Elektrosmog Report
Nr. 9 / 2. Jahrgang September 1996 
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EMF-Forschung in der UdSSR / GUS 1960 bis 1992

Im Auftrag des Bundesamtes für Post und Telekommunikation führten Mitarbeiter des Instituts für Pathologische Physiologie der Humboldt-Universität Berlin (Charité) eine Literaturstudie über die EMF-Forschung in der ehemaligen Sowjetunion und den GUS-Nachfolgestaaten der Jahre 1960 bis 1992 durch. Die Wissenschaftler der UdSSR hatten sich intensiv mit den biologischen Wirkungen elektromagnetischer Felder befaßt und dabei bemerkenswerte Ergebnisse erhalten, die auf gesundheitliche Auswirkungen elektromagnetischer Felder unterhalb der internationalen Grenzwerte hinweisen. Eine Veröffentlichung der Studie durch das Postministerium ist unseres Wissens nicht geplant.

Das 150 Seiten starke Gutachten berücksichtigt 232 wissenschaftlichen Beiträge. Andere Arbeiten wurden von den federführenden Berliner Wissenschaftlern Dr. habil. nat. Marianne Poppei, Dr. Dietmar Sass und Dr. Naum Goldstein wegen methodischer Mängel oder anderer Themenstellungen (z. B. medizinische Therapie) nicht näher betrachtet.

Wie in der Forschung der westlichen Industriestaaten galt das Hauptaugenmerk der Wissenschaftler der ehemaligen UdSSR vor allem den nicht-thermischen Wirkungen schwacher elektromagnetischer Felder und den sich daraus ergebenden Folgerungen für Grenzwertempfehlungen. Es wurde das Frequenzspektrum zwischen 10 Hertz und ca. 3 GHz untersucht, darunter im Niederfrequenzbereich vor allem 50 Hz (übliche Haushaltswechselspannung) und im Hochfrequenzbereich 2.375 Mhz (Mikrowellenbereich).

Die Autoren der Literaturstudie weisen auf einige Schwächen hin, die die Verwendbarkeit der Ergebnisse einschränken: Methodische Mängel und geringes wissenschaftliches Niveau hätten zum Ausschluß von etwa 40% der Arbeiten geführt. Veröffentlichte Resultate widersprächen sich oftmals. Es seien keine epidemiologischen Studien mit exakten Angaben der EMF-Belastung bekannt. Solche Angaben liegen nur für Untersuchungen an Freiwilligen sowie Tier- und Zell- bzw. Gewebeexperimenten vor.

Als Nachteil erweist sich zudem die Tatsache, daß im niederfrequenten Bereich vor allem die Stärke des elektrischen Feldes (Volt/Meter) und nur selten die magnetische Flußdichte in Tesla gemessen wurde. Leider läßt sich von der elektrischen Feldstärke nicht auf die magnetische Flußdichte schließen, der heute allgemein die größere biologische Relevanz zugesprochen wird. Die wenigen experimentellen Studien mit Angaben über die Stärke der magnetische Flußdichte bewegen sich im Milliteslabereich (mT), also deutlich über den internationalen Grenzwertempfehlungen für die Allgemeinheit von 100 µT (Mikrotesla), so daß sie für die Frage der biologischen Relevanz von EMF unterhalb der Grenzwerte keine große Rolle spielen.

Hier sollen vor allem solche Ergebnisse vorgestellt werden, die hinsichtlich der Expositionsstärken eine Bedeutung für die allgemeine Öffentlichkeit und die Arbeitswelt haben können. und sich als weitgehend konsistent erwiesen.

Thermische - athermische Wirkungen

Thermische Effekte durch EMF sind vergleichbar mit thermischen Effekten durch Erwärmung. Aufgrund verschiedener Wärmeeffekte wurde von UdSSR-Wissenschaftlern eine Schwellenintensität für eine Wärmewirkung von ungefähr 10 W/cm2 ermittelt. In der westlichen Literatur wird diese Schwelle wesentlich höher angesetzt, so daß die IRPA-Grenzwerte von 1988 für den Mikrowellenbereich bei 1 mW/cm2 (= 1.000 W/cm2) liegen. Am Anfang wurden in der UdSSR nur solche Effekte als athermische bzw. nicht-thermische Wirkungen bezeichnet, die ohne Wärmeentstehung zu verschiedenen Veränderungen führen. Später wurde darauf hingewiesen, daß dies eine lokale Wärmeentwicklung nicht ausschließe (STEMLER 1978, CHISCHNJAK 1987). Bei hochfrequenten Strahlen mit hoher Absorption trete eine Mikroerwärmung auf (OSIPOW 1963). FEITELBERG-BLANK (1979) und CHISCHNJAK (1987) sind sogar der Ansicht, daß die Einteilung von thermischen und athermischen spezifischen Effekten im Prinzip nicht korrekt ist.

Epidemiologische Studien

Bei Untersuchungen an Berufstätigen im Bereich von hochfrequenten Generatoren wurden Klagen über schnelle Ermüdbarkeit, Reizbarkeit, Verschlechterung des Gedächnisses, Kopfschmerzen, Atemstörungen und Schlafstörungen registriert (KOWSCHILO 1983). Die Erregbarkeit der Bewegungsreflexe war mit zunehmender Arbeitsdauer erhöht, die Reaktionszeit verkürzt (BOITZOW 1984). In einer anderen Studie fiel eine Störung der Anpassung des Auges an die Dunkelheit auf (NIKOGOSJAN 1971). Untersuchungen an Elektroschweißern, die unter EMF von 50 Hz arbeiteten, zeigten motorische Störungen (Tremor der Augenlider und Ruhezittern der Hand) und eine erhöhte Reaktivität des vegetativen Nervensystems (ABRAMOWITSCH 1973). Arbeiter, die 5 bis 10 Jahre einer hohen Mikrowellenbelastung ausgesetzt waren, wiesen Veränderungen des Blutflusses im Gehirn auf (verminderte Blutfülle, veränderte Spannung der Blutgefäße) (SADSCHIKOWA 1972). Verschiedentlich wurden Veränderungen der Kreislaufregulation beobachtet. Arbeiter an EMF-Generatoren wiesen fast immer Störungen des hormonellen Systems auf (Schilddrüsenüberfunktion, Störungen des Hypothalamo-Hypophysen-Nebennierenrinden-Systems, Störungen des Ovarialzyklus bei Frauen, erhöhte oder herabgesetzte Potenz bei Männern) (KOWSCHILO 1983). Arbeiter an Umspannstationen (50 Hz) wiesen mit zunehmender Arbeitsdauer eine Erhöhung der Phosphataseaktivität auf, was als Erschöpfung der Immunfunktion gegen Ende der Arbeitsschicht interpretiert wurde (BUKE 1984). Bei einer Untersuchung von Radiostationsarbeitern, die länger als 3 Jahre in der Kurzwellenzone arbeiteten, fand sich eine Verminderung der Aktivität der Phagozyten (Freßzellen). Die Mundhöhle "war übersät von Mikroorganismen" (WOLKOWA 1973). Bei Arbeitern in Radio- und Fernsehstationen seien funktionelle Störungen (Magen, Bauchspeicheldrüse, Herz-Kreislaufsystem, Mineralstoffwechsel) häufig.

Untersuchungen an Freiwilligen

Bei 18 von 25 Freiwilligen fand sich nach Mikrowellenbestrahlung (1 mW/cm2) ein erhöhter Fingertremor. Bei 3 mW/cm2 trat eine erhöhte Bewegungsaktivität im Schlaf auf, die sich nach 2 bis 3 Tagen wieder normalisierte (PIWOWAROW 1966). IWANOW-MUROMSKI (1977) fand bei Freiwilligen (380 bis 500 MHz, 1 mW/cm2) akustische Effekte (Klingeln, Pulsation etc.) bei individuell unterschiedlichen Frequenzen. Weitere Experimente zeigten, daß sich eine Intensität von 0,4 mW/cm2 bei Frequenzen von 200 bis 3000 MHz als besonders wirksam für solche später als thermoakustische Effekte bezeichneten Phänomene erweist.

Tierexperimente

Bei Bestrahlung von weißen Mäusen mit 1 mW/cm2 (850 und 2.375 MHz, 2 Stunden täglich) wurden keine Veränderungen bemerkt. Bei 10 mW/cm2 traten Störungen der Bewegungskoordination auf (GUSAROW 1971). Viele Wissenschaftler untersuchten die neuronale Impulsaktivität des Gehirns unter der Bestrahlung. Neben gehemmten Neuronen wurden andere aktiviert. Hochfrequente EMF-Bestrahlung (0,02, 0,08, 0,4, 2 mW/cm2) auf eine Gehirnhälfte von Kaninchen bewirkte EEG-Veränderungen der anderen Seite (GWOSTIKOWA 1963/1964). Von verschiedenen Untersuchern und bei unterschiedlichen Tierarten (Mäuse, Ratten, Meerschweinchen) wurden im allgemeinen bei niedriger Intensität und kurzzeitiger hochfrequenter Bestrahlung (Milliwattbereich pro cm2) eine Aktivierung von Immunfunktionen festgestellt, während langfristige oder intensive Bestrahlungen diese Funktionen hemmten (WARTANOW 1969, SMUROWA 1967, WINOGRADOW 1981). SCHANDALA (1982) beschreibt an Ratten nach der Einwirkung hochfrequenter Felder (0,05-0,5 mW/cm2) folgende Reaktionen: Veränderungen der Leukoblastentransformation, der Phagozytose, des Komplementgehaltes und der Autoimmunfunktion. Bei Mikrowellenbestrahlung (Ratten, Hunde, Kaninchen) mit Intensitäten von 0,2 bis 2,0 mW/cm2 ist nach 5 bis 10 Minuten ein Anstieg der Oxidation festzustellen (SCHOLOCHOW 1971). Gehirn und Augengewebe reagiere besonders empfindlich.

Grundsätzliche Beobachtungen

Nach den Untersuchungen der Wissenschaftler der UdSSR ist das Nervensystem eines der empfindlichsten Systeme für die Wirkung von EMF. Es wurden vor allem unspezifische und subjektive Symptome wie Müdigkeit, Reizbarkeit, Schlafstörungen etc. festgestellt (KOWSCHILO 1983). Alle anderen Reaktionen des Organismus (Immunfunktion, Stoffwechsel, Herz-Kreislauf etc.) seien eng mit Wirkungen auf das Nervensystem verbunden.

Junge Tiere wiesen eine größere Empfindlichkeit für hormonelle Veränderungen auf als ältere (BASKURJAN 1982, SCHUTENKO 1981).

Schwache oder geringe EMF-Bestrahlungen (1 mW/cm2, 2.375 MHz) haben offenbar in den ersten Wochen der Bestrahlung eine stimulierende Wirkung auf das Immunsystem. Solche Stimulationen werden als Anpassungs(=Adaptations)prozesse des Organismus angesehen. Bei längeren oder intensiveren Belastungen werden dagegen die Immunfunktionen gehemmt (KRYLOW 1983, SIDOROWA 1982, BOGOLJUBOWA 1990). Ähnliche Beobachtungen mit Grenzen zwischen Stimulierung bzw. Adaptation und Hemmung bzw. Maladaptation durch EMF wurden von anderen Autoren auch für andere Funktionssysteme gemacht (z. B. SWATSCHENKO 1982).

Grenzwertempfehlungen

Für Grenzwertempfehlungen sind beispielsweise folgende Beobachtungen von Bedeutung. Nach WINOGRADOW (1974, 1981, 1985) können bereits Intensitäten von 50 W/cm2 (2.375 MHz) einen Einfluß auf Immunfunktionen haben. GRABOWITZ (1975) fand bereits bei Intensitäten von 10 W/cm2 (2.375 MHz, 8 Stunden täglich über 3 Monate) signifikante Veränderungen der Spurenelementkonzentration des Blutes. In den 80er Jahren wurden maximal zulässige Werte für die Allgemeinbevölkerung und Mindestentfernungen zu Hochspannungsleitungen und HF-Sendern verabschiedet, die deutlich unter den Standards westlicher Industrieländer liegen. Beispielsweise betrug in Rußland der maximal zulässige Wert für den Frequenzbereich zwischen 300 MHz bis 300 GHz 5 W/cm2, während der Wert für die USA bei 1.000 W/cm2 lag. Wieweit diese Grenzwerte heute noch Gültigkeit besitzen, konnte von den Autoren nicht gesagt werden.

Schlußfolgerungen

EMF können "funktionelle und sogar morphologische Veränderungen in allen geprüften Organsystemen verursachen, wenn sie in entsprechenden Frequenzen und Intensitäten sowie über bestimmte Zeiträume einwirken... Die Mechanismen dieser Wirkung sind gegenwärtig noch nicht umfassend bekannt. Der größte Teil der sowjetischen Wissenschaftler spricht von Wärmeeffekten.... Auch wenn man die Erhöhung der Temperatur in biologischen Materialien oder Objekten durch EMF-Wirkung nicht erfassen kann, können Mikroerwärmungen, sowohl in Bezug auf Volumen als auch auf Temperaturveränderungen, zur Entwicklung von freiradikalen Prozessen führen." Die Einwirkung der EMF führe zu physiologisch unspezifischen Regulationsstörungen in verschiedenen Organ- bzw. Funktionssystemen. Die Autoren der Berliner Studie zitieren VIRCHOW (1869) mit den Worten: "Die Krankheit beginnt in dem Augenblick, wo die regulatorische Einrichtung des Körpers nicht ausreicht, die Störungen zu beseitigen." Von theoretischen Überlegungen ausgehend müsse es "Resonanzfrequenzen des EMF für jede der vielen oszillatorisch im Organismus ablaufenden Funktionen geben." Dies könne die Vielfalt der Ergebnisse erklären.

Franjo Grotenhermen, Redaktion Elektrosmog-Report

Quelle: Poppei, M., Sass, D., Goldstein, N.: Biologische Wirkungen elektromagnetischer Felder im Frequenzbereich 0 - 2 GHz auf den Menschen (UDSSR / GUS, Zeitraum 1960-1992). Literaturstudie im Auftrag des Bundesamtes für Post und Telekommunikation. Ohne Jahresangabe.
 
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Politik

Antwort der Bundesregierung auf Elektrosmog-
Anfrage der SPD

Maßnahmen zur Vorsorge und Feldminimierung werden von der Bundesregierung als nutzlos betrachtet, weil Schädigungen unterhalb der Grenzwerte nicht eindeutig erwiesen seien. Sollte diese Logik aus dem Hause Merkel Schule machen, könnten Pestizidgrenzwerte erhöht und die Tore für englische BSE-Importe und US-amerikanisches Hormonfleisch geöffnet werden. Nach der Elektrosmog-Verordnung (Elektrosmog-Report 2(6), S. 5-8, 1996) ist die Antwort ein weiteres Armutszeugnis der Bundesregierung in Sachen Elektrosmog.

Die SPD-Abgeordneten Horst Kubatschka und Michael Müller u. a. sowie die SPD-Bundestagsfraktion stellten im November 1995 eine Große Anfrage in Sachen Elektrosmog. Im Namen der Bundesregierung legte Umweltministerin Dr. Angela Merkel am 10. Juli 1996 die 49-seitige Antwort vor.

Die Bundesregierung stellt sich ohne Einschränkung hinter das Grenzwertkonzept der IRPA (International Radiation Protection Association), das sich ausschließlich an akuten Wirkungen orientiert und lediglich Schutz- und keine Vorsorgewerte beinhaltet. Auch für Neuanlagen sollen keine strengeren Werte gelten: "Die Forderung nach Verringerung der Feldstärken von Neuanlagen auf Werte einer weiteren [sic!] unterhalb der auf dem gesicherten Wissen über die gesundheitlichen Wirkungen elektromagnetischer Felder basierenden ICNIRP-IRPA-Werte ist unbegründet und würde zu erheblichen Mehrkosten ohne nachweisbaren Nutzen führen" (S. 26).

Die allem zugrundeliegenden Empfehlungen der IRPA stammen aus den Jahren 1988 und 1989 und verstehen unter bekannten Gesundheitsgefahren vor allem Herzkammerflimmern, Veränderungen in der Erregbarkeit des zentralen Nervensystems und visuelle Effekte (Magnetophosphene). "Diese Bewertungen geben den anerkannten und wissenschaftlich gesicherten aktuellen Erkenntnisstand wieder" (S. 19).

Vorsorgemaßnahmen

"Dem allem steht eine intensiv geführte Diskussion über vermutete gesundheitliche Auswirkungen unter dem Stichwort "Elektrosmog" gegenüber. Die Diskussionen werden u. a. getragen von diffusen Ängsten und einer nicht konkretisierbaren Skepsis gegenüber technischem Neuerungen" (S. 4).

Die seit 1988 in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten gefundenen Zusammenhänge zwischen elektromagnetischer Belastung unterhalb der internationalen Grenzwertempfehlungen und biologischen und gesundheitlichen Effekten werden als "nicht erwiesen" abgetan und sind damit laut Bundesregierung nicht einmal für die Ableitung von Vorsorgewerten geeignet. Mögliche Langzeitfolgen werden dabei ignoriert. Während es bei anderen Umweltgefahren wie Pestiziden im Trinkwasser oder auch BSE und Hormonrückständen im Fleisch vollkommen selbstverständlich ist, daß Vorsorgeregelungen zur Geltung kommen, die keineswegs auf eindeutig wissenschaftlich bewiesenen und von internationalen Fachgremien in jahrelang dauernden Prozeduren abgesicherten Daten beruhen, wird genau dies bei den Auswirkungen elektromagnetischer Felder verlangt. Damit wird jeglicher Vorsorgegedanke unterlaufen.

"Bisher weisen alle wissenschaftlichen Untersuchungen, die eine gesundheitsschädigende Wirkung elektromagnetischer Felder nachweisen konnten, darauf hin, daß zur Auslösung dieser Wirkung bestimmte Feldstärkeschwellen überschritten werden müssen. Aus diesem Grund wird durch eine Minimierung unterhalb eines bestimmten Grenzwertes die Sicherheit der Bevölkerung nicht erhöht" (S. 36). Gibt es diese Schwellen tatsächlich und wo liegen sie? Nach Meinung vieler Wissenschaftler weit unter den gültigen Grenzwerten, vermutlich sogar bei nur 0,2 bis 0,3 µT (NCRP-Bericht, vgl. Elektrosmog-Report 1(8), S. 5-7, 1995). Die Bundesregierung will hiermit jedoch ihre 100 µT (50-Hz-Magnetfeld) festschreiben und jegliche Vorsorge unterhalb dieser 100 µT ad absurdum führen. Wissenschaftlich betrachtet schwerer Humbug.

Das was die Bundesregierung dann als Vorsorge bezeichnet und in der Elektrosmog-Verordnung festschreibt, ist lediglich die "Befugnis der zuständigen Behörden" den IRPA-Werten auch kleinräumig und kurzzeitig Geltung zu verschaffen! Die durch diese Regelung von der Bundesregierung vorhergesagte "Feldstärkeminimierung" auf Werte von ca. 10 T (50 Hz) ist wissenschaftlich nicht haltbar. Die durch die Begrenzung der Spitzenwerte erzielbare Reduzierung der Dauerexpositionswerte ist extrem abhängig von der Betriebsweise der betreffenden Anlage. Nur in Ausnahmefällen wird die in Aussicht gestellte Reduzierung um den Faktor 10 in der Tat realisiert werden.

Feldminimierung

Konsequenterweise hält die Bundesregierung technische Feldminimierungsmaßnahmen jeglicher Art für überflüssig - von "anlagebezogenen Einzelmaßnahmen" abgesehen. Mit fragwürdigen Argumenten werden technische Maßnahmen zur Verringerung der Feldstärke als technisch, ökonomisch und genehmigungsseitig nicht sinnvoll eingestuft. Hiermit soll verhindert werden, daß Maßnahmen, die von kritischer Seite seit langem gefordert werden und oft mit geringen zusätzlichen Kosten beträchtliche Feldreduzierungen erzielen, sich zum Standard entwickeln könnten. Hierzu zählen u. a. neue Mastformen für Freileitungen, Stich- statt Ringleitungen in Wohngebieten oder auch strahlungsminimierte Elektrogeräte. Schlichtweg falsch wird es, wenn in diesem Zusammenhang behauptet wird, daß sog. vagabundierende Ströme im Schienenverkehr nur bei "Gleichstrombahnen" auftreten und "Rückstromanteile" bei Wechselstrombahnen "für die Abstrahlung von magnetischen Feldern nicht relevant" seien.

Für den ungedrosselten Betrieb von Rundfunksendern in dicht besiedelten Gebieten, die oftmals die IRPA-Werte deutlich überschreiten, hat die Bundesregierung ein besonderes Argument parat: "Bei der Anlage von Rundfunksendern kann die Feldbelastung nicht reduziert werden, da bei geringerer Sendeleistung der gegebene Versorgungsauftrag nicht erfüllt werden kann. Dieser ist z. B. bei Sendern der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vom Gesetz vorgegeben" (S. 27) - sagt der Gesetzgeber!

Bei Mobiltelefonen setzt die Bundesregierung ganz auf Hersteller und Betreiber der Anlagen, die mit bereits vollzogenen "Selbstbeschränkungen" in Bezug auf die "maximale abgestrahlte Leistung" und "intelligentem Leistungsmanagement" den Anforderungen genüge getan hätten. Kein Wort über technische Möglichkeiten, die im Kopf absorbierte Strahlungsenergie z. B. durch neue Antennen zu reduzieren. Von der Bundesregierung sind hier keine Signale zu erwarten. Eine Minimierung der Belastung bleibt einzig und allein dem Verbraucherdruck und der Initiative einzelner Unternehmen überlassen (vgl. nächste Ausgabe Elektrosmog-Report).

Auch bei Haushaltsgeräten hält die Bundesregierung eine Absenkung der Feldabgaben durch konstruktive Maßnahmen für überflüssig. Die niedrigen Werte der Feldstärken bzw. Leistungsflußdichten "sind nur in wenigen Fällen ein Ergebnisse [sic!] gezielter konstruktiver Maßnahmen zum Zweck des Personenschutzes wie z. B. bei Mikrowellenherden, bei Computermonitoren und Heizdecken." (S. 32) - und das soll laut Bundesregierung wohl auch so bleiben.

Forschung

Auf die Frage nach dem Forschungsbedarf benennt die Bundesregierung freizügig ihre enge Zusammenarbeit mit der Industrie und insbesondere der Forschungsgemeinschaft Funk e. V. (FGF). Eine Zusammenarbeit mit Umwelt- und Verbraucherverbänden wird hingegen abgelehnt: "Der Nutzen von 'wissenschaftlichen Begleitstudien unter Beteiligung der Umwelt- und Verbraucherschutzverbände' ist wissenschaftlich nicht nachvollziehbar" (S. 47).

Erschreckend niedrig sind die für Forschung bereitgestellten Mittel. Die FGF und die Bundesregierung geben derzeit pro Jahr lediglich jeweils 1 Mio. DM für die EMF-Forschung aus. Die zusammenfassende Bewertung der durchgeführten Arbeiten "keine von ihnen hat eine deutliche Gefährdung durch schwache elektromagnetische Felder nachweisen können" (S. 46) unterschlägt einige, anscheinend unliebsame Forschungsergebnisse.

Epidemiologische Studien will die Bundesregierung nicht finanzieren, weil eine deutsche Studie "keine wesentlich neuen Erkenntnisse liefern" kann. Die bisherigen Studien werden wie folgt zusammengefaßt: "Bei der Beurteilung dieser epidemiologischen Studien sind im Hinblick auf ihre Aussagekraft [Hervorhebung durch die Red.] das Bundesamt für Strahlenschutz, die Strahlenschutzkommission und nationale und internationale Strahlenschutzgremien zu dem Ergebnis gekommen, daß ein Zusammenhang zwischen einer Exposition durch magnetische Felder, wie sie im Alltag vorkommen, und einem vermehrten Auftreten von Krebs nicht erwiesen ist" (S. 48). Wieviel Unsicherheit in solch einer Aussage steckt, wird dagegen z. B. in den Anstrengungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) deutlich, durch ein auf fünf Jahre angelegtes Forschungsprojekt mehr Klarheit über die gesundheitlichen Auswirkungen elektromagnetischer Felder zu erlangen (vgl. Elektrosmog-Report 2 (5), S. 9, 1996). Bei ungeklärter Erkenntnislage ist die Mindestforderung an die Politik, sich für Vorsorgekonzepte stark zu machen.

Michael Karus und Peter Nießen,

Redaktion Elektrosmog-Report

[Zitierweise dieses Artikels: Karus, M., Nießen, P.: Antwort der Bundesregierung auf Elektrosmog-Anfrage der SPD. Elektrosmog-Report 2 (9), S. 7-8 (1996)]
 
 
 
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Verbraucherinformation

Hohe Felder bei Induktionsherden

Seit Ende der achtziger Jahre gibt es neben den üblichen "Widerstands-"Herden auch die sog. Induktionsherde, bei denen eine elektrische Spule unter der Kochzone elektromagnetische Wechselfelder erzeugt, die Wirbelströme im Topfboden hervorrufen und so für dessen Erwärmung sorgen. Dies funktioniert allerdings nur, wenn der Topfboden aus leitfähigem Material besteht und hinreichend dick ist.

Bei Induktionsherden wird die Hitze allein im Topf selbst erzeugt. Dadurch ergibt sich eine nur geringe Erwärmung der Herdoberfläche, eine gute Regulierbarkeit der Hitzezufuhr, kurze Garzeiten und vergleichsweise geringe Wärmeverluste.

Die hohen Preise sind jedoch nicht der einzige Nachteil, mit denen man sich die genannten Vorteile erkaufen muß. Induktionsherde weisen erheblich höhere Magnetfelder auf als vergleichbare Widerstandsherde. Während Widerstandsherde nur Felder der Netzfrequenz emittieren, gehen von Widerstandsherden Magnetfelder mit einem breiten Frequenzspektrum aus.

Werner Schaper aus Hamburg hat beide Herdtypen ausgemessen und zwar im Abstand von 5, 10, 20 und 30 cm, horizontal gemessen von der Herdvorderkante.
Abstand von der Herdkante in cm 
Magnetfelder von Elektroherden 
typische Werte in µT (Mikrotesla)
Induktionsherd 
0-10 kHz
Induktionsherd 
10-100 kHz
Widerstandsherd 
50 Hz
5
230
30
3
10
57
7,5
1,7
20
14
1,8
0,8
30
7
0,8
0,2
Der Nullpegel lag bei den Messungen zwischen 0,06 und 0,1 T (W. Schaper, 6/96).

Die Tabelle zeigt die relativ hohen Magnetfelder von Induktionsherden im Bereich 0 bis 10 kHz, die in üblichen Nutzungsabständen auftreten. Wer sich in unmittelbarer Nähe aufhält (Abstand kleiner 5 cm) wird Magnetfeldern ausgesetzt, wie sie ansonsten in Wohnungen nur in Ausnahmefällen vorkommen.

Aus Vorsorge- und Minimierungsgründen sollten Induktionsherde - mit Feldwerten wie den hier exemplarisch gemessenen - nicht eingesetzt werden, insbesondere wenn der Herd stark frequentiert wird, wie z. B. in Gaststätten oder Großküchen, oder von schwangeren Frauen benutzt wird, da deren Gebärmutter in Herdnähe starken Feldern ausgesetzt ist. 


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