Elektrosmog-Report
3. Jahrgang / Nr. 11 November 1997
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Forschungspolitik
Forschungsgemeinschaft Funk wird Fünf -
Ein Grund zum Feiern?
Teil II

Wir haben in der letzten Ausgabe des Elektrosmog-Reports vom Fünfjährigen der Forschungsgemeinschaft Funk (FGF) berichtet und zwei Stellungnahmen von Elektrosmog-Experten zur FGF veröffentlicht. Um die Diskussion um die Arbeit und Rolle der Forschungsgemeinschaft Funk weiter öffentlich zu führen, folgen in dieser Ausgabe abschließend drei weitere Stellungnahmen.

Dr. H.-Peter Neitzke, ECOLOG-Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung, Hannover:

Forschungsgemeinschaft Funk - Unabhängige Einrichtung der Forschungsförderung oder Lobbyverein?

Vor fünf Jahren wurde die Forschungsgemeinschaft Funk (FGF) gegründet. Die Idee an sich war löblich: Da das Bundesforschungsministerium keinen Forschungsbedarf in der Frage der Wirkungen elektromagnetischer Felder auf den Menschen sah und deshalb Forschungsmittel nicht zur Verfügung standen, sollte eine Einrichtung geschaffen werden, die entsprechende Forschungsgelder bei der Industrie einwirbt. Die FGF hätte eine wichtige Funktion für die Erforschung möglicher Risiken durch die hochfrequente Strahlung von Radio-, Fernseh- und Mobilfunksendeanlagen erfüllen und zur Versachlichung der Diskussion über "Elektrosmog" beitragen können. Jedoch gelang es nicht, die FGF wirklich als unabhängige Institution zu etablieren. Statt einer Stiftung mit einer Satzung und Gremien, die sicherstellen, daß die Vergabe von Forschungsgeldern unabhängig von den Geldgebern erfolgt und sich alleine an wissenschaftlichen Kriterien und der Frage nach möglichen Risiken orientiert, wurde 1992 ein Verein (e.V.) der Funknetzbetreiber, Rundfunk- und Fernsehdienstanbieter, von Industrieverbänden und -unternehmen, die Endgeräte, Funkanlagen und Zubehör für den Funknetzbetrieb herstellen, gegründet.

Kaum daß die FGF ihre Arbeit aufgenommen hatte - sie hatte noch nicht ein eigenes Projekt auf den Weg gebracht - reiste denn auch schon der Geschäftsführer, G. Friedrich, durch die Lande, um zu verkünden, daß Befürchtungen wegen möglicher Gesundheitsrisiken durch Funkanlagen unbegründet seien.

Das Image des Lobbyvereins mit wissenschaftlichem Deckmantel ist die FGF bis heute nicht losgeworden. Zu diesem Bild trägt nicht zuletzt auch die Berichterstattung der FGF in ihren eigenen Medien (Newsletter und Edition Wissenschaft) bei, die zwar über die von der FGF geförderten Untersuchungen ausführlich berichten, die internationalen Forschungsergebnisse aber kaum würdigen. Da fällt es denn leicht, wenn in einem speziellen Experiment an Zellkulturen oder Versuchstieren einmal ein bestimmter Effekt elektromagnetischer Felder nicht nachzuweisen war, gleich auf das gänzliche Fehlen solcher Effekte zu schließen (s. z.B. "Keine schädigenden Einflüsse von Funkwellen auf Zellen", Newsletter 2/97).

Bezeichnend auch die Aussage von J. F. Spittler in Newsletter 3/97: "Wir wissen, daß Funktelefone gesunde Menschen nicht schädigen". Dieses "Wissen" gründet sich, wie es scheint, allein auf das von Spittler durchgeführte Experiment, in dem kein Effekt der Abstrahlungen eines 8-Watt-Funktelefons auf die Gehirnaktivität (EEG) von Versuchspersonen festgestellt wurde. Für die FGF sind hiermit "Aussagen des Lübecker Wissenschaftlers Leberecht von Klitzing wissenschaftlich widerlegt, Elektrosmog schädige die Gehirnleistung". Kein Wort darüber, daß Veränderungen der Gehirnaktivität unter dem Einfluß elektromagnetischer Felder auch von anderen WissenschaftlerInnen nachgewiesen wurden - auch in Deutschland.

Ein einzelnes Experiment ergab keinen Effekt, das reicht der FGF für den "Nachweis", daß technogene elektromagnetische Felder harmlos sind - was man ja eh schon gewußt hat. Diese Herangehensweise ist in ihrer Unwissenschaftlichkeit sehr dazu angetan, die Vorbehalte gegen die FGF als Lobbyist der Funknetzbetreiber zu verstärken. Allerdings haben wahrscheinlich viele LeserInnen der breit gestreuten Publikationen der FGF keinen Zugang zu wissenschaftlichen Originalarbeiten, so daß ihnen, wenn sie sich nicht zusätzlich aus unabhängigen Quellen informieren, eine Bewertung der Qualität der von der FGF geförderten Untersuchungen und die Einordnung der Ergebnisse in den derzeitigen internationalen wissenschaftlichen Erkenntnisstand schwerfällt.

Da sie keinen Niederschlag in den Forschungsberichten finden, wirkt denn auch die stolze Erklärung der FGF, daß von ihr mehr als 10.000 internationale Studien ausgewertet wurden, eher provinziell - für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollte es eigentlich selbstverständlich sein, einen Überblick zumindest über die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu haben, die mit den eigenen Arbeiten in Beziehung stehen, und die eigenen Ergebnisse in das Spektrum anderer Untersuchungsergebnisse einzuordnen.

Bernd Rainer Müller, BUND-AK Immissionsschutz (gekürzt):

Forschen oder Horchen?

Die Forschungsgemeinschaft Funk feiert ihr fünfjähriges Bestehen und zieht aus ihrer Sicht eine erfolgreiche Bilanz. Seit zwei Jahren haben Vertreter des BUND-Arbeitskreises Immissionsschutz an verschiedenen Arbeitsgruppensitzungen der FGF teilgenommen. Eine Betrachtung der Arbeit unter der Zielvorstellung der FGF "Wir stellen uns der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und jedem einzelnen Menschen" zeigt aus BUND-Sicht andere Ergebnisse.
 

Mitglieder der Forschungsgemeinschaft Funk e. V.

Behörden:

Dienstanbieter: Industrie: Netzbetreiber: Vereine oder wissenschaftliche Einrichtungen: Quelle: Internet: http://www.fgf.de/

Die schwierige Aufgabe, weitgehende soziale und technische Gefahren bei neuen und komplexen Technologien zu erfassen, kann nur unter Einbeziehung möglichst vieler ökologischer Bereiche gelingen.

Soziale Sicherheit heißt in diesem Fall, Beteiligung der Betroffenen und ihrer Vertreter bei der Entwicklung und Festlegung von Grenzen, Verhaltensweisen, Schutzmaßnahmen für die jeweilige Technologie.

Wenn selbst bei Presse-Seminaren der FGF bei den Teilnehmern anschließend keine Gefahren und kein Besorgnispotential gesehen wird, kann daraus keine soziale Sicherheit gegenüber elektromagnetischer Strahlung entstehen, weil auf die berechtigten Bedürfnisse - bezüglich sachlicher Information - echter oder auch vermeintlich Betroffener keine Rücksicht genommen wird.

Detaillierte Bestandsaufnahmen der Beschwerden und Probleme sind in allen anderen Technikbereichen Grundlage zur Entwicklung für zukünftiges sicheres Handeln. Diese systematische Erfassung fehlt. Eine ständige Auswertung der Presseartikel zum Thema, kann keine Zusammenfassung der vielfältigen Beschwerden ersetzen, die bei den Betreibern elektrischer Anlagen und anderer Ansprechstellen eingehen.

Die alleinige Übernahme von Produktverantwortung für einzelne Quellen und spezieller Nutzergruppen von Mobilfunk (Herzschrittmacherträger) bei einer Technologie, die weltweit verbreitet ist und immer länger und stärker auf alle Menschen, Tiere und Pflanzen einwirkt, ist nicht ausreichend.

Die Forschungsarbeit der FGF ist noch zu einem großen Teil diffus, weil sich die bisherigen Forschungsarbeiten vorwiegend an anwendungsbezogenen Zielen, z.B. Meßtechnik, Produktuntersuchung, Normung im Bereich der EMVU orientiert.

Notwendige Voraussetzungen für eine möglichst breite Akzeptanz von Forschungen im EMVU-Bereich werden noch zu wenig von der FGF beachtet.

(...)

Die FGF hat in den vergangenen fünf Jahren versucht, Verantwortung für die Gesellschaft nach den Vorstellungen ihrer (nutzerorientierten) Mitglieder zu übernehmen. Es wurden dabei Schwerpunkte gesetzt, die sich am Medieninteresse orientierten, d. h. die FGF hörte aus den vielfältigen Stimmen in erster Linie auf den Zeitgeist.

Wenn die FGF ernsthaft eine Plattform für Nutzer und Betroffene elektromagnetischer Strahlung in der Zukunft werden will, sind die notwendigen Strukturen hierfür noch zu schaffen. Der BUND-Arbeitskreis Immissionsschutz kann durch seine (ehrenamtliche) Mitarbeit die bestehenden Defizite nicht allein ausfüllen. Er kann diese Probleme nur aufzeigen und zukünftige Handlungsansätze vorstellen.

Prof. Dr. med. Rainer Frentzel-Beyme, Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS):

Aktuelle Information zum Jubiläum der Forschungsgemeinschaft Funk

Für ein Jubiläum läßt sich bei näherem Hinsehen nicht nur mit Jubel oder mit Stolz auf das Erreichte zurückblicken, wofür mit Bezug auf eigene Erfahrungen mit der Forschungsförderung mehrfacher Anlaß besteht. Nachdem vom Vertreter der FGF am Round Table Meeting "Einwirkungen von elektromagnetischen Wellen auf biologische Systeme" glaubhaft dargestellt wurde, daß die Forschungsförderung durch die FGF objektiv und neutral erfolgen sollte, konnte man bei dem sich daran anschließenden Versuch, für die Untersuchung von Mobilfunk-Benutzern des C-Netzes Finanzmittel zu akquirieren, einen gegenteiligen Eindruck gewinnen. Während die weniger relevanten Ansätze nämlich das Interesse der Mobilfunkbetreiber fanden, war der Antrag zur Finanzierung einer epidemiologischen prospektiven Studie mit ganz fadenscheinigen Argumenten zuerst dilatiert und schließlich nicht mehr weiter bearbeitet worden.

Gleichzeitig wurden Forschungsprojekte bereitwillig gefördert, die keine Aussicht auf eine Klärung des Risikos für den Menschen haben konnten, sobald die Abklärung langfristiger Wirkungen wie z. B. bestimmte Krebsformen auf den Gesamtorganismus für eine sinnvolle Präventionsforschung für erforderlich gehalten wird. Diese Forderung schien sich die FGF aber nicht zu eigen machen zu wollen, da sie auffälligerweise nur kurzfristige Wirkungen und Wirkungen am falschen Objekt als förderwürdig zu betrachten schien. Hierzu gehörten Untersuchungen an Mikroorganismen und Zellkulturen, die keineswegs auch nur eine Aussicht auf Erkenntnisse von möglichen Risiken für den Menschen zuließen.

Nachdem der Antrag schon im Jahr 1993 eingereicht worden war, wurde im Juni 1994 kurz und lakonisch mitgeteilt: "Die Forschungsgemeinschaft Funk hat nach längeren internen, auch kontrovers geführten Beratungen beschlossen, von einem Auftrag an Sie abzusehen. Die Gründe dafür sind, daß die kalkulierbaren Kosten für eine epidemologische Untersuchung für den uns interessierenden Problemkreis höchstwahrscheinlich den Etat der FGF bei weitem überschreiten würde. Wir möchten Ihnen dennoch nochmals danken für Ihre aufgewandte Mühe, uns die Kunst der Epidemologie etwas näher zu bringen und für Ihre Geduld, die im Umgang mit einem Verein mit sehr vielen Gremien aufgebracht werden muß." (Die nähergebrachte Schreibweise der Epidemiologie im Original).

1995 wurde von uns eine geänderte Version eingereicht, mit dem Hinweis auch auf die damals schon erkennbar werdenden Ergebnisse der Studie von Prof. Michaelis, wobei auch Bedenken vorgebracht wurden, falls epidemiologische Forschung weniger gefördert und möglicherweise sogar durch Verzögerungstaktik behindert würde. Hierzu war die Hoffnung geäußert worden, daß die FGF und Herr Friedrich als ehrlicher Makler in dieser Angelegenheit doch noch positiv zu reagieren wüßten, da inzwischen eine groß angelegte epidemiologische Studie in den USA und eine zweite in Form einer Krebsregisterstudie der Mobilfunknutzer in Dänemark angelaufen waren.

Die Antwort der FGF fiel diesmal etwas differenzierter, wenn auch ebenso abschlägig aus: Die Bedenken hinsichtlich des Schutzes von personenbezogenen Daten wurden plötzlich in den Vordergrund gestellt. Außerdem waren weitere Bedenken, die allerdings bei genauer Lektüre des gestellten Antrages ausgeräumt worden wären, daß

Die Nachfrage bei dem Mitglied DeTe-Mobil um Prüfung der Frage, ob eine Forschungsgruppe in den kundenbezogenen Stammdaten Einsicht nehmen dürfe, war zwar noch nicht definitiv beantwortet worden, doch hatte FGF "wenig Hoffnung, an die gewünschten Daten zu kommen".

Dabei war in dem Antrag überhaupt nicht die Rede davon, daß die FGF die Datenn erhalten sollte, denn in den Ausführungen zu dem Vorgehen war eindeutig dargestellt worden, daß die DeTe-Mobil bzw. damals noch Telekom der Post die Benutzer direkt auffordern hätten sollen, sich freiwillig an der Studie zu beteiligen, womit dem Datenschutz Genüge getan worden wäre. Eine auch nur 10%-ige Beteiligung von 800.000-C-Netz-Benutzern hätte immerhin eine Studienkohorte von 80.000 Personen ergeben. Keines der anderen Argumente war valide, das im Gegenteil der Vergleich der (weniger bedenklichen?) Autotelefone mit den handgehaltenen eine besonders wichtige Fragestellung gewesen ist. Außerdem sollte der C-Netz-Studie eine D-Netz-Studie folgen, sobald Erfahrungen vorliegen würden und ein zukünftiges Monitoring der Langzeitnutzer als erforderlich erkannt würde.

Obwohl ich angeboten hatte, zu diesen einzelnen Punkten jeweils Stellung zu nehmen, wenn mir dazu Gelegenheit gegeben würde, hörte ich nichts mehr von der FGF. Es war wohl auch kein Interesse vorhanden, was aus dem letzten Absatz des Ablehnungsschreibens vom April 1996 hervorgeht: Aufgrund dieser Ausgangslage sieht die Forschungsgemeinschaft Funk derzeit wenig Hoffnung für die Vergabe einer epidemiologischen Studie. Bitte haben Sie Verständnis, daß bei dem doch begrenzten Etat der FGF die gegenwärtige Arbeitsrichtung mehr in den "in viro" und in vitro Experimentalbereich geht. Sollte sich in nächster Zeit eine Änderung der Einstellung der FGF ergeben, werde ich Ihnen selbstverständlich umgehend eine Nachricht zukommen lassen. Bitte haben Sie Verständnis für diese Entscheidung. Wir werden aber sicherlich die internationale Szene beobachten und sind sehr interessiert an jeglicher Form von Ergebnissen.

Diese Zusage ist zumindest tröstlich und wir werden nun mit Interesse das weitere Verhalten der FGF verfolgen, d. h. ob sie die internationalen Ergebnisse auch ernst nimmt und entsprechend weitervermittelt.

Ein zehnjähriges Jubiläum sollte zumindest eine Änderung der bisher erkennbaren einseitigen Ausrichtung von Entscheidungen und Forschungsförderung erkennen lassen, sonst wäre m. A. nach wenig Grund für eine großangelegte Jubiläumsfeier. Der diesjährigen auch an mich ergangenen Einladung zu folgen erschien mir der Anlaß zu gering und der Weg zu weit.

 
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Forschung

Repacholi zu den Ergebnissen
seiner Mäusestudie

In der Juli-Ausgabe des Elektrosmog-Reports berichteten wir von den Ergebnissen der australischen Forschergruppe um Michael Repacholi, die Mäuse GSM-Mobiltelefonstrahlung ausgesetzt hatte. In einem aktuellen Interview mit dem FGF-NEWS letter bezieht Repacholi Stellung zu seinen Ergebnissen. Auf die Frage nach den Ergebnissen antwortet er: "Erstens gibt es einen signifikanten nicht-thermischen Effekt, und zweitens tritt ein epigenetischer Effekt auf. Mit anderen Worten: Die Radiowellen wirken nicht direkt auf die DNS, sondern verursachen das Wachstum der Krebszellen indirekt. Bisher verstehen wir noch nicht genau, was passiert."

Ist das Ergebnis auf den Menschen übertragbar? "Das wissen wir nicht. Lymphgewebe-Krebs ist eine seltene Krankheit. Der Großteil der Strahlung eines Mobiltelefons geht in den Kopf, nicht in den gesamten Körper. Wir können nicht sagen, daß es überhaupt keine Zusammenhänge gibt. Aber wir verstehen noch nicht, welche Zusammenhänge das sind. Darum benötigen wir nachfolgende Untersuchungen, die noch sehr viele Fragen beantworten müssen."

Welche Fragen sind das? "Erstens muß ein unabhängiges Forschungsinstitut die Ergebnisse reproduzieren. Zweitens wollen wir herausfinden, ob es eine Grenze bei der Strahlungsenergie gibt, unterhalb welcher der Effekt nicht auftritt. Drittens müssen wir mehrere verschiedene Tiermodelle untersuchen, um zu sehen, ob der Effekt dort auftritt. Erst dann können die Ergebnisse verallgemeinert werden. Viertens müssen wir untersuchen, welche Strahlungsfrequenzen den Lymphgewebe-Krebs bei den Tieren beschleunigen und welcher nicht-thermische Mechanismus ein solches Ergebnis verursacht. Schließlich müssen wir herausfinden, ob dieser Mechanismus wirklich auf den Menschen übertragen werden kann."

Werden Sie diese Forschung bei der WHO fortsetzen? "Das ist zur Zeit noch in der Diskussion."

Quelle: Sturm im Wasserglas? FGF-NEWS letter, 5. Jhrg. Nr. 3, S. 15-16, 09/97.
 
 
 
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Technik

Simulationssoftware für elektromagnetische Felder

Eine neue preisgekrönte Software ("MAFIA") soll die Feldemissionen von Elektrogeräten reduzieren, indem sie mögliche Abstrahlungen bereits in der Entwicklungsphase von Geräten simuliert und somit eine Feldminimierung während der Konstruktion ermöglicht.

Elektrische und elektronische Geräte emittieren im Betrieb elektrische und magnetische Felder. Dabei handelt es sich entweder um Feldemissionen, die lediglich als Nebenprodukt der eigentlichen Funktion anzusehen sind (z. B. Transformatoren in Elektrogeräten), oder um Feldemissionen, die die eigentliche Funktion des Gerätes darstellen (z. B. Hochfrequenzfelder von Mobiltelefonen).

Neben den möglichen biologischen Wirkungen solcher elektromagnetischen Felder spielt die gegenseitige Störung elektronischer Geräte eine immer wichtigere Rolle. Die Industrie ist durch gesetzliche Vorschriften zur Produktion störfester und strahlungsarmer Produkte verpflichtet. Seit dem 01.01.1996 müssen alle neuen Geräte, die in Europa auf den Markt gebracht werden, EMV-geprüft sein und das CE-Zeichen tragen (vgl. Elektrosmog-Report, Dezember 1995; Oktober und Dezember 1996). Vernachlässigt ein Hersteller in der Entwicklungsphase elektronischer Geräte die Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV), bezahlt er mit mehreren Redesigns, teuren Tests und Produktionsverzögerungen.

Das von der Philip Morris Stiftung ausgezeichnete Programm MAFIA (Solution of Maxwells equations by Finite Integration Algorithm) will die Feldminimierung "kostengünstiger und rationeller", aber auch "spielerischer und kreativer" machen. Für MAFIA gibt es in unserer mehr und mehr von Elektronik beherrschten Welt reichlich Anwendungsgebiete. So lassen sich die elektromagnetischen Felder von den verschiedensten Geräten visualiseren, wie z. B. die Abstrahlungen von Mobiltelefonen oder auch eines Computers durch die Lüftungsschlitze sowie die elektromagnetischen Felder von Fön, Wecker oder einer elektrischen Zahnbürste. Besonders gut gelingt die Berechnung der Feldverteilung im Kopf des Menschen beim Mobiltelefonieren; Professor Thomas Weiland: "Dabei waren unsere Berechnungen wesentlich genauer als jene, die experimentell mit einem Kunstkopf gewonnen wurden."

Neben dem Philip Morris Forschungspreis für die "Entwicklung einer bedienerfreundlichen Software zur Berechnung elektromagnetischer Felder" erhielt Weiland bereits Ehrungen von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft bis hin zum Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Der Leiter des Fachgebietes Elektromagnetische Felder an der Technischen Hochschule Darmstadt arbeitete zusammen mit über dreißig Mitarbeitern mehr als zwei Jahre an der Entwicklung. Vorversionen von MAFIA wurden bereits an über 400 Forschungslabors in über 25 Ländern gegeben und dort in etwa 1.000 Forschungsvorhaben genutzt.

Erst die marktfähige Version, die ab sofort als Unix-Version verfügbar ist (Vertrieb CSR, Darmstadt), setzt die komplizierten und bisher nur von Experten verstandenen Berechnungen so um, daß jeder Entwickler damit arbeiten kann. Die Feldanalyse eines Gerätes läßt sich transparent in den CAD-Entwurf integrieren und die Ergebnisse erscheinen nicht als Zahlenkolonnen, sondern dreidimensional am Bildschirm.

Bislang wurde die EMV mit Hilfe der Maxwellschen Gleichungen berechnet, die sich jedoch nur bedingt für praktische Lösungen eignen, da sie von einem kontinuierlichen Raum ausgehen. "Wesentlich einfacher wird die Sache", so Weiland, "wenn man den Raum in kleine Quader zerlegt und diesen mit einem regelmäßigen Gitter belegen kann". Das Programm löst die analytischen Gleichungen für jede einzelne Zelle und erzeugt mittels "Finiter Integrationstechnik" eine räumliche Abbildung. "Wollen die Hersteller die störende Wirkung elektromagnetischer Felder reduzieren, so können die Entwickler jetzt viel spielerischer an ihre Aufgabe herangehen, verschiedene Varianten durchspielen und die Auswirkungen auf die EMV direkt am Bildschirm prüfen", so Weiland.

Das Programm MAFIA zielt sicherlich primär auf die (technische) EMV, auf die Einhaltung der CE-Prüfkriterien. Darüber hinaus ist aber auch der Einsatz zur Minimierung elektromagnetischer Feldemissionen als gesundheitliche Vorsorge möglich und es bleibt zu hoffen, daß dies von den Herstellern auch genutzt wird.

Quelle: Computer Technik (c't), 09/97, S. 134.

 
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 Tagungsbericht

Melatonin und Krebs

Vom 2.-5. Oktober 1997 fand an der Universität Tübingen die dritte internationale Konferenz über die Zirbeldrüse und Krebs statt. Der Nachmittag des vierten Konferenztages widmete sich den Einflüssen elektromagnetischer Felder auf das von an der Gehirnbasis gelegenen Zirbeldrüse (Epiphyse) produzierte Neurohormon Melatonin. Es wird ein Zusammenhang zwischen Melatonin und verschiedenen Krebsarten angenommen.

Die "Third International Conference on Pineal Gland and Cancer, an interaction Involving Neuroendocrine and Neuroimmune Mechanisms" war nach 1977 und 1987 die dritte Konferenz dieser Art. Wieder konnten bekannte Referenten wie Russel J. Reiter von der Universität von Texas, R. P. Liburdy von der Universität von Kalifornien und Wolfgang Löscher von der Tierärztlichen Hochschule Hannover gewonnen werden.

Melatonin stellt einen biologischen Marker des Tag-Nacht-Rhythmus dar. In verschiedenen Studien konnte nachgewiesen werden, daß Melatonin ein wirksamer Fänger freier Radikaler, die wegen ihrer Reaktionsfreudigkeit Zellmembranen und die Erbsubstanz DNS schädigen können, ist (vgl. Elektrosmog-Report, Februar 1996). Auf der Konferenz wurde unter anderem der Einfluß einer verminderten Melatonin-Konzentration auf die Krebsentstehung und der mögliche Einsatz von Melatonin bzw. von potenten Melatonin-Agonisten in der Krebstherapie diskutiert.

In verschiedenen Studien fand sich in der Vergangenheit eine Verminderung des physiologisch starken nächtlichen Melatoninanstiegs beim Tier und beim Menschen in der Folge einer Exposition mit niederfrequenten Feldern. Dieser Effekt konnte allerdings nicht immer reproduziert werden.

Prof. Löscher stellte auf der Tagung die Ergebnisse seiner tierexperimentellen Studien zu 50-Hz-Magnetfeldern in einem Brustkrebsmodell vor. Zwischen der Intensität der EMF-Exposition und der Zunahme des Tumorbefalls bei weiblichen Ratten nach Gabe des chemischen Karzinogens DMBA bestand eine Dosis-Wirkungs-Beziehung im Bereich zwischen 1 und 100 Mikrotesla (vgl. ausführlich dazu: Elektrosmog-Report, April 1995 und November 1996).

Es wurden zwei neue Studien zum Einfluß von gepulster Hochfrequenzstrahlung vorgestellt. Joachim Röschke und Kollegen von der psychiatrischen Klinik der Universität Mainz fanden keinen Einfluß eines elektromagnetischen 900-MHz-Feldes, das mit 217 Hz niederfrequent gepulst war (0,02 mW/cm2), auf die nächtlichen Hormonprofile von Cortisol, Wachstumshormon, luteinisierendem Hormon und Melatonin. Die 24 gesunden männlichen Probanden im Alter zwischen 18 und 37 Jahren wurden in einer Nacht acht Stunden lang der Strahlung eines Mobiltelefons, das in 40 cm Entfernung vom Kopf entfernt plaziert war, ausgesetzt und in einer weiteren Nacht scheinexponiert. In 20-minütigen Abständen wurde über eine Verweilkanüle Blut abgenommen. Die Hormonprofile, wie etwa der zeitliche Verlauf der Hormon-Plasmakonzentration und die maximale Hormonkonzentration, befanden sich unter beiden Bedingungen in einem Bereich, wie sie üblicherweise bei gesunden jungen Menschen gefunden werden. Für keines der untersuchten Hormone fand sich ein relevanter Unterschied zwischen Exposition und Scheinexposition. Es fand sich ebenfalls kein Einfluß auf die Gehirnströme während des Schlafes (Vgl. auch Untersuchungen zur Beeinflussung der Schlafqualität durch gepulste HF-Strahlung durch die gleiche Arbeitsgruppe, Elektrosmog-Report, August 1996).

Forscher der umweltmedizinischen Institute der Universitäten Mainz und Hamburg sowie dem anatomischen Institut der Universität Mainz (D. Jung et al.) fanden unter der gleichen Strahlungsfrequenz und einer Exposition, "gut vergleichbar der einer durch tragbare Telephone produzierten" EMF-Intensität, keinen Einfluß auf hormonelle und einen Immunparameter. Acht männliche Probanden im Alter zwischen 20 und 30 Jahren wurden jeweils 4 Stunden am Tag (12-16 Uhr) und 4 Stunden in der Nacht (22-2 Uhr) exponiert bzw. scheinexponiert. Vor, während und bis zu 30 Stunden nach der Exposition wurden Speichelproben zur Analyse der Konzentrationen von Melatonin, Cortisol, Neopterin und Speichel-IgA entnommen. Es fanden sich keine Unterschiede zwischen Exposition und Scheinexposition. Weitere Experimente dieser Arbeitsgruppe mit höheren Strahlungsintensitäten, mit Personen verschiedenen Alters und Geschlechts sowie mit Elektrosensiblen befinden sich in Vorbereitung.

Quellen:

 
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Verbraucherschutz
Abstand halten vom Radiowecker

In der Oktoberausgabe berichtet die Zeitschrift "ÖKO-TEST-Magazin" über die elektrischen und magnetischen Feldabgaben netzgetriebener Radiowecker. Die Zeitschrift ließ 18 Radiowecker untersuchen. Alle Geräte erhielten von ÖKO-TEST die Einstufung "nicht empfehlenswert", "weil sie stärkere elektrische und magnetische Wechselfelder abgeben als strahlungsarme Computer bildschirme nach der schwedischen TCO-Richtlinie".

Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse aber, daß man sich vor den Feldern der Radiowecker durch das Einhalten (nicht übertriebener) Abstände leicht schützen kann. Die Tabelle zeigt die magnetischen und elektrischen Felder in verschiedenen Abständen bei jeweils besten und schlechtesten Gerät.

Tabelle: Elektrische und magnetische Felder (50 Hz) von Radioweckern
Abstand
Elektrisches Feld 
(Volt/Meter)
Magnetisches Feld (Mikrotesla)
bestes
Gerät 
schlechtestes
bestes
Gerät 
schlechtestes
10 cm
290
600
2
7,5
20 cm
140
260
0,4
1,5
30 cm
95
150
0,14
0,52
50 cm
50
75
0,02
0,13
100 cm
12
20
< 0,01
Zum Vergleich: Kritische Institute wie ECOLOG oder nova nennen Vorsorgerichtwerte für 50-Hz-Magnetfelder von 0,2 bis 0,4 Mikrotesla, die alle Radiowecker im Abstand von 50 cm einhalten. Empfehlungen für elektrische Felder sind uneinheitlicher und liegen meist in der Größenordnung von 10 bis 20 V/m. Diese Werte werden in 1 m Abstand recht sicher eingehalten.

Quelle: Radiowecker: Morgenstund' hat Volt im Mund. In: ÖKO-TEST-Magazin, 10/97.
 
 
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Kurzmitteilungen

Neues EMV-Zentrum des Fraunhoferinstituts

Am 8. Juli 1997 eröffnete das Fraunhofer-IITB seine Absorberhalle für EMV-Prüfungen. Bereits seit 1995 bietet das Karlsruher Fraunhofer-Institut für Informations- und Datenverarbeitung IITB akkreditierte Testdienste zur CE-Kennzeichnung von Produkten an. Mit der Eröffnung seiner neuen Absorberhalle erweitert das IITB nun seine Möglichkeiten und bietet Unternehmen künftig einen Komplettservice von der fachlichen Beratung schon während der Produktentwicklung bis hin zu EMV-Tests an.

Ein Schwerpunkt des Fraunhofer-IITB werden auch die Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf "biologische Systeme" sein.

In Seminaren und Workshops wird Wissen zu Vorschriften, zur Gesetzeslage, zu technischen Richtlinien und Empfehlungen und nicht zuletzt zu konstruktiven Maßnahmen vermittelt.

Quelle: emc-Journal, Heft 3, S. 17, 1997.

Kleiner Leitfaden zur Elektrosensibilität

Der Selbsthilfeverein für Elektrosensible e.V. hat einen "Kleinen Leitfaden zur Elektrosensibilität" herausgebracht, der auf 21 Seiten einen leicht verständlichen und umfassenden Überblick über die Elektrosmog-Problematik aus der Sicht des Selbsthilfevereins gibt. Das komplexe Phänomen Elektrosensibilität wird basierend auf jahrelangen Erfahrungen anhand eines "Belastungs-Sechsecks" in den Kontext mit anderen Belastungen wie z. B. Schwermetallen gesetzt. Breiten Raum nehmen Hilfsmaßnahmen für Elektrosensible ein, wie z. B. Zahnsanierung, Entgiftung von chemischen Substanzen oder Stärkung des Immunsystems. Büchertips und Adressen schließen den Leitfaden ab.

Kontakt (neue Adresse!): Selbsthilfeverein für Elektrosensible e.V. im Gesundheitshaus der Stadt München, Zimmer U3, Dachauer Str. 90, 80335 München, Tel. und Fax: (089) 5207-201. Bürozeiten: Di und Do. 9-12 Uhr.

Elektrosmog - Video

Der Bioelektrik Umweltservice aus Frankfurt präsentiert eine "Aufklärungs-Videokassette mit aktuellsten Elektrosmog-Nachrichten und Forschungsergebnissen". Das Video besteht zum großen Teil aus Interviews mit führenden deutschen Elektrosmog-Experten und - Forschern, wie z. B. Prof. Dr. Wolfgang Löscher (TH Hannover) oder Prof. Dr. U. Warnke (Universität des Saarlandes). Die Intervies sind oft Ausschnitte aus Fernsehsendungen, wie "Frontal", "Wiso", "Hitech" und "Wissenschaft im Kreuzverhör". Das Video gibt einen guten Überblick über die aktuelle Elektrosmog-Debatte in Deutschland, wobei der Schwerpunkt auf einer kritischen Sicht der Dinge liegt. Auch der Elektrosmog-Report findet gebührend Erwähnung.

Bezugsadresse: G.I.P. Bioelektrik Umweltservice, Pfortengartenweg 16, 65931 Frankfurt, Tel.: 069-364340, Fax: 069-364310. Preis: 39 DM plus 10,90 DM Porto und Nachnahme.

Ratschläge für den
Elektrosmog-Alltag

Dipl.-Ing. Werner Schaper, Elektrosmog-Berater der Verbraucherzentrale Hamburg und bestens bekannt durch seine zahlreichen Beiträge im Elektrosmog-Report hat seine Erfahrungen aus der Meßpraxis unter dem Titel "Elektrosmog, Dipl.-Ing. Werner Schaper gibt Ratschläge für den Alltag" zusammengestellt. Auf 27 Seiten geht es um Belastungen durch die Bundesbahn, Mikrowellenherde, elektrische Fußbodenheizung und vieles mehr. Der Anhang bietet Basisfakten zu Physik und Grenzwerten.

Bezugsadresse: Umweltbüro Werner Schaper, Biehlweg 3, 22049 Hamburg, Tel. und Fax: 040 - 695 03 12. Preis: 15 DM in Briefmarken.

Neue Produkte

Das LBU Labor Jäger stellt die neue Abschirmfarbe A 301 vor. Es handelt sich um einen elektrisch leitfähigen Spezialanstrich, der zur Abschirmung elektrischer Wechselfelder und HF-Felder eingesetzt werden kann und nach Herstellerangaben auch bauökologischen Anforderungen weitgehend genügt. Der erforderliche Erdanschluß sollte dabei von einem Elektroinstallateur ausgeführt werden. LBU Labor Jäger, Am Wembach 6, 64354 Reinheim, Tel.: 06162 - 1400, Fax: 06161 - 1479.

Die Firma ROM-Elektronik GmbH präsentiert den neuen HF-Strahlungsdetektor PDM-2. Laut Herstellerangaben ist das PDM-2 ein fortschrittliches Hochfrequenzleistungsmeßgerät mit logarithmisch periodischer Breitbandantenne zum Messen der Strahlungsdichte im Frequenzbereich 250 MHz bis 2,5 GHz, je nach verwendeter Antenne. Die hohe Empfindlichkeit (< 10 mW/m2) ermöglicht Messungen von C-, D- und E-Netz-Emissionen auch innerhalb von Gebäuden. Ebenso können Mikrowellenherde geprüft werden. ROM-Elektronik GmbH, Grasiger Weg 12, 86488 Nattenhausen, Tel.: 08282 - 7385, Fax 08282 - 7305.
 
 
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Veranstaltungshinsweis

4. und 18. Dezember 1997, München bzw. Wien

EMVU für den Funktechniker

Referenten: Dipl.-Ing. Matthias Wuschek, Universität der Bundeswehr München, und Dipl.-Ing. Reinhold Krüger, Rohde & Schwarz

Themen: Das Seminar richtet sich an die Funktechniker, die ihr Wissen auf dem Gebiet EMVU erweitern möchten: Kritische Punkte der Funktechnik, generelle Probleme der Exposition nieder- und hochfrequenter Signale, Argumente der Gegner und Befürworter.

Zielgruppe: Ingenieure und Techniker aus dem Bereich Funk.

Kosten: 820 DM

Veranstalter und Kontakt: Rohde & Schwarz, Telefon-Hotline: 089 - 4129 - 3051, Fax: 089 - 4129 - 3335 bzw. in Österreich: Tel.: +43-222-6026141-0, Fax: +43-222-6026141-14.
 
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