Lebensenergie im Widerspruch zum zweiten Hauptsatz der Thermodynamik?
Das Temperaturdifferenz-Experiment von Wilhelm Reich
 
Autor: Bernhard Harrer
Keywords: Wilhelm Reich, Lebensenergie, Orgon, Orgonenergie, Lebensenergie, Orgonotische Temperaturdifferenz
Abstract:
Copyright: Bernhard Harrer, 1996
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Comment:
Dieser Artikel ist in veränderter Form erstmals erschienen in: Harrer, B; Rudolph, Chr.: Über Wilhelm Reichs Oranur-Experiment (I); (1997) Zweitausendeins Frankfurt a.M., S.42-50 - Exkurs IV. Er kommentiert insbesondere die Seiten Seiten 38 von: Reich, W.: Das ORANUR-Experiment, erster Bericht sowie: Reich, W.: Der Krebs, Seiten 131-144 [IJBH]
09. Jun. 1998 
 
Das Versuchsdesign zur Messung der »orgonotischen Temperaturdifferenz« (To-T) hat Reich selbst mehrmals verändert. Erst verglich er die Lufttemperatur in einem kleinen Zylinder über dem Deckenblech eines geschlossenen Orgonakkumulators mit der Lufttemperatur der Umgebung, danach vergrub er diesen Orgonakkumulator zur Hälfte in der Erde und nahm als Vergleichswert die Boden- und Lufttemperatur in einem unten offenen Glasgefäß, das ebenfalls zur Hälfte im Erdboden steckte; schließlich verwendete er eine Orgonakkumulatorplatte von etwa 20 x 20 cm Größe mit der Blechseite nach oben. Auf diese stellte er mittig einen nach unten offenen Kasten aus 1 cm dicken Holzweichfaserplatten mit den Abmessungen 10 x 10 x 15 cm. Oben war in der Mitte ein Quecksilberthermometer angebracht, das die Lufttemperatur im Inneren anzeigte. Darüber war ein Glaszylinder mit etwa 16 cm Durchmesser gestülpt. Als Kontrolle diente ein analoger Aufbau mit dem Unterschied, daß das Orgonakkumulatorblech durch eine Sperrholzplatte ersetzt war (siehe folgendes Bild).

 
Reichs Meßaufbau zur Bestimmung der orgonotischen Temperaturdifferenz. Diese Anordnung zur Messung der orgonotischen Temperaturdifferenz wurde von Reich für tägliche Messungen verwendet und ist in dieser Form im Wilhelm Reich Museum in Rangeley, Maine, USA, ausgestellt. Auf etwa 20 mal 20 cm großen Plattenelementen stehen in durchsichtigen Zylindern Schachteln aus Weichfaserplatten mit Thermometern. Das linke Bodenelement stellt den Orgonakkumulator dar, es ist an seiner Oberseite mit einem verzinkten Eisenblech abgedeckt. Das rechte Element ist mit einer Sperrholzplatte abgedeckt. Diese unterschiedlichen Oberflächen waren der Wärmestrahlung des Raumes und durch die Fenster auch der direkten Sonnenstrahlung ausgesetzt. Die linke Eisenoberfläche leitet die Wärme besser in das Innere der Schachtel und an das Thermometer weiter, so daß an Tagen mit Sonnenschein eine höhere Temperatur als am rechten Thermometer abgelesen werden konnte. Reich las diese Temperaturen täglich um die Mittagszeit ab, also wenn die Sonnenstrahlung am stärksten war: >>The meteorological measurements are regularly done daily at noon<<. (Bildzitat aus: Harrer, Bernhard; Rudolph, Christian: Über Wilhelm Reichs Oranur Experiment. Erster Bericht. Ursprüngliche Abbildung aus: Wilhelm Reich, The Orgon Energy Accumulator. -Its Scientific and Medical Use, Rangeley 1951)
 
Die Temperaturmessungen bei der hier beschriebenen und im Reich-Museum ausgestellten Anordnung wurden mit Quecksilberthermometern durchgeführt, die eine Meßgenauigkeit von bestenfalls 0,1 Grad Celsius besaßen. Die gemessenen Temperaturunterschiede betrugen bis zu +4 Grad, beim Aufbau im Freien bis zu +20 Grad.

Das Temperaturdifferenz-Experiment hat mehrere Experimentatoren zum Nachvollzug gereizt, die mit unterschiedlichen Designs versucht haben, die Vielzahl möglicher Fehlerquellen auszuschließen. Dabei zeigte sich, daß die Temperaturdifferenz umso kleiner wurde, je genauer gemessen wurde. In der Berliner Arbeitsgruppe Orgon-Biophysik benutzte ich hochgenaue Platin/ Platin-Rhodium-Thermoelemente, chopperstabilisierte Operationsverstärker und arbeitete mit computergestützten Zeitreihen mit 14 bit Auflösung. Der Meßfehler dieses Versuchsaufbaues konnte damit auf einen Wert von ± 0,01 Grad gedrückt werden, Als Ergebnis monatelanger Zeitreihen in Berlin und Grönenbach (Süddeutschland) zeigte sich schließlich, daß der Effekt einer Temperaturdifferenz allein auf das unterschiedliche Verhalten hinsichtlich Aufnahme, Leitung, Speicherung und Abgabe von Wärme der unterschiedlichen Kisten (mit oder ohne Metall) zurückzuführen ist. Orgonakkumulator und Kontrollkiste reagieren, da sie nicht identisch sein können, eben verschieden schnell auf äußere Änderungen der Lufttemperatur und der Wärmestrahlung.

Woher kamen nun die + 20 Grad Differenz, die Reich in Der Krebs angibt? Bei genauem Studium des Textes fällt auf, daß Reich die hohen Differenzwerte immer dann erhält, wenn die Sonne auf die Meßapparatur scheint. In Der Krebs auf  Seite 139 berichtet er von einer Meßreihe (»im Zimmer bei offenem Fenster«), die immer dann Differenzen bis zu 4 Grad enthält, wenn die »Sonne den Orgonakkumulator trifft, dabei aber beide Thermometer im Schatten sind«. Mit dem Bild des Versuchsaufbaues vor Augen, bei dem das Eisenblech rundum 4 cm über die aufgesetzte Schachtel hinausreicht, sind diese Differenzen nicht verwunderlich, da die Sonne das Blech schneller erwärmt als die Holzoberfläche der Kontrollkiste und das Blech die Wärme schneller in die Schachtel leitet, was im Innern zu Erwärmung führt. Wenn der Thermometervergleich eine positive Temperaturdifferenz zeigt, liegt die Ursache in der unterschiedlichen Aufnahme von Wärmestrahlung durch unterschiedliche Materialien, Oberflächen, Farben etc.

Im Fall des Versuchsaufbaues im Freien wird dies mit + 20 Grad Temperaturdifferenz besonders deutlich. Reich schreibt auf Seite 141 in Der Krebs: »Die Temperaturdifferenz im Freien schwankt mit zu- und abnehmender Sonnenstrahlung, also auch mit den Tagesstunden. Differenzen bis zu 20 Grad Celsius sind an stark sonnigen Sommertagen keine Seltenheit. Das Org-Thermometer ist dabei natürlich nie der Sonnenstrahlung ausgesetzt.« Letzteres ist auch nicht notwendig, um Differenzen zu erzielen; es genügt, wenn der Orgonakkumulator und der Kontrollkasten mit ihren unterschiedlichen Materialien der Sonne ausgesetzt sind. Reich macht sich mit dieser Versuchsanordnung denselben Wärmestrahlungseffekt zunutze, der in Sonnenkollektoren eingesetzt wird, die im Winter auch bei Minusgraden an Sonnentagen noch Warmwasser liefern. Reich führt weiter aus: »Bei Regenwetter sind die Temperaturdifferenzen minimal, oder sie verschwinden ganz.« Womit die Erklärung des T0-T-Experimentes als Wärmestrahlungsartefakt eine weitere Bestätigung erfährt.

Von einigen Experimentatoren nach Reich wurde eingeräumt, daß Reichs 20 Grad »übertrieben« sein könnten. Gleichwohl wurden 0,2 bis 1 Grad durchaus für möglich gehalten; Meßergebnisse dieser Größenordnung wurden z.B. in der Berliner Zeitschrift emotion veröffentlicht. Nun wird aber eine Hypothese niemals dadurch plausibler, daß ihre Aussage auf ein zwanzigstel zurückgeschraubt wird. Wer Reichs Versuche »eins zu eins« nachmacht, erhält auch exakt dieselben Ergebnisse an Wärmestrahlungseffekten.

Wird Wärmestrahlungseinfluß ausgeschlossen, was sehr viel physikalisches Fachwissen und experimentellen Aufwand voraussetzt, dann verliert sich auch die Temperaturdifferenz. Das ist das Ergebnis, zu dem die Berliner Arbeitsgruppe Orgon-Biophysik gelangt ist.

Literatur:

 
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