Elektrosmog-Report
5. Jahrgang / Nr. 8
August 1999
zur Inhaltsangabe
Inhalt:
Epidemiologie-Elektromagnetische Felder und Krebs
Vermeidbare Krebsursachen
Kinderleukämie
Erwachsenenleukämie
Hirntumore
Brustkrebs
Prostatakrebs
Verschiedene Krebsarten
Grundlagenforschung
Methodik der Risikoabschätzung
Politik - Workshop Elektrosmog im Umweltministerium
Epidemiologie
Elektromagnetische Felder und Krebs
Das US-amerikanische Nationale Institut für
Umweltwissenschaften stellte Mitte Juni 1999 einen Bericht vor, nach dem die
bisherige Forschung wenig hartes Beweismaterial für einen ursächlichen
Zusammenhang zwischen niederfrequenten elektromagnetischen Feldern von
Stromleitungen und Krebs ergeben habe. Einige Bedenken würden jedoch bleiben.
Bemühungen um Reduzierungen der menschlichen Exposition durch EMF sollten daher
fortgeführt werden. Die Redaktion des Elektrosmog-Reports hat diesen Bericht zum
Anlass genommen, die Studienergebnisse und Untersuchungen der vergangenen 1,5
Jahre zur Assoziation zwischen nieder- und hochfrequenten EMF und Krebs
vorzustellen.
"Nahezu alle Laborbefunde mit Tieren und Menschen und die
meisten der Zellstudien scheitern an der Unterstützung eines kausalen
Zusammenhangs," heißt es in dem Bericht des Nationalen Instituts für
Umweltwissenschaften (NIEHS), einer Abteilung der Nationalen Institute für
Gesundheit (NIH), an den amerikanischen Kongress (NIEHS 1999). "NIEHS ist der
Ansicht, dass die Wahrscheinlichkeit, EMF sei tatsächlich ein gesundheitliches
Risiko, zur Zeit klein ist."
Allerdings habe es einige statistische
Zusammenhänge zwischen EMF und Kinderleukämie sowie chronisch lymphatischer
Leukämie bei beruflich exponierten Erwachsenen gegeben. Die Forschung
hinsichtlich dieser "anhaltenden Bedenken" werde fortgeführt und Bemühungen zur
Reduzierung der menschlichen EMF-Belastung sollten nicht eingestellt
werden.
Bereits vor einem Jahr hatte ein
Expertenkomitee der Nationalen Institute für Gesundheit mit 19 zu 9 Stimmen die
Ansicht vertreten, dass elektromagnetische Felder als "mögliches menschliches
Karzinogen" betrachtet werden sollten.
Vermeidbare Krebsursachen
Bei der Betrachtung von Krebsursachen lassen
sich vermeidbare und nicht vermeidbare Ursachen (z. B. genetische Einflüsse)
unterscheiden. R. Doll aus Oxford stellte in einer aktuellen Übersicht
vermeidbare Krebsursachen vor und schätzte ihren jeweiligen Beitrag zur
Gesamtheit der vermeidbaren Ursachen (Doll 1998). Rauchen sei mit einem Anteil
von 29 bis 31 Prozent der wichtigste Faktor, gefolgt von Ernährungsfaktoren
(20-50%). Weitere wichtige Faktoren seien Infektionen mit Parasiten, Bakterien
und Viren (10-20%), Alkoholkonsum (4-6%), Arbeitsplatzfaktoren (2-4%),
Sexualhormone (10-20%) und Umweltverschmutzung (1-5%). Natürliche und künstliche
Strahlung sei mit 5 bis 7 Prozent an den vermeidbaren Ursachen beteiligt. Die
weitaus größte Bedeutung besitze dabei die ionisierende Strahlung (z. B.
Röntgenstrahlung) und die Erhöhung der Hautkrebsrate durch die natürliche
UV-Strahlung. Der Beitrag elektromagnetischer Felder sei dagegen gering und die
Datenlage unsicher. Es gebe Hinweise auf eine Zunahme des Risikos bei einigen
Krebsarten wie Leukämien und Hirntumoren.
Kinderleukämie
Die epidemiologische Forschung zum Thema Kinderleukämie
wird in Deutschland unter der Leitung von Jörg Michaelis fortgeführt. Auch Japan
will sich erstmals in dieser Frage engagieren. Die japanische Regierung hat
Gelder für eine dreijährige epidemiologische Studie unter der Leitung von
Michinori Kabuto vom Nationalen Institut für Umweltstudien in Ibaraki
bereitgestellt.
Vier Studien sind in den vergangenen Monaten erschienen, zwei
epidemiologische Untersuchungen aus Kanada und eine aus Großbritannien sowie
eine Metaanalyse.
In einer kanadischen Studie mit
399 an Leukämie erkranken Kindern ergaben sich keine erhöhten relativen Risiken
für die stärker EMF-belasteten Kinder, weder für die akute lymphatische Leukämie
(ALL) noch für alle Leukämien zusammen (McBride 1999). Es wurden eine Anzahl
möglicher EMF-Messgrößen für den Vergleich mit gesunden Kontrollen verwendet,
darunter 48-Stunden-Messungen mit Personendosimetern, 24-Stunden-Messungen in
den Kinderzimmern sowie Verkabelungs-Codes.
In der zweiten Studie von Lois Green und Mitarbeitern
von der Universität von Toronto mit 201 leukämiekranken Kindern unter 14 Jahren
und 406 Kontrollen, publiziert im International Journal of Cancer und in Cancer
Causes and Control, fand sich jedoch eine Assoziation zwischen EMF in der
Wohnung und der Krebshäufigkeit (AP vom 16. Juni 1999, Reuters vom 15. Juni
1999). Die stärker exponierten Kinder wiesen ein zwei- bis vierfach erhöhtes
Risiko auf als geringer exponierte. "Wurden die Methoden zur Abschätzung der
Exposition verfeinert, so fanden wir, dass der Zusammenhang zwischen
magnetischen Feldern und dem Risiko, eine kindliche Leukämie zu entwickeln,
stärker wurde, besonders bei Kindern, die in einem jüngeren Alter diagnostiziert
wurden," erklärte Green in einer Stellungnahme.
Britische Wissenschaftler der Universität Birmingham
fanden keinen Hinweis darauf, dass eine stärkere berufliche EMF-Belastung von
Frauen einen Einfluss auf die Leukämierate ihrer Kinder hatte (Sorahan 1999).
Dazu wurden die Berufe von Müttern, deren Kinder zwischen 1953 und 1981 in
Großbritannien an Krebs gestorben waren - insgesamt 15.041 -, hinsichtlich ihrer
vermuteten EMF-Exposition in fünf Klassen eingeteilt. Auch andere Krebsarten
wiesen keine Abhängigkeit von der geschätzten EMF-Exposition der Mütter
auf.
Daniel Wartenberg von der Universität von New Jersey in
Piscataway identifizierte in seiner detaillierten Metaanalyse "ein konsistentes
Risiko, das nicht durch eine zufällige Variation erklärt werden kann"
(Wartenberg 1998). Insgesamt wurden 16 Studien über den Zusammenhang häuslicher
EMF und Kinderleukämie in seine Analyse aufgenommen. Die Resultate seien bei
Verwendung von Verkabelungscodes, von Entfernungen oder der historisch
rekonstruierten EMF-Belastung relativ konstant, homogen und positiv, während die
Ergebnisse für direkte Messungen der magnetischen Felder konsistent, homogen und
sogar leicht schützend seien. Wartenberg nimmt an, dass Studien mit innovativer
Methodik, die sich auf hochbelastete Kinder konzentrieren, am ehesten Aussicht
auf "Entwirrung der Thematik" böten.
Erwachsenenleukämie
Wissenschaftler der Universität Turin führten
eine 4.237 Arbeiter einschließende Mortalitätsstudie durch (Pira 1999). Mit
Hilfe einer Job-Expositions-Matrix sollte der Einfluss verschiedener Karzinogene
auf die Mortalität untersucht werden. Es wurden keine Fälle von Leukämie bei
Arbeitern gefunden, bei denen eine vergleichsweise hohe EMF-Exposition
angenommen wurde.
Hirntumore
Einige jüngere epidemiologische
Untersuchungen haben sich erneut mit dem Zusammenhang zwischen EMF und
bösartigen Erkrankungen des Gehirns beschäftigt. Erstmals wurde auch der
Einfluss von Handy-Strahlung auf die Tumorrate untersucht. Bisher gab es nur
Untersuchungen zum Zusammenhang von Hirnkrebs und anderen Quellen hochfrequenter
Felder, wie beispielsweise Radio- und Fernsehsender oder militärische
Radaranlagen, mit gelegentlichen und inkonsistenten Hinweisen auf eine leicht
erhöhte Krebsrate.
a) Hirntumore und Hochfrequenz
Die Zeitschrift Microwave News berichtete in Ihrer
jüngsten Ausgabe von einer schwedischen und einer amerikanischen Studie über den
Einfluss einer Mobiltelefonnutzung auf die Entstehung von Hirntumoren. Beide
Studien sind bisher noch nicht in einer Fachzeitschrift publiziert. Die
Ergebnisse deuten an, dass Handy-Nutzer möglicherweise etwas häufiger einen
Hirntumor auf der Seite entwickeln, auf der sie auch ihr Handy verwenden.
Allerdings war das Gesamtrisiko für die Entwicklung eines Tumors auf der linken
oder rechten Seite nicht erhöht.
"Ein erhöhtes Risiko wurde sowohl für
links- als auch für rechtsseitige Tumoren gefunden," heißt es in dem Manuskript
von Lennart Hardell aus Örebo/Schweden, das zur Publikation im International
Journal of Oncology angenommen wurde. Allerdings erreichten die erhöhten Risiken
von 2,45 für die rechte Seite und 2,40 für die linke Seite keine statistische
Signifikanz und die Untersuchung basierte auf kleinen Zahlen von 209 Fällen und
425 Kontrollen. Hardell rät daher zu einer zurückhaltenden Interpretation seiner
Befunde, empfiehlt jedoch andererseits das Prinzip der vernünftigen Vermeidung
("prudent avoidance"): "Ich denke, dass es notwendig ist, bis zu einer Lösung
dieses Problems etwas vorsichtig zu sein und die Exposition zu reduzieren."
Joshua Muscat von der American Health Foundation in New York führte eine
ähnliche, ebenfalls bisher noch nicht veröffentlichte Analyse durch. Auch er
fand beim Vergleich von 466 Hirnkrebsfällen und 420 Kontrollen kein insgesamt
erhöhtes Hirntumorrisiko, jedoch eine Korrelation zwischen Tumorseite und der
Seite, in der das Handy gehalten wurde. Das gleiche Risiko bestand jedoch auch
für normale Telefone. Muscat erklärte gegenüber Microwave News, dass es
"Inkonsistenzen" in seinen Daten gebe und seine Analyse noch nicht abgeschlossen
sei.
Eine weitere epidemiologische Studie aus Dänemark über
einen möglichen Zusammenhang zwischen Krebs und Mobiltelefonen befindet sich
ebenfalls noch in der Auswertung. Dabei werden Daten von 550.000 Handy-Nutzern
von Christoffer Johansen und Kollegen aus Kopenhagen analysiert. Hardell
arbeitet zur Zeit an einer Nachfolgestudie mit 1.500 Fällen. Zudem befindet sich
eine internationale epidemiologische Studie der Internationalen Agentur für
Krebsforschung in Lyon (Frankreich) in Vorbereitung, bei der Hardell der
wichtigste Mitarbeiter in Schweden ist. Mit Ergebnissen wird in den Jahren 2003
oder 2004 gerechnet.
b) Hirntumore und Niederfrequenz
Ylva Rodvall vom Karolinska Institut in
Stockholm (Schweden) und Kollegen fanden in einer Fall-Kontrollstudie "etwas
Unterstützung für die Hypothese, dass Magnetfeldexposition eine Bedeutung bei
der Entwicklung von Hirntumoren spielen könnte" (Rodvall 1998). Sie verglichen
104 Fälle von Hirntumoren (84 Gliome und 20 Meningeome) mit 155 Kontrollen.
Dabei wurde mit Hilfe dreier Methoden der Abschätzung der vermuteten
EMF-Belastung vor allem die berufliche Belastung mit niederfrequenten Feldern
berücksichtigt:
- Ein Vergleich anhand sogenannter "elektrischer
Berufe" (Elektriker, elektronische Techniker, Schweißer, Radio- und
Fernsehtechniker etc.), wie sie von einem früheren Autor verwendet worden war
(S. Milham), ergab keine Auffälligkeiten.
- Ein Vergleich anhand der Expositionsschätzungen durch
einen Elektrotechniker ergab ein relatives Risiko von 1,6 für die Entwicklung
eines Glioms und ein Risiko von 2,1 für die Entwicklung eines Meningeoms bei
einer vermutet hohen EMF-Exposition. Beide Zunahmen waren jedoch statistisch
nicht signifikant.
- Ein Vergleich anhand einer Job-Expositionsmatrix, die
aufgrund von Messungen bei einer früheren schwedischen Fall-Kontroll-Studie
entwickelt worden war, ergab ein erhöhtes Risiko von 1,9 für die Entwicklung
eines Glioms und ein Risiko von 1,4 für die Entwicklung eines Meningeoms bei
Personen, die jemals in Berufen mit einer geschätzten Exposition von größer
0,4 Mikrotesla beschäftigt waren. Auch hier war die Zunahme statistisch nicht
signifikant.
Angesichts dieser Ergebnisse betonen Rodvall und
Kollegen die Bedeutung der angewandten Methodik zur
Expositionsabschätzung.
Dana Loomis und Kollegen von der Universität von Nord
Carolina in Chapel Hill bestätigten unter Anwendung einer neuen Analysemethode
frühere Ergebnisse, nach denen beruflich stark EMF-exponierte Personen ein
leicht erhöhtes Hirnkrebsrisiko aufwiesen (Loomis 1998). Sie untersuchten wie
Rodvall und Mitarbeiter den Einfluss methodischer Faktoren auf die Berechnung
des Krebsrisikos. Unter Heranziehung von Daten einer von ihnen selbst
durchgeführten Studie wendeten sie für eine neue Analyse alternative Modelle für
die Abschätzung der Intensität der historischen Exposition sowie alternative
Cut-points für die Einteilung der Exposition an. Mit den neuen Modellen wiesen
die meisten exponierten Arbeiter ein erhöhtes Hirnkrebsrisiko zwischen 1,3 und
3,4 auf, was gut mit den Resultaten der früheren Analyse übereinstimmte.
In einer amerikanischen Studie zur Bedeutung verschiedener
Arbeitsplatzrisiken für die Entwicklung von Krebsarten des zentralen
Nervensystems war die EMF-Belastung am Arbeitsplatz nicht mit der
Krebshäufigkeit assoziiert (Cocco 1998). Die Studie umfasste 28.416 Fälle und
113.664 Kontrollen, die aus 4,5 Millionen Todesfällen in 24 US-Staaten
ausgewählt worden waren.
Brustkrebs
Patricia Coogan und Ann Aschengrau von der Universität
für öffentliche Gesundheit in Boston fanden keinen Zusammenhang zwischen der
Brustkrebshäufigkeit und EMF (Coogan 1998). Sie verglichen 259 Patientinnen mit
738 nicht erkrankte Kontrollen. Es traten keine Auffälligkeiten hinsichtlich
einer möglichen beruflichen EMF-Belastung oder einer möglichen erhöhten
häuslichen Exposition durch die Benutzung elektrischer Heizdecken auf. Personen,
die weniger als 150 Meter von Hochspannungsleitungen entfernt lebten, wiesen ein
um 50 Prozent erhöhtes Krebsrisiko auf, was allerdings statistisch nicht
signifikant war (95%-KI: 0,6-3,3).
In der
Elektrosmog-Report-Ausgabe vom Februar 1999 hatten wir im Zusammenhang mit der
jüngeren Melatonin-Forschung bereits auf zwei weitere Studien aus dem Jahre 1998
hingewiesen, eine Studie von Maria Feychting und Kollegen, die ein leicht
erhöhtes Brustkrebsrisiko bei Östrogenrezeptor-positiven älteren Frauen gefunden
hatten, sowie die Studie von Marilie D. Gammon und Kollegen, die keinen Einfluss
der Verwendung von Wasserbetten und elektrischen Heizdecken auf die
Brustkrebshäufigkeit ermittelten.
Prostatakrebs
Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule in
Nashville untersuchten den Einfluss von elektrischen Heizdecken und geheizten
Wasserbetten auf die Häufigkeit von Prostatakrebs (Zhu 1999). Ein Vergleich von
175 Fällen mit 258 Kontrollen ergab ein leicht erhöhtes Risiko von 1,4 für die
Verwendung dieser elektrischen Geräte, was allerdings statistisch nicht
signifikant war (95%-KI: 0,9-2,2). Zudem fand sich keine Beziehung zur Dauer der
Anwendung.
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Verschiedene Krebsarten
In einer brasilianischen Studie wurde der Grund einer
Krebshäufung unter jungen Indianern untersucht (Koifman 1998). Sie lebten in
einem Dorf am Amazonas in der Nähe einer Hochspannungsleitung (500 kV), die zu
einer niederfrequenten EMF-Belastung der Dorfbewohner bis zu 9,5 Mikrotesla
führte. Neben den EMF kamen möglicherweise auch Umweltgifte für die Krebshäufung
in Frage.
In einer holländischen Studie wurde der Zusammenhang zwischen der
Krebsinzidenz in der Stadt Odijk in den Jahren 1985 bis 1999 und einer in den
fünziger Jahren verlegten Hochspannungsleitung untersucht (Hady 1998). Es wurde
keine Häufung ermittelt.
In einer dänischen Kohorten-Studie mit 30.006
Beschäftigten von Zuliefererbetrieben fand sich kein Zusammenhang zwischen der
Krebshäufigkeit und einer vermuteten stärkeren EMF-Belastung (Johansen
1999).
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Grundlagenforschung
Wissenschaftler der Universität von
Nord-Carolina untersuchten den Einfluss eines kontinuierlichen niederfrequenten
EMF-Feldes von 100 Mikrotesla auf verschiedene Zellarten - Krebszellen von
Eierstock, Prostata und Gebärmutterschleimhaut sowie Stützzellen der Gebärmutter
und Epithelzellen des Eierstocks (Watson 1998). Ergebnis: Das elektromagnetische
Feld verstärkte das Wachstum von zwei Prostata- und drei
Gebärmutterschleimhaut-Krebszelllinien, aber nur von einer
Eierstock-Krebszelllinie. EMF verstärkte die Stoffwechselaktivität der
Krebszellen und deren absolute Zellzahl, als Hinweis auf einen möglichen
tumorpromovierenden Effekt.
Methodik der Risikoabschätzung
Joyce McCann und Kollegen vom Electric Power
Research Institute in Palo Alto untersuchten die theoretischen Anforderungen an
eine Abschätzung des Einflusses niederfrequenter elektromagnetischer Feldern auf
die Krebshäufigkeit. Sie gelangen zu folgenden Empfehlungen:
- Die Risikoabschätzung sollte als iterativer Prozess
betrachtet werden, der zu einem allumfassenden Urteil gelangt und positive und
negative Daten, tumorbezogene und andere Endpunkte, sowie menschliche und
nicht menschliche Quellen für Informationen umfasst.
- Die Risikoabschätzung sollte sich sowohl auf
Resultate von Tieruntersuchungen unter definierten Bedingungen als auch auf
epidemiologische Studien beziehen.
- Die Möglichkeit von altersabhängigen Unterschieden in
der Empfindlichkeit gegenüber EMF sollte berücksichtigt werden.
- Der fehlende Beweis für eine Dosisabhängigkeit und
eine fehlende Reaktivität der Erbsubstanz DNS führe zur Annahme, dass ein
Sicherheitsfaktor angemessen erscheint.
- Eine EMF-Risikoabschätzung sollte zumindest
vorläufige Schlussfolgerungen hinsichtlich des Krebsrisikos ermöglichen und
das wissenschaftliche Vorgehen zur Gewinnung noch fehlender Antworten
festlegen.
Schlussfolgerung
Kinderleukämie und
Hirnkrebs zählen zu den bösartigen Erkrankungen, die im Zusammenhang mit EMF
immer wieder auffällig werden. Jedoch bleiben die Befunde widersprüchlich. Man
darf hier insbesondere auf die Ergebnisse weiterer Forschung über den Einfluss
von Handy-Strahlung gespannt sein. Auch Östrogenrezeptor-positive
Brustkrebsformen sind möglicherweise betroffen, wenn es um einen Einfluss
magnetischer Felder geht.
Neben wenigen neuen epidemiologischen Studien
wurden in den vergangenen Monaten methodische Fragen der Expositions- und
Risikoabschätzung untersucht. Der Einfluss elektromagnetischer Felder auf die
Krebshäufigkeit ist danach - soweit er tatsächlich besteht - im Vergleich mit
anderen Einflussfaktoren sicherlich gering. Da EMF jedoch die gesamte
Bevölkerung betriftt, wäre auch ein kleiner Effekt von Bedeutung, insbesondere
bei einer häufigen Krebsart wie dem Brustkrebs.
Ein Beispiel aus einem
anderen Forschungsgebiet kann die Relevanz gering erhöhter Risiken
unterstreichen. So führten Forscher der Universität von New Orleans jüngst eine
Metaanalyse 18 epidemiologischer Studien zum Zusammenhang zwischen dem
Passivrauchen und der koronaren Herzkrankheit durch (He 1999). Sie ermittelten
ein um den Faktor 1,25 erhöhtes Risiko gegenüber nicht exponierten
Nichtrauchern. In einem Kommentar im Deutschen Ärzteblatt vom 30. Juli 1999
heißt es dazu: "Auch wenn Passivrauchen nur zu einem geringfügigen Risikoanstieg
für eine koronare Herzkrankheit führt, sollten die Daten bei der hohen Prävalanz
[Häufigkeit] des Zigarettenrauchens doch Konsequenzen im Gesundheitssystem nach
sich ziehen."
Bis zur weiteren Klärung unbeantworteter
Fragen sollten daher weiterhin wirtschaftlich vertretbare Bemühungen zur
Minimierung der Exposition mit elektromagnetischen Feldern unternommen werden.
Der Vorsorgeaspekt sollte außerdem bei regulatorischen Maßnahmen berücksichtigt
werden.
Dr. med. Franjo Grotenhermen
Redaktion Elektrosmog-Report
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Politik
Workshop
Elektrosmog im UmweltministeriumAm 19. und 20. Oktober veranstaltet das
Bundesministerium für Umwelt in Bonn einen Workshop zum Thema Elektrosmog, auf
dem unter anderem die Entwürfe von zwei neuen Verordnungen diskutiert werden
sollen. Der "Bundesverband gegen Elektrosmog e.V." möchte die Entwürfe im
Vorfeld diskutieren und das weitere Vorgehen koordinieren, damit der kritische
Ansatz nicht durch "viele verschiedene Vorschläge" unnötig geschwächt
wird.
Kontakt: Bundesverband gegen Elektrosmog e.V., politische
Sprecherin Dr. Birgit Stöcker, Herzog-Arnulf-Str. 43, 85604 Zorneding, Tel.:
08106-20220 oder 089-23 33 75 01.
Veranstaltungshinweis
16.09.1999: Elektrosmog - Elektrische und
magnetische Felder, Karsdorf/Unstrut
Themen: Verordnung über elektrische und magnetische
Felder (26. BImSchV), Berechnungsgrundlagen, Messung der Feldstärke,
Auswirkungen auf die Schutzgüter, Verminderung und Vermeidung der Belastung
durch elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder sowie
elektromagnetische Strahlung.
Ort: Hotel Trias, 06642 Karsdorf/Unstrut
Teilnahmegebühr: 95,00 DM
Veranstalter:Umweltbildungszentrum Saale-Unstrut e.V.
Nebra, Schloßhof 3, 06442 Nebra, Tel. 034461 22089, Fax 034461 22090, E-Mail: ubz@ubz-nebra.de.
Impressum – Elektrosmog-Report im Strahlentelex
Erscheinungsweise: monatlich im Abonnement mit dem Strahlentelex
Verlag und Bezug:
Thomas Dersee, Strahlentelex, Rauxeler Weg 6, D-13507 Berlin, ( + Fax 030 / 435 28 40.
Jahresabo: 98,- DM.
Herausgeber und Redaktion:
nova-Institut für
politische und ökologische Innovation, Hürth
Michael Karus
(Dipl.-Phys.) (V.i.S.d.P.), Dr. med. Franjo Grotenhermen, Dr. rer. nat. Peter
Nießen (Dipl.-Phys).
Kontakt: nova-Institut GmbH, Abteilung Elektrosmog,
Goldenbergst. 2, 50354 Hürth, ( 02233 / 94 36 84, Fax: / 94 36 83
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Layout: Bernhard Harrer Wissenstransfer 1999-2001 eMail:webmeister@datadiwan.de