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Das Online-Magazin
des DATADIWAN
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Ausgabe Nr. 2 / November 1998 - ISSN 1435-1560
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Statement von Dr. C. Schnürer
Monophasische Prospektive Einzelfallstudie
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Autor: |
Dr. Christof Schnürer |
Keywords: |
Methodologie, Methodology, monophasische prospektive Einzelfallstudie,
single-case studies, Wirksamkeitsnachweis, Naturheilkunde, Naturopathy,
unkonventionelle Therapierichtungen, randomisierte placebokontrollierte
Doppelblindstudie, Golden Standard, klinischer Versuch |
Abstract: |
Studiendesigns sind so zu gestalten, daß kein Konflikt zwischen Behandlungs- und Forschungsinteresse entstehen kann und in den normalen Therapieablauf nicht eingegriffen wird. |
Copyright: |
Patienteninformation für Naturheilkunde
e.V., Berlin 1998 |
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Statements
Wissenschaftliche Aussagen sind nur im Kontext der ihnen zu Grunde liegenden
Grundannahmen (Axiome, Paradigmen) zulässig. In einem Diskurs über
wissenschaftliche Nachweismethoden zur Wirksamkeit von therapeutischen
Interventionen müssen deshalb zunächst die Grundannahmen besprochen
werden.
Die vorliegenden Ausführungen sind der Versuch, diese zu diskutieren
und, ausgehend vom gegenwärtigen „Golden standard" - dem "kontrollierten
klinischen Versuch" - die Bedingungen für Einzelfallanalysen beispielhaft
für die anthroposophische Heilweise anzudeuten.
Der "klinische Versuch" hat wissenschaftliche Aussagekraft nur im Kontext
eines bestimmten Menschen- und Weitbildes. Damit ist er, trotz aller gegenteiligen
Behauptungen, keineswegs wertfrei.
Die wichtigsten Annahmen sind:
-
Der Mensch ist atomar-molekular determiniert (Substanzdeterminismus).
-
Die Biographie (phylo- und ontogenetisch) ist Folge einer zufälligen
Entwicklung (Zufallsparadigma).
-
In diesem Sinne ist die Entwicklung nicht auf Ziele hin ausgerichtet, sie
ist keinem erkennbaren Sinn unterliegend ("Sinnlosigkeitsparadigma"). Ersatzweise
- wenn es denn doch einen Sinn gibt - muß diese Frage dem Glauben
überlassen und so außerhalb wissenschaftlicher Fragestellungen
bleiben („Cartesischer Schnitt"), da sie jenseits menschlicher Erkenntnismöglichkeiten
liegt (Grenzparadigma).
-
Wissenschaftliche Aussagen sind in Maß und Zahl auszudrücken
und nur durch das naturwissenschaftlich formalisierte Experiment valide.
Der kontrollierte klinische Versuch leitet daraus methodisch nachfolgende
Zusatzannahmen und Bedingungen (paradigmatisch) ab:
-
Interventionszusammenhänge in der angewandten Medizin lassen sich
im Experiment, d.h. in einer künstlich veränderten Beziehung
zwischen Arzt und Patient, klären.
-
Das Experiment ist in der Lage, ein mehrdimensionales, komplex vernetztes,
nach außen offenes System (Patient/Umfeld/Arzt) in ein geschlossenes
System mit einer eindimensionalen Ursache - Wirkungsbeziehung zu verwandeln.
Dabei gilt:
-
Die Substanz an sich (siehe Substanzdeterminismus) ist das Heilmittel,
das Arzt-Patientenverhältnis ist - im Sinne der Erkenntnis - eine
Störgröße (Placeboparadigma), die sowohl durch Verzufallung
(siehe Zufallsparadigma), als auch durch Verblindung ausgeschaltet werden
kann, ohne daß sich an der Substanzwirkung dadurch etwas ändert.
-
Heilmittel(-gaben) sind standardisierbare Einzelsubstanzen und nicht auf
die Gesamtbedingungen eines Individuums sondern auf Menschengruppen (Krankheitsentitäten)
einzustellen.
-
Der Vorhersagewert einer Wirksamkeitsaussage im Einzelfall nimmt dementsprechend
mit der Anzahl der untersuchten Fälle zu.
Ob die angeführten Grundannahmen und Bedingtheiten (zum Teil oder
alle - immer oder für definierbare Bedingungen) richtig oder falsch,
beweis- oder widerlegbar sind, kann nicht Gegenstand dieser Auseinandersetzung
sein.
Es ist lediglich darauf hinzuweisen, daß für eine wissenschaftliche
Methode, die von einem anderen Weltbild ausgeht, keine der angegebenen
Bedingungen ohne genaueste Kompatibilitätsbeschreibung übernommen
werden darf.
Die Anthroposophischen Medizin teilt o.g. Grundannahmen nicht (Zufallsparadigma,
Substanzdeterminismus, Grenzparadigma). Studienansätze müssen
sich methodisch daran orientieren. Folgende Bedingungen sind insbesondere
zu berücksichtigen:
-
Das Arzt - Patientenverhältnis ist kein zufälliges. Es ist eine
schicksalsmäßige Verflechtung zwischen zwei Menschen, die vorwiegend
moralischen Kategorien unterliegt und ihre Berechtigung und therapeutische
Wirksamkeit aus dem therapeutischen Willen des Arztes gegenüber dem
Einzelfall bezieht. (Alle anderen Interessen - auch und insbesondere Forschungsvorhaben
- sind darauf hin zu überprüfen, ob sie in den therapeutischen
Impetus hemmend eingreifen).
-
Die Heilung durch eine (isolierte) Substanz an sich gibt es nicht, sondern
eine Heilwirkung ist ein komplexes Phänomen bei dem der Arzt - bewußt
oder unbewußt - nicht nur auf den Körper, sondern auf Seele
und Geist des Patienten einwirkt und Substanzen als Mittel(er) - in der
Regel im Rahmen einer Therapiekomposition - wirksam werden. (Das sog. Placebophänomen
ist so ein multifaktorielles Geschehen und nicht durch verfahrenstechnische
Kniffe herauszurechnen).
-
Primäres therapeutisches Ziel ist es, dem Patienten (wieder) zu einem
möglichst großen Maß an Gestaltungsfreiheit und Selbstbestimmung
innerhalb seiner Biographie zu verhelfen. Dafür sind nicht nur zwingende
Maßnahmen so weit wie möglich zu vermeiden, sondern ebenso ist
ein hohes Maß an Wahrhaftigkeit anzustreben.
Studiendesigns werden deshalb so zu gestalten sein, daß Freiheitlichkeit
und Wahrhaftigkeit nicht leiden, ein Konflikt zwischen Behandlungs- und
Forschungsinteresse nicht entstehen kann und der Studienablauf den Therapieablauf
auch nicht andeutungsweis verändert.
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