Wirksamkeitsnachweis aus Anthroposophischer Sicht
 Monophasische Prospektive Einzelfallstudie
Autor: Dr. Peter Matthiessen 
Keywords: Methodologie, Methodology, monophasische prospektive Einzelfallstudie, single-case studies, Wirksamkeitsnachweis, Naturheilkunde, Naturopathy, unkonventionelle Therapierichtungen, randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudie
Abstract: Vorstellungen zur Einzelfallbeforschung unter detaillierter Beschreibung des Forschungsumfeldes. 
Es handelt sich hier um den Vortrag vor den Symposiumsteilnehmern. Eine überarbeitete Textfassung liegt der Redaktion noch nicht vor. Die hier vorliegende Vortragsfassung wird ersetzt, sobald der Autor den angekündigten Text der Redation zusendet.
Copyright: Patienteninformation für Naturheilkunde e.V., Berlin 1998
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Liebe Anwesenden,

ich hatte mir überlegt, soll ich mich hier als Mediziner oder als Arzt äußern. Ich hatte ursprünglich gewähnt, die biometrischen Formalisten (?) seien in der Mehrzahl da, und hatte gesagt, nein, ich spreche gezielt als Arzt, und nicht als Mediziner. Ich glaube, der Unterschied ist Ihnen klar. Aber ich darf es an einem Goethe-Zitat nochmal verdeutlichen. Da sagte Goethe, und wenn Sie das hören, dann staunt man, wie weitsichtig er war.

Goethe hat ja versucht erstmal die Beobachtungssphäre von der Theorie geleitet halt zu beschreiben, frei von mathematischen Modellen und Algorithmen, und hatte ja den Anspruch, mathematische Methode im Umgang mit dem Sinnenphänomen zu betreiben, ohne jetzt Algorithmen draufzupfropfen, das ist eine ganz aktuelle Frage, auch für unser Thema, also die moderne mathematische Physik gerade nicht immer unter dem Gängelband bestimmter Mathematiken zu verfolgen, wie die moderne mathematische Physik, sondern erstmal schauen, was stellt sich einer guten Beobachtungen dar, und dann zu kucken, welche mathematischen Modelle können denn adäquat sein. So hat er (auch ?) seine Farbenlehre versucht.

Also er schreibt hier: „Es folgt eben gar nicht, daß der Jäger, der das Wild erlegt, auch der Koch zugleich sein müsse, der es zubereitet. Zufälligerweise kann ein Koch mit auf die Jagd gehen und gut schießen, er würde aber einen bösen Fehlschuß tun, wenn er behauptete, um gut schießen zu können, müsse man Koch sein. So kommen mir die Mathematiker vor, die behaupten, daß man in physischen Dingen nichts sehen, nichts finden könne, ohne Mathematiker zu sein".

Und dann faßt er zusammen : „....da sie doch immer zufrieden sein könnten, wenn man ihnen etwas in die Küche bringt, das sie mit Formel spicken und nach Belieben zurichten können". Und dann der abschließende Satz: „Die Katze, die der Jäger schoß, macht nie der Koch zum Hasen"

Also, ...wie viele Katzen präparieren wir im statistischen Kochtopf verzweifelt zu Hasen ? (Lachen) Das brauche ich jetzt nicht weiter auszuführen...

Das Problem in unserem Gesundheitswesen ist, daß natürlich die Köche die Herrschaft übernommen haben, und nicht mehr die Jäger, das heißt also übersetzt, die sogenannten Vertreter der distanzierten Rationalität, die nicht unmittelbar verantwortlich sind, dem keiner gegenüber (sitzt), die nicht unmittelbar den Behandlungsauftrag haben, die nicht in der Entscheidungsnot stehen, die nicht zu einem konkreten unaustauschbaren Urteil herausgefordert sind, sondern die eher auf generalisierende Forschung ausgerichtet sind, die ja unersetzlich sind für das Gesundheitswesen und für die Medizin. Die Frage ist nur, wer wird durch wen instrumentalisiert ? Ich brauche das nicht weiter ausführen, es ist klar, wie es heute ist. Und meine Voraussage ist: das kann auf Dauer eine humane Medizin, das meine ich jetzt gar nicht irgendwie emphatisch, im Sinne einer menschengemäßen Medizin nicht hervorbringen, das (??) das heute schon gefallen ist: "Ein Fall ist kein Fall" und der Arzt hat es immer mit dem unaustauschbaren, konkreten Fall zu tun. Und es wäre ja wirklich schlimm, wenn es so wäre, weil es letztlich die Bankrotterklärung eines Berufstandes ist, man braucht ihn dann nur noch als ausführendes Organ, dem vorgeschrieben wird, was darf er denn wahrnehmen, was ist überhaupt erkenntnisrelevant, und was hat er therapeutisch zu tun.

Also im Grunde ist es doch klar, daß wir innerhalb unseres Gesundheitswesen eine Struktur brauchen, wo (jene ?), die mit Medizin zu tun haben, diesem Verhältnis von Arzt und Patient zuarbeiten, aber wir brauchen jetzt die, die die Erkenntnisvoraussetzung haben, die das Zeug dazu haben, die die Urteilskraft haben, das instrumentalisieren zu können, das kann ja gar nicht anders sein, aber wir haben es gegenwärtig aber nicht erarbeitet.

Also, ich möchte aus diesem Grunde gerade nicht ausgefeilte Vorstellungen jetzt hier vorstellen, wie könnte man was formalisieren, im Design zum (?) Wirksamkeitsnachweis, sondern ich will statt dessen erzählen, was sind die Erkenntnisnöte des Arztes vor Ort, wiewohl ich mit beiden Seiten zu tun habe.

Nun ist es ja so (?), die anthroposophische Medizin möchte eine maximale Evidenz anstreben, das ist ein zentrales Prinzip für sie, sie will maximale Einsichtigkeit in Bezug auf die Diagnostik, in Bezug auf die Prognostik, in Bezug auf die Therapie, und die Beurteilung der Wirksamkeit dieser Therapie erzielen, sie würde sich durchaus nennen, wenn wir eine moderne Vokabel nehmen, ‘evidence based medicine’, und dennoch lehnt sie wie keine andere Richtung in der Medizin, die Randomisation in der Patientenzuteilung zu den Gruppen ab, aber auch die Zufallszuordnung von Therapieintervention zu einzelnen Patienten.

Gründe gibt es genügend, Herr Hornung hat viele ausgeführt, der Entscheidende ist einer, den ich ganz kurz nennen will, der ist zwar ethischer Natur, aber nicht in dem Sinne, daß man sagt, naja, wir achten ganz besonders auf die Ethik, und deswegen machen wir nicht das, was eigentlich wissenschaftlich notwendig ist, nein, das ist ein anderer (Sinn).

Ein Vertreter der anthroposophischen Medizin hat immer gesagt, „Theorien sind eben nie praxisneutral, sie sind nie in Bezug auf die Wirklichkeit neutral".

Übrigens, auch das (Vormandie ??) „ein Fall ist kein Fall" geht ja einher, mit „die ärztliche Erfahrung ist keine belastbare Größe bei der Erkenntnisgewinnung", das sind ja die beiden Seiten, der Objektpol und der Subjektpol, das ist ja voraussagbar, wozu es führt, denn die Aufmerksamkeit richtet sich auf etwas, geleitet durch eine bestimmte Theorie, und wenn diese Theorie so ist, daß ‘ein Fall kein Fall ist’, ist voraussagbar, daß dann im Zuge einer ‘selffulfilling Prophecy’ diese ärztliche Erfahrung in der Tat degenerieren wird, das ist ja unvermeidbar dann, weil ich eben nur noch das sehe, was ich unter dieser einen theoretischen Perspektive eben mir zu Gesicht bringen kann, und alles andere ja bereits ausgeklammert habe.

Also das war eine Parithese (?).

Das Argument war, wenn in sich konsistente formal wissenschaftlich stimmige Ansätze in der Lebenspraxis fragwürdig sich erweisen, oder gar ethisch inkompatibel, dann kann aufs ganze des Problems gesehen dieser Wissenschaftsansatz nicht wissenschaftlich sein, dann kann auch wissenschaftlich etwas nicht stimmen, das ist das entscheidende Argument.

Also, das ist der eine Aspekt, die anthroposophische Medizin will eigentlich maximale Evidenzgewinnung und ist doch dem stochastischen Denken in der Medizin (gegenüber) sehr skeptisch und sucht die maximale Beherrschung des Einzelfalles.

Das andere ist, die anthroposophische Medizin versteht sich als Erfahrungsprozeß im radikalsten Sinne, das Prinzip der Erfahrung will sie erweitern, über die Bereiche, die wir heute zur Erfahrung zählen, das will ich jetzt hier nicht weiter ausführen.

Jedenfalls will sie gerade keine (Hintergründe ??) schaffen, alles Spekulative, was nicht im Prinzip erfahrbar ist, ist für sie völlig uninteressant, auch dort, wo sie versucht über das sinnanfällige hinaus zu Aussagen zu kommen, ist es stets und immer die Erfahrung und die Suche nach potentieller Erfahrungserweiterung, und alle spekulativen Hintergründe (?) sind ihr aus guten Gründen zuwider, und dennoch, auf der anderen Seite sagt man, sie entzieht sich einer empirischen Überprüfung, erfahrungswissenschaftlich im konventionellen Sinne können wir diesen Ansatz gar nicht anerkennen.

Also ein weiteres Paradox, wie ist das mit der Erfahrung ?

Und über die Erfahrung möchte ich Ausführungen machen, denn damit hat der Arzt zu tun.

Die ärztliche Erfahrung, das ist ein ganz weites Feld, da gibt es nämlich ganz verschiedene Dimensionen, die aber in der Praxis eng verknüpft sind.

Zunächst mal schreibe ich prinzipiell, und das soll es nur ganz kurz verdeutlichen, die ‘Er-fahrung’ immer mit Bindestrich (Trennung richtig ? Bitte auch nachfolgend einfügen !), weil wir in diesem Begriff verknüpft haben das ‘Fahren’, den aktiven, spontanen Teil einer Erkenntnissuche, und den Erfahrungsinhalt. Ein aktives Leisten, den Weg, das heißt nichts anderes als die Methode, Methodos, und den Inhalt.

Das heißt, im Erfahrungsbegriff sind Methode und Gehalt, Modell und Gehalt unschränkbar (?) verknüpft, und dort, wo ich mich einem Gegenstand annähere, ihm umfahre, ich mich ihm anverwandele, ihn realisiere, durch die Erfahrung, gelingt uns das ja auch gut, daß ich nämlich den richtigen Weg gehe, das heißt den dem Gehalt angemessenen Weg.

Wo es uns nicht gelingt ist ja erst dort, wo wir uns eben nicht auf dem Weg machen, und uns einen Weg ausdenken, den wir nicht so ohne weiteres begehen, und dann kommen wir in das Problem, daß im Gehalt Inhalt und Methode, Inhalt und Theorie auseinanderdriften, und das ist ein zentrales Problem was wir heute in der Wissenschaft und in der Medizin haben, nämlich den Methodendezisionismus (?): Methodenwillkür und Fragen nach der Methodenadäquanz, was sind die adäquaten Theorien, die adäquaten Modelle ?

Lassen Sie mich das nicht im einzelnen ausführen.

Zwei Beispiele als Metapher:

Wir haben heute im Prinzip zwei Formen Erfahrungswissenschaften zu betreiben, auch in der Medizin, die einen machen das so, die legen ein Eisenbahngleis durch die Landschaft, das heißt, der Weg ist festgelegt, und auf dem bewegt man sich, und verläßt ihn auch nicht, und das gibt große Sicherheit, und um die Sicherheit noch zu vergrößern, schließt man auch die Fenster, und macht möglichst kleine Gucklöcher, und jetzt fährt man möglichst jeden Tag da durch und wiederholt es.

Das ist Methodismus, das ist der klassische Ansatz, den wir heute haben, das ist (.... ?), das heißt Ergebnisse dürfen nur einer exanten(?) festgelegten Methode entspringen, die Methode ist exakt, aber sie ist willkürlich, weil ich nämlich das weiter entfernte und das hinter den Bergen liegende ausklammere, und damit fährt die Wissenschaft gut, aber es ist natürlich auch ein sehr in sich konsistentes System von Denk- und Frageverboten, wenn man dem mal nachgeht.

Daran krankt auch die wissenschaftlich etablierte Medizin, da werden Sie mir nicht widersprechen, das ist jedenfalls ihr Problem.

Jetzt kommt die andere Seite, die sich gerne Holisten nennen.

Die gehen auch durch die Landschaft, sehen mal hier einen Schmetterling, hier eine Libelle, wähnen hinten einen Löwen (?), usw., haben eine Fülle von Erfahrungen, da ist es nicht Methode ohne Gehalt, sondern da ist es Gehalt ohne Methode. Sie lassen sich einwickeln, täuschen, aber vor allem vergessen sie den Weg, und damit ist natürlich keine Wiederholbarkeit, keine Nachvollziehbarkeit.

Wir mißtrauen der Geschichte, und zwar zu recht, weil es nicht methodisch ist.

Eine Fülle von Inhalten, daran krankt, wenn ich es mal pauschal sagen darf, jedenfalls ein großer Teil der sogenannten Erfahrungsmedizin, daß es Inhaltlichkeit ist, die zu wenig methodisch gegriffen ist.

Und da wären wir schon in der Mitte.

Und jetzt will ich darauf eingehen, was hat der Arzt für Erfahrungen zu machen ?

Wenn er zunächst einmal einem Patienten begegnet, begegnet er ihm ja nicht wie es in der Naturwissenschaft, wie es in der Naturwissenschaft nur der Fall ist,
im Sinne apersonaler, anonymer, etablierbarer, kausaler Abläufe, irgendein Ereignis, das ich jederzeit wiederholen kann, sondern die Begegnung ist von geschichtlicher Einmaligkeit.

Sie ist unwiederholbar, hat Ereignischarakter, sie läßt sich nur mit historiologischen Methoden beschreiben, nicht mit naturwissenschaftlichen, und es ist ein gegenseitiges Gewahrwerden dieser Einmaligkeit, Unaustauschbarkeit und Einzigartigkeit zweier Individuen.

Das will ich jetzt nicht überstrapazieren, aber es ist gerade bei Erstbegegnungen ein Phänomen, und da müssen wir uns fragen, ist das überhaupt mit (....) Methoden zu verfolgen, und welche Kultur der iteographischen (?) Methoden haben wir ?

Das kann ich jetzt nicht im einzelnen ausführen.

Aber dabei bleibt es ja nicht, und es ist ja nicht der primäre Auftrag des Arztes.

Zunächst einmal macht der Arzt dann Erfahrungen auf dem Feld der äußeren Wahrnehmungen, wir können sagen, die äußere empirische Erfahrung, und wenn er dort Phänomenologe bleibt, das heißt wenn er alles Begegnende wahrnimmt, sagen wir mal, er werde sehr wenig theoriegeleitet, normalerweise haben wir ja unsere mitgebrachten Theorien, dann hätte er zwar eine Fülle von Sachen, und das wird auch fälschlicherweise übrigens gern als Ganzheitlich ausgegeben, damit hat es natürlich überhaupt nichts zu tun, denn das ganze ist ein Fluidum von instantanen Fragmenten, Erlebnissen und Erfahrungsfragmenten, die ohne Sinnzusammenhang sind, man würde es rein bei der Diskreption (?) belassen.

In dem Moment, wo er von den Phänomenen zu den Symptomen kommt, und das ist ja seine Aufgabe, auf dem gesamten Feld des Wahrnehmbaren zu einer Symptomatologie zu kommen, d.h. die wesentlich erscheinenden Phänomene in einen Ordnungszusammenhang zu bringen, in diesem Moment braucht er eine weitere Erfahrung, und die will ich bewußt nennen, die innere Erfahrung oder die ideelle Erfahrung oder die theoretische Erfahrung, ich sage Erfahrung im ursprünglichen Sinne von ‘Theoriea’, nämlich eine geistige Anschauung.

Warum sage ich das ?

Weil es eine Tradition gibt, die diese begriffliche Seite nicht nur formal greift, sondern bemüht ist, sie mit Inhaltlichkeit, mit Anschaubarkeit zu durchdringen, und das ist auch ein besonders Anliegen der anthroposophischen Methode, die Anschaubarkeit, die Anschaulichkeit in ideellen Beweisgängen (?), in mathematischen Ansätzen auf besondere Weise verfolgen möchte.

Wenn also der Arzt zu einer Symptomatologie kommt, ordnet er gemäß einer inneren Anschauung, die wir jetzt mal als Modell bezeichnen können, oder als Theorie, die einzelnen Symptome, und kommt schließlich zu etwas, das wir als das Krankheitsbild bezeichnen können.

Nun will ich das auch mal kurz anskizzieren.

Wenn sie heute die ICD-Schüssel nehmen (?) oder wenn sie heute die Indikationsbereiche der roten Liste nehmen, dann werden Sie mir zustimmen, da kann auch von einem Anflug von Wissenschaftlichkeit überhaupt keine Rede sein.

Das soll ja keine Kritik sein, aber das ist ja ein wildes Gulasch von einzelnen pathophysiologischen Ansätzen, morphologischen Bereichen, da kann ja nirgends davon die Rede sein, daß es sich um einen Krankheitseinhalt (?) im Sinne einer irgendwie gearteten Krankheitsganzheit handeln könnte, also von nusologischen Entitäten (?) kann dort kaum die Rede sein. Pattern ganz verschiedener Provenienz (?).

Und das ist nun ein Anliegen, das den anthroposophischen Arzt ganz besonders interessiert. Wie ist das denn mit einem Krankheitsgeschehen im Sinne einer echten nusologischen (?) Einheit ?

Da werde ich noch darauf zurückkommen. Wie ist das wirklich ? Was sind denn Einheiten, die ich auf einer übergreifenden Ebene mit Hilfe eines theoretischen Ansatzes erkennen kann ?

Jetzt will ich einen weiteren Begriff einführen, und das ist derjenige der Perspektivität.

Dieser Begriff der Objektivität, der ist ja so (...)naiv, daß man ihn (nur ?) Theologie-Studenten wünschen möchte. Es ist ja immer noch so verbreitet, daß man damit meint, man könnte durch, was gar nicht gelingt, Ausklammerung des Erkenntnissubjekts Objektivität erlangen.

Aber das geht ja gar nicht, wie soll das denn gehen ? Weil, bei allen empirischen Wissenschaftsansätzen, bei allen erfahrungswissenschaftlichen Ansätzen gilt für alles, was wir aussagen das Prinzip der Perspektivität.

Das kann ich auch nur kurz anreißen. Das könnte man außerordentlich vertiefen.

Perspektivität heißt, alles was wir aussagen ist immer Standortgebunden, somit ist es unaufhebbar an das Erkenntnissubjekt gebunden, das können wir davon gar nicht abschneiden.

Zweitens : Der Begriff der Perspektivität meint ja (e.o.i.p.s.o. ?) immer die Erschließung von etwas, das mehr ist, als nur Subjektivität, eine Perspektive, die über mich hinaus reicht, hin auf ein beobachtetes Objekt, z.B. auf die Krankheit.

Und nun ist es so, daß wir in der Regel einen sehr pathologischen Subjektzentrismus haben. Wir sind hier in unserer Vorstellungswelt, und das ist ja ein Teil, (in dem ?) heute immer behauptet wird, aufgrund der individuellen Verschiedenartigkeit könnte man überhaupt nicht zu gemeinsamen Aussagen kommen.

In dem Moment, wo wir uns von unseren Vorstellungsgespinsten befreien und sagen, jetzt schauen wir alle mal diese Farbe an, merken wir, daß wir eine Welt über uns hinaus betreten, die durchaus publik ist, die kommunizierbar ist, es ist eben etwas anderes als eine Vorstellung. Es ein Aspekt, wo wir uns selbst überschreiten hin auf einen objektiven Teil, aber aus einer bestimmten Perspektive (heraus ?).

Diese einzelne Perspektive erschließt uns nie die volle Wirklichkeit einer Sache, das ist zunächst einmal ein Bild. Weil wir aber in der Regel hier nicht sehr Erfahrungswissenschaft betreiben, d.h. die Neugier ist in der Regel nicht so groß, daß wir uns, wenn hier etwas ist, auf Fahrt begeben und sagen, wir wollen es mal aus der Nähe kennenlernen, wir wollen uns auch ihm anverwandeln, und anschmiegen, wir wollen es aber auch aus der Distanz sehen, wir wollen aber vor allem seine Rückseite auch kennenlernen, und wir wollen vielleicht auch mit den Augen des Begegneten sehen.

Das tun wir ja in der Regel nicht.

Aussagen darüber können wir nur treffen, wenn wir es machen. Es will getan sein. Auch das Kranksein des Begegnenden ist ja durchaus erfahrbar, und es ist zwar kommunikabel erfahrbar, d.h. Leute, die Erfahrung haben in Erfahren des seelischen Zustands des anderen, da ist die inter(??)abilität außerordentlich hoch, wie die Zuständlichkeit des Begegnenden ist.

Jetzt frage ich Sie, wie formalisieren Sie das ?

Jedenfalls ist es ein wesentlicher Teil dessen, was der Arzt erfahren muß, wenn die Medizin ihre humanitären Wurzeln nicht verlieren will.

Aber hier geht es ja jetzt um die Krankheitseinheiten, und auch hier ist die Frage, realisieren wir die Dinge dadurch, daß wir sie umfahren, und zwar jetzt nicht so nur in gegenseitiger Toleranz aus mehreren Perspektiven, die beliebig sind, ankucken, sondern daß wir ein Organ, ein Erkenntnisorgan ausbilden, wo wir verschiedene Perspektiven durchfahren, sie kennen das schon von der Wahrnehmung, wo da die Leistung der Objektkonstanz aufbricht, wir durchfahren verschiedene Perspektiven, und das bedeutet, wir relativieren jeden einzelnen Aspekt aus einer Perspektive. Wir ergänzen ihn durch viele andere, und dadurch wird etwas kommunikabel, aber es kommt auch hinzu, durch dieses aktive Erfahren um den Weg wissen, und die Sache aus verschiedenen, möglichst allen Richtungen kennenzulernen, tritt die Überwindung einer pathologischen Subjektzentrierung auf, wir kommen hin zu einer Objektbezogenheit, d.h. einer Orientiertheit am Objekt.

Daß es eine hohe Kunst ist, das zu können, ist keine Frage.
Daß man es erlernen kann, ist auch keine Frage.
Dafür einige Beispiele.
 

Zunächst einmal, wie erkennt denn der Arzt z.B. Krankheiten, vor Ort, das macht er ja nie, daß er Symptome registriert und dann überlegt, was könnte es denn sein ? Das macht der Anfänger, aber der Anfänger kann auch nie Diagnosen stellen.

Ich kann für die Psychiatrie Beispiele geben:

Die Interrate-Reliabiltät, die Übereinstimmung, was für eine Krankheit er hat, ist auf der nusologischen (?) Ebene am aller größten, und auf der symptomatologischen Ebene am aller niedrigsten.

Erklären Sie das einmal einer künstlichen Intelligenz !  (??)

Das heißt, was der als Gesamtheit, als Krankheitseinheit hat, darüber ist man sich einig, über die Symptome ist man schon zerstrittener, und die einzelnen Phänomene kann man gar nicht thematisieren.

Und so ist es nicht gelegentlich, sondern so sieht der Alltag aus.

Und, ich will das jetzt nicht unter somatischer Medizin weiterverfolgen, also es ist im Prinzip nichts anderes, ob einer einen Blinddarm hat, und ob ich therapeutisch interveniere, das ist so, letztlich legt der Erfahrene nochmal die Hand auf und dann entscheidet er, da werden Sie mir recht geben.

Und erst von diesem Aspekt her ist eine Beurteilung der einzelnen Daten überhaupt erst möglich.

Noch einmal zurück zu dieser Frage, von der umfassenden Krankheitseinheit, das hat mit dem zu tun, was Herr Kiene angedeutet hat.

Ganz kurz geschichtlich: Wir haben 70 Jahre die Frage nach den Wirkungen, nach krankheitsneutralen, gesundheitsneutralen Wirkungen gefahren, die immer gesagt haben, wir machen es nur naturwissenschaftlich, und dann gibt es eben nur noch die Frage nach partikularen Wirkungen, die Krankheiten, die Kranken sind kausale Prozesse, die Gesunden sind kausale Prozesse, d.h. es war im Prinzip klar, daß man auf dieser Ebene nie würde etwas aussagen können über die klinische Wirksamkeit. Weil die auf einer ganz anderen begrifflichen Ebene ist.

Es ist nur nicht begrifflich geklärt worden, aber man kann klar sagen, krankheitsneutrale Wirkmechanismen sind in Bezug auf ihre Auswirkungen auf der Makroebene des klinischen Verlaufs letztlich Zufall, wenn ich auf dieser Ebene bleibe, nur differenzieller, naturwissenschaftlicher Gesetze.

So, dann hat man nach 70 Jahren entdeckt, nein, vielleicht ist es ja viel wichtiger wieder den Krankheits- und Gesundheitsbegriff hereinzubringen, und hat die ‘Wirksamkeit’ eingeführt.

Seit einigen Jahren, und das scheint eine centuriale (?) Entdeckung zu sein, fragen wir nach dem Nutzen für den Kranken, dem Nutzen einer Therapie. Das ist dem Laien ja außerordentlich schwer vermittelbar, daß es in der Medizin je um anderes gegangen sein soll, als um den Nutzen einer Therapie.

Damit will ich nur sagen, man muß eben sehr eingedenk sein, mit welchem theoretischen Ansatz, mit welcher Begrifflichkeit kann ich denn überhaupt Aussagen machen.

Die anthroposophische Medizin versucht z.B. diesen Perspektivenwechsel sehr methodisch und sehr systematisch zu erüben, in dem sie nämlich einmal sagt, ich betrachte etwas auf der Ebene des materiellen Geschehens, des Leibes als physisches Ding, als physischen Körper, das gibt mir einen ganz bestimmten Aspekt, ich betrachte ihn ständig und stets zugleich, auch als relativ autonomen, durch übergreifende Raum- und Zeitgestalten charakterisierten Organismus, wo es sich um übergreifende Leistungsgestalten handelt, die ich gar nicht aus den Teilen heraus erklären kann, und zudem betrachte ich ihn zugleich auch auf der Ebene des Leibes als Ermöglicher des Erlebens, d.h. auf der seelischen Ebene, und schließlich der Leib als instrumentelles, oder als individualisiertes Werkzeug der individuellen Person.

Also sie versucht bei jeder Krankheit, z.B. die Krankheit aus diesen vier Ebenen heraus anzuschauen, so daß das Befinden von vornherein gar nichts Additives ist, was, wenn ich nur einen streng naturwissenschaftlichen Ansatz habe, wiederum Zufall sein muß, die Auswirkung irgendeines organischen materiellen Vorgangs auf das Befinden.

Nicht Zufall ist es aber, wenn ich von vornherein diese Perspektive mit eingeschlossen habe, und mich bemüht habe, einen rationalen Organbegriff zu bilden.

Was daraus entsteht, sind also wie gesagt, übergreifende Krankheitseinheiten, sowohl durch die äußere Beobachtung gestützt, als auch durch eine Vielzahl von Perspektiven, und damit auch durch eine Vielzahl von theoretischen Ansätzen.

Jetzt möchte ich noch zwei, drei Aspekte dazu anführen.

Die anthroposophische Medizin versucht im wesentlichen, es gibt auch Ausnahmen, aber im wesentlichen den Nominalismus, den wir heute haben, zu überwinden, und fragt nach dem Wirklichkeitscharakter allgemeiner Gesetze, die also nicht nur unter subsubtionslogischen (?) Aspekten nur Erkenntnis (?) sind, sondern die realita in den Erscheinungen aufzufinden sind.

Eine meiner Vermutungen ist, wenn ein radikaler nominalistischer (?) Ansatz, wie wir ihn ja heute haben, kann im Grunde nur zu der Aussage kommen, ein Fall ist kein Fall, denn das würde ja voraussetzen, daß die allgemeinen Gesetze im Besonderen nicht realita gültig sind, daß es wirklich nur subjektive Ordnungsgesichtspunkte sind.

Wenn ich wie ein Realist vorgehe, habe ich einen ganz anderen theoretischen Ansatz, dann suche ich das Allgemeine in jedem Besonderen wieder.

Und jetzt kommt ein weiterer Begriff; während diese Universalia noch als sehr starre Ansätze gedacht worden sind, bei Aristoteles, bei Thomas, ist ja einer der wenigen wirklich neuen Begriffe derjenige, den der Goethe als Typus gebildet hat, der Typus, d.h. eine Idee, eine Begrifflichkeit, eine Theorie, eine theoretische Anschauung, die jetzt nicht auf maximale Invarianz ausgelegt ist, sondern die in sich beweglich ist, die in sich -ebenso wie wir das im Lebendigen finden- einen Spielraum hat, sich metamorphosieren kann, und dennoch ihre Identität erhält, und das hat natürlich ganz weitreichende Konsequenzen.

Das hat nämlich die Konsequenz, daß die Streuungen in biologischen oder in komplexen organischen Systemen, die wir ja in der Regel bei starren Ansätzen immer nur als defizitär beschreiben, immer nur als Abweichungen von einer starren Norm, von einer starren statistischen Norm, während dieses Typusdenken es erlaubt, Ganzheiten, also z.B. Leistungsgestalten, Krankheitsprozesse eines Organismus, seine Entwicklung, als Ganzheit zu denken, in Form einer übergreifenden Gestalt, aber als bewegliche, sich metamorphosierende, und das bedeutet, daß eine Möglichkeit besteht, die Abwandlung, das Besondere von der positiven Seite her zu sehen.

Auch wenn wir heute Einzelfallforschung betreiben, machen wir im Grunde nichts anderes, als daß wir eine große Zahl von Maßvariablen, von Merkmalen nehmen, und wenn wir die sehr hoch nehmen, dann ist halt die Wahrscheinlichkeit, daß die Kombination noch einmal auftritt, eben sehr unwahrscheinlich, aber es ist ein rein subsubtionslogischer (?) Ansatz, mit starren Elementen, und das Besondere erscheint immer als die Abweichung von etwas, aber unter einer defizitären Perspektive.

Dieses Typusdenken versucht gerade übend das Allgemeine in der Besonderen Form aufzufinden, aber nicht als abweichend von ihr, sondern als eine Ausprägung des Allgemeinen in einer besonderen Form, also das Besondere im Positiven zu sehen.

Das ist ein prinzipieller Unterschied, ich will es noch einmal deutlich machen.
Habe ich einen statistischen Pattern, und das Besondere weicht dann immer davon ab, dann habe ich die Verteilung, oder denke ich, die allgemeinen Gesetze als in der besonderen Erscheinung sich variiert habend aber positiv auffindbar ?

So, damit es nicht zu abstrakt wird, noch ein Beispiel.

Dadurch, daß die anthroposophische Medizin in besonderem Maße bemüht ist, über Einzelmechanismen hinaus, ein übergreifendes Geschehen zu erfassen, und zwar jetzt nicht als Addition, sondern auf einer übergreifenden qualitativen Ebene, z.B. wenn sie von dem Blutbildeprozeß spricht oder von dem Nervenbildeprozeß, oder von der Frage einer Verlagerung des Nervenbildeprozesses in einen Bereich, wo er dann pathologisch ist, also das Prinzip der Prozeßverlagerung als Pathogenese, dann meint sie das nicht als Wischiwaschi-Holismus, sondern sie meint darunter eine sehr exakte Begrifflichkeit, in dem sie fragt, welche Kräfte sind es denn, und das würde bis hin zu, die Forschungsanliegen sind jedenfalls bis hin dazu, daß man entsprechende Mathematikformen dazu entwickelt, welche über die differenziellen Kräfte der Newtownschen Differenzialgleichung, über die differenziellen Kräfte des Newtonschen Punktraumes, der ja nur erlaubt, den unmittelbar nächsten Zeit- oder Raumpunkt zu beschreiben, mit den übergreifenden Leistungsgestalten, übergreifendes organismisches Geschehen wir überhaupt nicht beurteilen können.

Da fragt die Anthroposophie, welche Kräfte sind es denn, die aus dem Gesamt der elementaren Bausteine, die ja in den Nerven, die im Blut, in den Nieren, in der Leber überall gleich sind letztlich, einmal diesen Prozeß hervorbringen und einmal diesen ?

Wenn also z.B., und das soll jetzt ein simples Beispiel sein, ein Arzt ein Kind findet, das sich kleptoman verhält, dann würde der anthroposophische Arzt versuchen, nun nicht nur dieses kleptomane Verhalten, als nicht erwünscht oder sozial unverträglich oder sonstiges zu beschreiben, sondern er würde versuchen zu schauen, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen.

Und dann kann er folgendes dazu finden, worauf ein Mathematiker gar nicht so ohne weiteres achtet. Er findet hier also ein Zuviel an Verhalten, will ich mal sagen, im Sinne des kleptomanen Verhaltens, und jetzt schaut er, wo sehe ich denn auf einem anderen Pol etwas ganz anderes ?

Und dann kommt er dazu, daß eine gewisse Interesselosigkeit, ein nicht sehr starkes Wahrnehmen der Umwelt bei diesen Kindern zu beobachten ist, dann kommt er dazu, die Aneignung, die Bereicherung, die wir ja durch die Sinne betreiben, und besonders im Kindesalter, (....) (wenn wir) überall draußen sind und uns bereichern über das ganze Sinnesgeschehen, was wir haben, ist dort fehlend.

Und wo ist es denn ?
Es ist disluziert, es ist an einen anderen Platz gerutscht, es ist nämlich jetzt im Stoffwechselgeschehen, es ist jetzt im Verhalten, es ist jetzt - bildhaft gesprochen - in den Gliedmaßen.

Und dann wird es ihn gar nicht mehr verwundern, daß, und das ist gar nicht so selten bei diesen Kindern, die in der Tat Bilder malen, und das auch wieder anders (?), was ja ein verblüffendes Wahrbild ist.

Das ist ein Prozeß, der auf der einen Stelle am richtigen Ort ist, dort sein soll, (und der jetzt) in einen anderen Bereich gerutscht (ist), und jetzt geht es natürlich überhaupt nicht darum, den dort wegzumachen, sondern es geht um die Frage der Therapiesuche, wie kriege ich denn diesen Prozeß, der sich jetzt an einem ganz falschen Ort sich abspielt wieder dorthin, wo er sein soll ?

Und da gibt es dann verschiedene Aspekte, aber da machen wir jetzt nicht ein bißchen Musiktherapie, und noch ein bißchen das und ein bißchen das, wie das manchmal mißverständlich auftritt, sondern es sollen ganz bestimmte, und zwar so wenig wie möglich, gezielte therapeutische Maßnahmen sein, das eine ist z.B. das Medikament Apis.

Ich kann jetzt nicht ausführen, was ist dieser qualitative Aspekt des Apis, und wie hat er zu tun mit diesem Geschehen im Sinneswahrnehmen, jedenfalls, was damit erreicht werden soll ist, daß sich eine Verlebendigung, eine größere Wachheit, eine größere Bereicherungsfähigkeit dort auftritt, wo sie hingehört, nämlich im ganzen Sinnesgeschehen, und im Bewußtsein.

Eventuell gibt man auch Lobos temporales, zeribri (?), das hat jetzt andere Aspekte, jedenfalls ist es auch ein ganz gezielter Aspekt, und zusätzlich kommt noch der Aspekt hinein, Geschichten, Fahren (?), die etwas, was geschehen ist, und erst verschlafen worden ist, vor Augen führen.

Damit will ich jetzt nur sagen, aus der Erkenntnis dieser konkreten Prozeßverlagerung, die überhaupt erst eine Deutung der Symptome möglich macht, die von mir aber einen Perspektivenwechsel erfordert, kann ich zu einer konkreten Therapieaussicht kommen, und man kann ziemlich genau aussagen, was erwarte ich und was erwarte ich in welchen Zeitabständen ?

Man wird nämlich, bevor das kleptomane Verhalten sich bessert, finden, ein Aufgewecktsein wieder im Sinnesbereich, und der Erfahrene kann und muß sich auch und soll auch festlegen, wann erwarte ich etwas, in welchem Zeitraum.

Und dann kann er ziemlich gut begründen inhaltlich, wann erwarte ich denn die Ssymptombesserung des kleptomanen Verhaltens, und noch viel später, in welchen anderen Zeiträumen erwarte ich eine Veränderung anderer konstitutioneller Sachen, die dazugehören.

Langer Rede kurzer Sinn:

Gerade weil die Anthroposophie den Anspruch hat, den Einzelfall möglichst so beherrschen zu können wie ein Experiment der klassischen Physik, nicht der Mikrophysik, und ein unmittelbares Verhältnis zwischen dem diagnostischen Einblick auf die Prognose, des unbehandelten und des behandelnden Verlaufs anstrebt, kann ich mir für Einzelfallforschung folgendes vorstellen, nämlich genau das, was in der guten Praxis auch angestrebt wird.

Erstens:
Die Diagnose ist immer eine Singuläraussage, das wird oft verwechselt, die Diagnose ist ja nie die Registrierung eines allgemeinen Krankheitsbildes, sondern sie ist umgekehrt die Kunst zur Konkretion, zur Reindividualisierung, zur Entallgemeinerung, das Allgemeine wird anverwandelt dem konkreten Fall und ermöglicht mir jetzt das Handeln im unaustauschbaren Fall.

Zweitens:
Zur Diagnose gehört natürlich immer die Prognose des unbehandelten Verlaufs, wenn ich die nicht stelle, ist alles was ich tue als Arzt ein Straftatsbestand, das ist ja völlig klar, es erlaubt mir sonst ja gar nicht zu intervenieren.

Drittens:
Wenn ich eine Erwartung habe, und natürlich wird diese Erwartung wahrscheinlich größer, wenn ich tausend Patienten behandelt habe, als einen, das ist ja überhaupt keine Frage, dann muß ich mir abverlangen, und das sollte eben auch indesignt (?) sein, eine Festlegung nicht nur über den unbehandelten Verlauf, sondern eben auch, was erwarte ich von der Behandlung, das wäre die Prognose zwei.

Zeitpunkt. Was sind die Ziele?

Und daraus folgt, insgesamt methodisch, nicht die Eliminierung, der Versuch, das Erkenntnissubjekt Arzt maximal zu eliminieren, sondern umgekehrt, eingedenk der prinzipiellen Perspektivengebundenheit und der (?) der Verschränktheit von Erkenntnissubjekt und Erkenntnisobjekt, die systematische Explizierung (?) alles was der Arzt tut, daß er sich systematisch Irrtumsfähig macht, systematisch falsifizierbar macht, daß er in jedem Schritt begründet, was ist seine Erwartung, was ist seine Prognose, Ziele formuliert, und nicht ex post sich dann herausredet.

Ich glaube, das schafft Vertrauen, das ist außerordentlich lehrreich für denjenigen, der es tut. In der Praxis, in der guten Praxis wir das ja auch gemacht, ich glaube, das kann man auch formalisieren, und Verblinden und Randomisieren das kann man ja denn weiter machen, und der kann ja von außen kommen, und der kann die verschiedenen Ansätze vermitteln, und das wird auch Vertrauen schaffen.

Also mein Votum nochmal:

Systematisch den Kopf hinhalten, den Kopf in die Schlinge, die einzelnen Schritte aufzeigen, inhaltlich wie formal, was mache ich mit welcher Hypothese, und dann den Vorgang einer sequentiellen Hypothesenbildung, wo auch gezeigt wird, was sind dann die Lerneffekte, wo bin ich gescheitert, wo habe ich das Ziel nicht erreicht, wo habe ich es verifiziert, und dann überlasse ich das den Biometrikern, mit welchen Modellen man das formalisieren könnte, jedenfalls ermöglicht es dem Arzt frei und munter, ohne eine nicht am Patienten entstandene methodische Gängelung, den Patienten und die Krankheit und die Wirksamkeit der Therapie zu erfahren.
 
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