelegt, auf das Sie seit den Kindertagen des Elektrosmog-Reports zugreifen können. In der Wertung unserer und anderer Ergebnisse lagen und liegen wir auseinander, aber die Diskussion hat sich versachlicht. Allerdings haben wir – so mein Eindruck – das Potential zur Zusammenarbeit, und besonders zum Konsens, noch nicht ausgeschöpft. Auch daran müssen wir in den nächsten Jahren arbeiten.
Allen in der EMVU-Debatte Beteiligten sollte dabei noch mehr bewußt sein, daß es wissenschaftliche Erkenntnis ist, die das Fundament und die Entscheidungsgrundlage für politisches und gesellschaftliches Handeln bildet. Dies zwingt auch den wissenschaftlichen Journalisten zu besonderer Sorgfalt. Dennoch steht für den Elektrosmog-Report – wie für die Deutsche Telekom AG – Mensch und Umwelt dort, wo sie richtigerweise sein sollen: im Zentrum unseres Denkens und Handels.

Dr.-Ing. Gisbert Gralla, Ing.-Büro Dr. Gralla,
Elektromagnetische Umweltverträglichkeit,
Bad-Endorf

Zunächst fällt auf, daß neue Erkenntnisse äußerst rar sind und sich auf ganz wenige Einzelstudien beschränken (Repacholi 1997, Schwarzenburg-Studie 1995). Besonders in Erinnerung geblieben ist dabei ein Treffen der ICNIRP in Neuherberg 1996, auf dem die Mehrzahl der geladenen Wissenschaftler nicht über Erkenntnisse referierte, sondern darüber, was Sie sich an Erkenntnissen wünschen würden.
Eine positive Konsequenz hieraus sind immerhin einige interessante Überlegungen zum Thema Risikowahrnehmung gewesen, unter anderem auch, daß "gesicherte Erkenntnisse" zur Festlegung von Grenzwerten gar nicht erforderlich sind, sondern daß Grenzwerte eine politische Entscheidung darüber darstellen, welches Risiko (beim gegebenen Wissensstand) die Bevölkerung zu tragen bereit ist.
An positiven Entwicklungen ist ferner festzuhalten, daß sich in Deutschland eine Gruppe von Fachleuten gebildet hat, die elektromagnetische Felder weder für die Wurzel allen Übels und das Böse schlechthin halten, noch die Ängste eines Teiles der Bevölkerung mit der Bemerkung abtun, Körpererwärmung könne ja auch positiv sein.

Prof. Dr. Günter Käs,
Ingenieurbüro für Radarmeßtechnik, Pfaffenhofen

Besonders bemerkenswert in den letzten fünf Jahren erschien mir bei der Entwicklung der Bewertung der EMVU-Problematik

  1. die Tagung "Non-thermal effects of RF electromagnetic fields" am 20. und 21. November 1986 in München (Oberschleißheim), wo ein internationales Seminar zu biologischen Effekten nicht-thermischer gepulster und amplitudenmodulierter HF-Felder und daraus resultierende Gesundheitsrisiken durch u.a. die ICNIRP und die WHO veranstaltet wurde. Damit wurden die Wirkungen nicht-thermischer gepulster Strahlung endgültig wissenschaftlich "salonfähig".
  2. die freiwillige Vereinbarung von Behörden und Mobilfunkbetreibern 1998 im Land Salzburg im Mobilfunk-Frequenzbereich einen Pegel von 100 nW/cm2 nicht zu überschreiten. Das ist etwa 1/5 der Grenzwerte für gepulste Strahlung der schon vorbildlich niedrigen Grenzwerte der ehemaligen UdSSR. Diese Vereinbarung erscheint mir deshalb so bedeutsam, weil sie zeigt, daß sehr niedrige Grenzwerte vereinbart werden können, ohne daß die Technik unzumutbar eingeengt oder gar in ihrer Entwicklung gestört wird.
  3. der (erwartungsgemäß gescheiterte) Vorschlag des EU-Parlaments für Frequenzen oberhalb von 100 MHz einen Grenzwert für die elektrische Feldstärke von 1 V/m einzuführen. Auch dieser Wert liegt bei etwa 50% der UdSSR-Grenzwerte und entspricht etwa einer Leistungsdichte von 270 nW/cm2 und liegt damit in der Größenordnung der Werte im Land Salzburg.
Horst Kubatschka, Mitglied des Deutschen Bundestages, stellvertretender umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bonn

Die wichtigste Entwicklung der letzten fünf Jahre war m.E. die zielgerichtete Erforschung des Phänomens "Elektrosmog". Die Forschung sollte der Politik belastbare Daten zur Verfügung stellen, damit auf dieser Grundlage verbindliche Grenzwerte festgelegt und gesetzliche Regelungen initiiert werden können. In Deutschland trat aufgrund dessen die "Verordnung über elektromagnetische Felder" am 1. Januar 1997 in Kraft. Außerdem liegt seit Juni 1998 auf europäischer Ebene der "Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung durch elektromagnetische Felder 0 Hz - 300 GHz" vor, mit dem die neue ICNIRP-Richtlinie umgesetzt werden soll. Damit wird für den gesamten EU-Bereich eine einheitliche Basisempfehlung ausgesprochen. Auch wenn diese Regelungen noch nicht ausreichend sind, so bietet sich jetzt die Chance, auf europäischer und nationaler Ebene den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu verbessern. Die Empfehlungen müssen weiter konkretisiert und der Vorsorgegesichtspunkt muß stärker berücksichtigt werden. Die in der deutschen Verordnung für den HF-Bereich von 0,1 MHz bis 10 MHz fehlenden Grenzwerte müssen umgehend in die Verordnung aufgenommen werden.

Wilhelm Krahn-Zembol,
Rechtsanwalt, Wendisch Evern

Anfang der 90er Jahre haben wir in vielen Präzedenzverfahren zahlreiche Aspekte potentieller Langzeitgesundheitsgefährdungen eingebracht, welche durch die damals noch ausschließlich angewendete DIN 0848 bei Betrieb EMF-emittierender Anlagen und Geräte nicht hinreichend berücksichtigt erschienen. In den letzten fünf Jahren sind leider in einer Vielzahl von Einzelfällen athermische Schädigungen eingetreten. Ein ausreichendes Wissen zur Vermeidung dieses Leidens war deshalb von Anfang an vorhanden, wurde aber wie in anderen Technikbereichen nicht ausreichend und nicht rechtzeitig genug beachtet.

Dr. Karsten Menzel,
E-Plus Mobilfunk GmbH, Abteilungsleiter Arbeitssicherheit/EMVU, Düsseldorf

Betrachtet man die Forschungsanstrengungen, die in den letzen Jahren weltweit durchgeführt wurden, so ist schon bemerkenswert, daß sich die Erkenntnislage kaum verändert hat. Auch wenn von einigen Effekten immer wieder zu hören ist, ändert sich an der Gesamteinschätzung über elektromagnetische Felder nur wenig. Viele dieser Effekte können aufgrund unzureichender Dokumentation und Reproduktion nicht berücksichtigt werden.
Dennoch fordern Kritiker des Mobilfunks eine Absenkung der Grenzwerte um immer größere Faktoren. Fakt ist, daß Mobilfunksendeanlagen aufgrund der Technikverbesserungen, dort wo sich Menschen aufhalten können, die gesetzlichen Grenzwerte bereits um mehrere Größenordnungen unterschreiten. Aber gerade die Sendeanlagen sind Auslöser vieler Diskussionen um mögliche Wirkungen auf den Menschen – und damit, rein rational betrachtet, als potentielle Risikoquelle gegenüber anderen technischen Einrichtungen deutlich überbewertet. Für die Zukunft wünschenswert wäre deshalb, daß gerade die Wissenschaft deutlicher kommuniziert, was wissenschaftlich bestätigt und was nur Hypothese oder gar Spekulation ist. Sonst bleibt am Schluß nur die Einschätzung, wie sie Montaigne bereits vor über 400 Jahren hatte: "Die Menschen (...) werden von den Meinungen gequält, die sie von den Dingen hegen, und nicht von den Dingen selbst."

Dr. H.-Peter Neitzke, ECOLOG-Institut, Hannover

Der Vorsorgegedanke hat verstärkt Eingang gefunden in die Diskussion über mögliche Auswirkungen elektromagnetischer Felder und Schutzmaßnahmen (s. deutsche Diskussion um Vorsorgeregelungen im Zusammenhang mit der Verabschiedung der 26. BImSchV und Vorstoß des Umwelt-Ausschusses des Europa-Parlaments).
Im Forschungsbereich ist eine deutliche Zunahme der europäischen Anstrengungen zu verzeichnen, sowohl in Bezug auf die Bereitstellung von Forschungsmitteln als auch bei der tatsächlichen Forschung.
Es wurden mehrere methodisch deutlich verbesserte und damit aussagekräftigere epidemiologische Untersuchungen zu möglichen gesundheitlichen Auswirkungen elektromagnetischer Expositionen im Niederfrequenzbereich durchgeführt (Krebserkrankungen, neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer-Krankheit und Amyotropische Lateralsklerose sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen).
Die Aussagekraft experimenteller Untersuchungen insbesondere im Niederfrequenzbereich wurde durch die erfolgreiche Replikation einiger Experimente verbessert.
Die Zahl der Untersuchungen zu den Auswirkungen getakteter HF-Felder (Mobilfunk) ist zwar noch gering, es liegen jedoch bereits einige aussagekräftige Studien vor (z.B. zur krebspromovierenden Wirkung bei Nagetieren sowie zu Auswirkungen auf Gehirnpotentiale und Lernvermögen).
Einige Hersteller von Mobilfunk-Endgeräten arbeiten intensiv an der Entwicklung von Handys, die die NutzerInnen geringer belasten. Bei einigen Betreibern von Mobilfunknetzen wächst die Bereitschaft, Vorbehalte von potentiellern AnwohnerInnen neuer Anlagen ernst zu nehmen und Aspekte der Gesundheitsvorsorge bei der Netz- und Anlagenplanung zu berücksichtigen.

Dipl.-Ing. Gerhard Niemann, Selbsthilfeverein für Elektrosensible e.V., München

Vor 5 Jahren bewegten wir uns "unter uns". In der Zwischenzeit hat die Bewußtseinsbildung auf breiter Ebene zugenommen:
– Es gibt einen – beginnenden – Dialog mit Betreibergesellschaften und Herstellern, nachdem offensichtlich "doch etwas dran sein muß an der Gesundheitsbeeinträchtigung der EMF" – entgegen den verharmlosenden Äußerungen offizieller Stellen. Denn: Betroffene Menschen werden vorstellig bei den Verursachern.
– Die Medien haben sich des Themas angenommen. TV-Sendungen wurden laufend besser. Pro und Contra sind heute recht gut ausgewogen.
– In der Medizin wird der Ruf nach einem Paradigmawechsel laut: Verlassen der mechanistischen Betrachtungsweise, der monokausalen Beziehung; Hinwendung zum Systemverständnis, zur ganzheitlichen Erfassung.
– Die Zahl der praktizierenden Ärzte, die sich neuer Methoden bedienen und uns gerecht werden, hat erfreulich zugenommen.
Nur gewisse Institute und das Bundesamt für Strahlenschutz stehen nahezu unverändert der Realität fern – oder weiß man schon, man will/darf es nur nicht sagen?

Dr. rer. nat. Olaf Plotzke, Forschungsgesellschaft für Energie und Umwelttechnologie GmbH, Berlin

Die wichtigste Entwicklung der letzten fünf Jahre war die Verabschiedung der 26. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, mit der erstmals in Deutschland gesetzlich verbindliche Grenzwerte für elektromagnetische Felder vorgegeben wurden.

Dipl.-Ing. Holger Oetzel,
Institut für Umweltkrankheiten, Bad Emstal

Das Gebiet des Elektrosmogs hat sich in den letzten Jahren zu einem eigenständigen Markt entwickelt. Dies gilt sowohl für die Industrie, private Haushalte wie auch für die Medizin. In den letzten Jahren wurde viel gemessen, begutachtet und saniert. Aufgrund der hohen Präsenz dieses Themas in den Medien konnte sich kaum jemand der Thematik entziehen. Elektrosmoggutachter sind überall anzutreffen. Die Aussagen über die Gefährlichkeit der Strahlen variieren sehr stark. Was einerseits als fast tödlich angesehen wird, ruft auf anderer Seite nur Unverständnis bzgl. mangelnder Sachkenntnis hervor. Ein wenig Licht in diese Grauzone brachten viele Publikationen auf Forschungsebene. So ist als eine der wichtigsten Entwicklungen der letzten Jahre die Zunahme des Interesses der verschiedenartigsten Medien an diesem Thema zu nennen. Durch derartige Aufklärung verunsichert, können sich auch große Industriekonzerne allein durch Abwiegeln und Theoretisieren nicht aus der Verantwortung stehlen und vergeben mittlerweile Forschungsaufträge an unabhängige Institute.

Dr. Lebrecht von Klitzing, Medizinphysiker,
Medizinische Universität zu Lübeck

Eine zunehmende Anzahl von Erkrankungen mit teilweise massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Zusammenhang mit GSM- und DECT-Telekommunikationsanlagen zeigt, daß die derzeitige ICNIRP-Grenzwertregelung für gepulste HF-Felder nicht ausreicht. Vielmehr wird an diesen technischen Grenzwerten festgehalten, wonach ein biologischer Effekt nur über den Energieeintrag erklärt wird, mit den möglichen Folgen einer kritischen Temperaturerhöhung oder Nervenreizung.
Es ist die strenge Periodizität der Modulation (GSM/DCS: 217 Hz), die offensichtlich die Bioregulation irritiert. Damit spielt nicht mehr die Leistung des HF-Trägers die alleinige Rolle bei der Bewertung, sondern die Modulationsart. Hier muß aber auch die hausgemacht Elektrosmog-Quelle des schnurlosen Telefons nach dem DECT- bzw. GAP-Systems gesehen werden. Diese Anlagen senden ununterbrochen die 100-Hz-Modulation, unabhängig davon, ob telefoniert wird oder nicht. Die Folge: Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen, Aggressivität bis hin zum veränderten Blutbild. Insbesondere Kinder sind bis hinein in die Nachbarwohnung betroffen.
Biologische Wirkungen sind noch bis 10 m Abstand von der DECT-Basisstation nachgewiesen worden, was einer immittierten Leistungsdichte von ca. 100 Mikrowatt/m2 entspricht. Dieser biologisch eindeutig kritische Wert sollte bei der Immission durch gepulste Felder nicht überschritten und als Maßstab bei weiteren Emittenten angesetzt werden. Die Realisierung ist keineswegs utopisch, wenn darauf verzichtet wird, weiterhin in Wohngebieten Sendeanlagen zu installieren und der einzelne schon beim Kauf eines entsprechenden Telefons über mögliche biologische Gefahrenmomente informiert wird.

Dr. rer. nat. Ulrich Warnke,
Universität des Saarlandes, Saarbrücken

Nach 18monatiger Arbeit einer international besetzten Kommission von Experten kommt im Juni 1998 das Nationale Institut für Umweltgesundheitswissenschaften, USA (National Institute of Environmental Health Sciences NIEHS) zu folgendem Schluß: "Elektromagnetische Felder (Emfs) sind mögliche Karzinogene für den Menschen". Grundlage für das Bewertungsverfahren waren die Richtlinien der Internationalen Agentur für Krebsforschung (International Agency for Research on Cancer IARC). Mit dieser Einstufung rangiert das elektromagnetische Feld in der gleichen Kategorie wie Chloroform, DDT, Blei, PBB's, Tetrachlorkohlenstoff.
Nach 9jähriger Arbeit des vom US-Kongreß beauftragten Sicherheitsrates (National Council on Radiation Protection and Measurements NCRP), wobei sämtliche wissenschaftlich relevanten Untersuchungen zum Thema kritisch bewertet wurden, empfiehlt 1995 der Ausschuß (bestehend aus Epidemiologen, Gesundheitsexperten, Molekular- und Zellbiologen und Ingenieuren von Stromversorgungsunternehmen) einen Grenzwert bei niederfrequenten Magnetfeldern von 0,2 Mikrotesla (derzeitige Grenzwert 100 Mikrotesla, früher 400 bzw. 5000 Mikrotesla). Der NCRP tritt dafür ein, diesen niedrigen Grenzwert ab sofort beim Bau von Kindertagesstätten, Schulen und Kinderspielplätzen ebenso wie bei der Errichtung neuer Stromversorgungsleitungen zu beachten.
Da der Mensch ohne Zweifel für seinen eigenen Aufbau und seine Funktion die gleiche Qualität von elektromagnetischen Kräften verwendet, wie die außerhalb des Menschen technisch etablierten elektromagnetischen Kräfte, deshalb ist eine Beeinflussung unumgänglich. Die Verträglichkeit ist noch nicht ausreichend erforscht worden und wird von uns mit Hilfe einer vergleichenden Quantenenergie-Betrachtung neu recherchiert.
Angestellte, die seit mehr als einem Jahr in einem Labor mit vergleichsweise hoher magnetischer Flussdichte arbeiteten, wiesen eine Verschlechterung vegetativer Größen wie Reizbarkeit, Depression, Libido und psychische Erschöpfung sowie zum Teil signifikante Veränderungen von Immunparametern auf. Diese Beobachtungen bestätigen tierexperimentelle Studien, nach denen eine chronische Exposition mit elektromagnetischen Feldern die Funktion des Immunsystem beeinträchtigen kann.

Elektromagnetische Felder werden mit verschiedenen neurovegetativen Beschwerden in Zusammenhang gebracht (Leitgeb 1998). So stehen sie beispielsweise im Verdacht, Depressionen zu induzieren (Wilson 1998). Eine kausale Beziehung ist allerdings meistens schwer herzustellen und auch der Wirkungsmechanismus ist unklar. Störungen des Melatoninhaushaltes könnten zum Teil für solche Effekte verantwortlich sein. Auch Stress ist in der Lage, solche Symptome hervorzurufen. Stress kann sich gleichzeitig auch ungünstig auf das Immunsystem auswirken, so dass ein Nebeneinander von neurovegetativen und immunologischen Veränderungen ein Indiz für eine Stressreaktion des Organismus auf elektromagnetische Feldern sein könnte.

Beeinflussung von Neurovegetativum
und Immunsystem beim Menschen

In einer französischen Studie wurden 13 Personen untersucht, die seit 1 bis 5 Jahren in einem Labor arbeiteten, dass über einem elektrischen Transformator, einer Hochspannungsleitung und einem Generator lag (Bonhomme-Faivre 1998). Die magnetische Flussdichte betrug unmittelbar über dem Fußboden 1,2 bis 6,6 µT (Mikrotesla) und 1,5 Meter über dem Boden 0,3 bis 1,5 µT. Zwei Personen arbeiteten täglich acht Stunden im Labor und die übrigen 11 sowohl im Labor als auch in anliegenden Büros mit geringeren Expositionsstärken zwischen 0,1 und 0,3 µT. Diese 13 Personen wurden hinsichtlich verschiedener Parameter mit 13 normal exponierten Personen aus dem gleichen Unternehmen mit gleicher Altersstruktur und Geschlechtsverteilung verglichen.
Die Untersuchung umfasste zwei Teile:

Abbildung 1: Häufigkeit einiger subjektiver Störungen (0 = nie, 1 = manchmal, 2 = oft, 3 = sehr oft). Die mit einem Sternchen markierten weisen einen signifikanten Unterschied zwischen den EMF-Exponierten und den Kontrollen auf .

Abbildung 2: Verlauf der Zahl der Leukozyten (= weiße Blutkörperchen) pro Milliliter und der Untergruppe der Neutrophilen (=neutrophile Granulozyten) bei einer Person, die chronisch einem magnetischen Feld ausgesetzt war, über 72 Monate. Nach 40 und 49 Monaten wurde die Exposition jeweils ausgesetzt oder beendet: 
0 Monate: vor der Exposition; 40 Monate: Stop der Exposition;

40,7 Monate: erneute Exposition; 49 Monate: endgültiger Stop der Exposition

 

Die EMF-Exponierten schnitten im Fragebogen bei den folgenden Parametern deutlich schlechter ab: körperliche Müdigkeit, psychische schnelle Erschöpfbarkeit (Asthenie), Lipothymie, verminderte Libido, Melancholie, depressive Tendenz und Reizbarkeit.
Bei den beiden Personen, die täglich acht Stunden in dem Raum mit einer magnetischen Flussdichte zwischen 1,2 und 6,6 µ T arbeiteten, wurde eine Verminderung der Gesamtzahl der weißen Blutkörperchen (=Leukopenie) und eine Verminderung der Zahl einer Untergruppe, der neutrophilen Granulozyten (=Neutropenie), ermittelt. Innerhalb von 20 Stunden normalisierten sich die Werte wieder. Kurz nachdem sie wieder in dem belasteten Labor arbeiteten, trat bei einem der beiden wieder eine Leukopenie und Neutropenie auf. Die Fluktuationen der Leukozyten- und Neutrophilenzahl dieser Person über 66 Monate sind in der Abbildung 1 dargestellt. Beide Personen verließen schließlich dauerhaft das Labor und haben nun normale Blutwerte. Die Normalisierung der Werte nach Beendigung der Exposition unterstützt nach Ansicht der Forscher sehr stark die Annahme, dass der Beginn der Störungen auf die elektromagnetischen Felder zurückzuführen sei.

Tabelle: Gesamtzahl der Lymphozyten, der Untergruppen von Lymphozyten und der NK-Zellen pro Milliliter
 
  Mittelwert ± SD  

Parameter
Exponierte (n= 13)</P>< /P> Kontrollen (n= 13)</P>< /P>
Signifikanz
Lymphozyten 1.709 ± 489 2.221 ± 516 p < 0,05
CD2 1.395 ± 412 1.896 ± 468 p < 0,05
CD3 1.159 ± 406 1.714 ± 409 p < 0,01
CD4 706 ± 351 1.095 ± 218 p < 0,05
CD8 472 ± 198 600 ± 249 nicht signif.
CD19 224 ± 88 246 ± 117 nicht signif.
NK 379 ± 122 276 ± 83 p < 0,05

SD = Standardabweichung; NK = natürliche Killerzellen

Abbildung 3: Gesamt der Lymphozyten, der Untergruppen von Lymphozyten und von NK-Zellen pro Milliliter. Signifkanzen sind mit einem Sternchen (*) markiert.

In der exponierten Gruppe war die Gesamtzahl der Lymphozyten sowie die Zahl der CD2-, CD3- und CD4-Lymphozyten signifikant vermindert und die Zahl der natürlichen Killerzellen signifikant vermehrt. 7 Exponierte hatten CD4-Werte und 6 Exponierte hatten CD3-Werte unterhalb des Normalbereiches. 6 Teilnehmer wiesen uübernormale Werte von natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) auf.
Die Autoren der Studie berichten, dass sie nach dieser Entdeckung von Störungen im Blutbild eine experimentelle Studie mit Mäusen durchführten. Auch hier seien nach einer 20tägigen Exposition mit niederfrequenten Feldern von im Mittel 5 Mikrotesla magnetischer Flussdichte signifikante Verminderungen der weißen Blutkörperchen, der neutrophilen Granulozyten und der Lymphozyten aufgetreten.

EMF-Wirkungen auf das Blutbild von Affen

Es liegen einige weitere Studien vor, nach denen bei Mäusen oder Ratten nach einer EMF-Exposition Immunparameter verändert waren. So fanden McLean und Kollegen (1991) eine Veränderung der Aktivität der natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) von Mäusen bei einer vergleichsweise starken Magnetfeldexposition von 2 Millitesla. In einigen Studien waren die Effekte auf das Immunsystem jedoch gering oder es fanden sich keine auffälligen Einflüsse (House 1996).

Krishna K. Murty und Kollegen aus San Antonio in Texas publizierten 1995 die bisher einzige Studie über immunologische Wirkungen eines elektrischen und magnetischen 60-Hz-Feldes auf Affen (Murty 1995). Sechs Paviane wurden 5 Wochen lang einem 50 µT starken Feld ausgesetzt. Gegenüber den Werten vor der Exposition nahm die Zahl der CD3- und die CD4-Lymphozyten signifikant ab (p < 0,05), ähnlich wie dies in der Studie mit den Laborangestellten beobachtet worden war. Ebenso nahm die CD8-Konzentration ab, jedoch war diese Verminderung ebenfalls wie in der zuvor vorgestellten Studie nicht signifikant. Zudem war die Bildung des Interleukin-2-Rezeptors vermindert. Interleukin ist ein Botenstoff zwischen Zellen und von immunologischer Bedeutung. In einer Folgeuntersuchung mit einer Kontrollgruppe und einer Exposition mit 100 µ T konnten die Ergebnisse nicht oder nicht in dieser Deutlichkeit bestätigt werden. Die Autoren bemerken, dass sich während der Expositionsphasen keine Verhaltensaufälligkeiten der Affen fanden. so dass die beobachteten immunologischen Veränderungen wohl nicht auf Stress zurückzuführen seien.

Zellstudien, Kalzium und Enzyme

In einer Anzahl von Studien mit immunkompetenten Zellen wie beispielsweise Lymphozyten und Makrophagen (=Fresszellen) fanden sich vielfältige Einflüsse unterschiedlicher Formen elektrischer und magnetischer Felder auf ihre Funktion. So wurde in einer jüngeren kanadischen Studie von Denis Flipo und Kollegen die Fressaktivität von Makrophagen und die Teilungsrate von Lymphozyten auf einen entsprechenden zur Teilung anregenden Reiz durch ein starkes statisches Magnetfeld von 25 bis 150 Millitesla vermindert (Flipo 1998). Diese verminderte Teilungsrate war mit einem vermehrten Kalziumeinstrom in die Lymphozyten verbunden.

Der intra- und extrazellulären Kalziumkonzentration bzw. dem Kalziumeinstrom in die Zelle kommt die Funktion einer Signalübermittlung zu. Seit längerem wird vermutet, dass die Beeinflussung der zellmembranvermittelten Kalzium-Signalfunktion bei den EMF-Effekten auf das Immunsystem beteiligt sein könnte (Wallaczeck 1992). Beispielsweise ist der Kalziumtransport durch die Zellmembran ein fundamentaler Schritt bei der Aktivierung von Lymphozyten. Auch bestimmte Enzyme, also Katalysatoren von chemischen Reaktionen in der Zelle, können durch elektromagnetische Felder beeinflusst werden. So wurden in einer Untersuchung Einflüsse eines 100 Mikrotesla starken 60-Hz-Feldes auf die Aktivität des Enzyms LYN-Kinase in bestimmten Lymphozyten untersucht (Dibirdik 1998). Dieses Enzym spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der zellulären Signalübermittlung. Die Aktivität dieses Enzyms wurde durch EMF innerhalb einer Minute um ein Vielfaches gesteigert, nach Aussage der Autoren ein Hinweis, dass elektromagnetische Felder wichtige regulatorische Prozesse in diesen Immunzellen beeinflussen können.

Fazit

Die Beeinträchtigung von Immunfunktionen könnte ein weiterer Baustein für die Erklärung von vermuteten oder beobachteten EMF-Effekten sein. Ein geschwächtes Immunsystem kann ebenso wie Störungen im Melatoninhaushalt sowohl verschiedene vegetative Symptome wie etwa eine schnelle Ermüdbarkeit als auch eine Zunahme der Krebsinzidenz erklären. Auf der zellulären Ebene beeinflussen elektromagnetische Felder verschiedene Prozesse der Signalübermittlung, deren klinische Relevanz für Expositionen wie sie im häuslichen oder beruflichen Umfeld auftreten können, noch nicht geklärt ist. Die Autoren der eingangs vorgestellten französischen Studie warnen vor einer Überinterpretation ihrer Beobachtungen am Menschen. Diese müssten erst in größeren Studien überprüft werden. Bemerkenswert sind allerdings einige Übereinstimmungen mit einer früheren Studie an Affen.

Literatur:

  1. Bonhomme-Faivre, L., Mace, A., Bezie, Y., Marion, S., Bindoula, G., Szekely, A. M., Frenois, N., Auclair, H., Orbach-Arbouys, S., Bizi, E.: Alterations of biological parameters in mice chronically exposed to low-frequency (50 Hz) electromagnetic fields. Life Sci. 62:1271-1280 (1998).
  2. Bonhomme-Faivre, L., Marion, S., Bezie, Y., Auclair, H., Fredj, G., Hommeau, C.: Study of human neurovegetative and hematologic effects of environmental low-frequency (50-Hz) electromagnetic fields produced by transformers. Arch. Environ. Health. 53:87-92 (1998).
  3. Dibirdik, I., Kristupaitis, D., Kurosaki, T., Tuel-Ahlgren, L., Chu, A., Pond, D., Tuong, D., Luben, R., Uckun, F. M.: Stimulation of Src family protein-tyrosine kinases as a proximal and mandatory step for SYK kinase-dependent phospholipase Cgamma2 activation in lymphoma B cells exposed to low energy electromagnetic fields. J. Biol. Chem. 273:4035-4039 (1998).
  4. Flipo, D., Fournier, M., Benquet, C., Roux, P., Le Boulaire, C., Pinsky, C., LaBella, F. S., Krzystyniak, K.: Increased apoptosis, changes in intracellular Ca2+, and functional alterations in lymphocytes and macrophages after in vitro exposure to static magnetic field. J. Toxicol. Environ. Health 54:63-76 (1998).
  5. House, R. V., Ratajczak, H. V., Gauger, J. R., Johnson, T. R., Thomas, P. T., Mccormick, D. L., Immune function and host defense in rodents exposed to 60-Hz magnetic fields. Fundam. Appl Toxicol. 34:228-239 (1996).
  6. Leitgeb, N. (ed.): International Workshop on Electromagnetic Fields and Non-Specific Health Symptoms. Graz/Austria, September 19-20, 1998, Proceedings.
  7. McLean, J. R., Stuchly, M. A., Mitchel, R. E., Wilkinson, D., Yang, H., Goddard, M., Lecuyer, D. W., Schunk, M., Callary, E., Morrison, D.: Cancer promotion in a mouse-skin model by a 60-Hz magnetic field: II. Tumor development and immune response. Bioelectromagnetics 12:273-287 (1991).
  8. Wallaczek, J.: Electromangnetic field effects on cells of the immune system: The role of calcium signaling. FASEB J. 6:3177-3185 (1992).
  9. Wilson, B. W.: Chronic exposure to ELF fields may induce depression. Bioelectromagnetics 9:195-205 (1988).

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