Die Misteltherapie des Krebses
 Teil 1 von 3 
Author: Matthiessen, P. F.; Tröger, W. 
Subject: Naturheilverfahren, Anthroposophische Medizin, Mistel, Misteltherapie, Mistelextrakte, Literatur zur Mistel, Krebs, biologische Krebstherapie 
Abstract: Übersichtsarbeit zur Wirkung der Misteltherapie bei Krebs mit Vergleich von Studien und ausführlichen Literaturangaben
Copyright: Copyright der Texte: Hippokrates Verlag Stuttgart 1995 
Copyright der HTML-Gestaltung: Patienteninformation für Naturheilkunde, Berlin 1997
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Dieser Text wurde mit freundlicher Genehmigung des Verlages und der Autoren aus dem Buch "Kombinierte Tumortherapie", Hrsg: Wrba, Heinrich, 2. Auflage, Hippokrates Verlag Stuttgart 1995 entnommen und bietet einen guten Überblick über den Forschungsstand zur Misteltherapie bei Krebserkrankungen. [IJBH
22. Jun. 1998 
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 Inhaltsangabe

Die Einführung der Mistel in die Krebstherapie geht auf Rudolf Steiner und Ita Wegmann zurück, die in den Jahren 1917 bis 1920 erstmals speziell zubereitete Mistelgesamtextrakte erfolgreich bei Krebskranken anwendeten. Inzwischen ist die Misteltherapie, besonders in Deutschland, zu einer der biologischen Standard-Therapien in der onkologischen Nachsorge geworden. Sie erfolgt adjuvant oder palliativ, allein oder in Kombination mit anderen adjuvanten oder kurativen Behandlungsformen wie Strahlen- und Chemotherapie. Spektakuläre Vollremissionen unter alleiniger Behandlung mit Mistelextrakten sind Einzelfälle. Jedoch konnte die therapeutische Wirksamkeit der Misteltherapie im Sinne einer tumorremissiven, überlebenszeitverlängernden und die Lebensqualität verbessernden Wirkung mittlerweile durch eine ganze Reihe methodisch valider klinischer Studien bestätigt werden. Hervorzuheben ist, daß die große Mehrzahl der Patienten und Ärzte über eine deutliche Besserung des Befindens und eine Verminderung des Schmerzmittelbedarfs unter Behandlung mit Mistelextrakten berichtet. In letzter Zeit sind die Inhaltsstoffe der Mistel und ihre pharmakologischen Wirkungen verstärkt Gegenstand wissenschaftlichen Interesses geworden.

Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die Misteltherapie des Krebses gegeben werden.

Einer jeden therapeutischen Strategie liegt eine bestimmte diagnostische Auffassung zugrunde. Beides, diagnostisches Erkennen und therapeutisches Handeln, erweist sich insofern stets als theoriegeleitet. Ihnen liegt also jeweils eine bestimmte Sichtweise und Interpretation des Krankheitsgeschehens zugrunde. So stehen die drei Säulen der modernen Krebstherapie, "Stahl, Strahl und Chemo", auf der diagnostischen Auffassung des Krebses als einem lokalen zellulären Geschehen und dem therapeutischen Ziel der Bekämpfung und Elimination der entarteten Zellen.

Auch der Misteltherapie des Krebses liegt eine bestimmte Sichtweise der Krebserkrankung zugrunde. Die Einführung der Mistel in die Krebstherapie wird nicht einer Zufallsbeobachtung im Rahmen eines Substanzscreenings verdankt, sondern fußt auf der geisteswissenschaftlichen Erkenntnismethodik Rudolf Steiners. Sie versteht sich nicht als eine Alternative, sondern als Erweiterung der naturwissenschaftlichen Erkenntnismethode. In Bezug auf die Tumorerkrankung bedeutet dies, daß ihre Entstehungsbedingungen im Zusammenhang mit der gesamtmenschlichen Individualität zu betrachten ist. Die Aufmerksamkeit richtet sich hier also nicht nur auf die, als Sekundärerscheinungen erachteten, lokalen zellulären Veränderungen, sondern darüberhinaus und im besonderen auf einen Tumormutterboden im Sinne einer Allgemeinkrankheit, der Tumorwachstum möglich macht (148). Dies bedeutet zugleich eine Unterscheidung zwischen Tumor und Krebskrankheit. Der Tumor selbst stellt vor dem Hintergrund einer solchen Sichtweise nicht die Krebskrankheit, sondern lediglich ein Symptom dar.

Die Mistel zeichnet sich durch eine einzigartige Emanzipation und Autonomisierung gegenüber ihrer Umwelt aus (53, 189, 145). "Alles an dieser Pflanze ist anders", vermerkte schon der Botaniker und Biologe Tubeuf in seiner Monographie über die Mistel. Steiner charakterisierte ihr Verhalten im Hinblick auf die regelrechte Evolution als "irrsinnig". Steiner wies besonders auf den Umgang der Mistel mit der Wärme hin. Dieser ermöglicht der Mistel im Winter zu blühen und Frucht zu tragen.

Die Krebserkrankung erscheint andererseits als verhärtendes, erkaltendes, geschwulstbildendes Geschehen am falschen Ort und zur falschen Zeit. Sie steht den entzündlichen, auflösenden Erkrankungen polar gegenüber. Ein Ziel einer Misteltherapie ist es, die Entzündungs- und Erwärmungsfähigkeit des Organismus anzuregen. Tatsächlich läßt sich in der Praxis mit großer Regelmäßigkeit eine Anhebung der mittleren Tageskerntemperatur, eine Vergrößerung der Tagestemperaturamplitude und ein subjektives Erleben des "sich besser Durchwärmtfühlens" unter parenteraler Applikation von Mistelpräparaten beobachten.

Auf eine eingehendere Erörterung der theoretischen Voraussetzungen wird hier jedoch aus Platzgründen verzichtet. Vielmehr sollen die empirischen Forschungsergebnisse ausführlicher beschrieben werden.
 
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Ergebnisse empirischer Untersuchungen

Mistelextrakte werden in der Therapie der Krebserkrankung seit nunmehr über 70 Jahren eingesetzt. Wegen ihrer Inhaltsstoffe interessierten sich bald auch pharmazeutische Forscher für diese Pflanze. Seit einigen Jahren wird auch die Wirkung von Mistelextrakten auf das Immunsystem und die zytotoxische oder immunstimulierende Wirkung auf gesunde sowie auf maligne Zelle in vitro erforscht. Erste Behandlungsberichte wurden bereits vor über 40 Jahren veröffentlicht. Inzwischen liegt ein umfangreiches therapeutisches Erfahrungsmaterial in Form von retrospektiven Kasuistiken und Einzelfällen, Sammelkasuistiken sowie einer Reihe retrospektiv vergleichender klinischer Studien, prospektiver klinischer Studien mit historischen Vergleichsgruppen und prospektiven - auch randomisierten - kontrollierten klinischen Studien zum Nachweis der Wirksamkeit von Mistelpräparaten vor. Im folgenden wird darauf genauer eingegangen.

Inhaltsstoffe

Aus den Beeren der Mistel gewann Reinsch (161) 1860 einen klebrigen, leimartigen Extrakt, den er Viscin nannte. Um 1900 wurde es als besonders hautfreundlicher Pflasterklebstoff von Riehl empfohlen. In der nachfolgenden Zeit beschäftigten sich eine ganze Reihe von Forschergruppen (220, 204, 239, 109, 4, 156) mit der Zusammensetzung und den physikalisch-chemischen Eigenschaften dieses Viscins. So wurde etwa eine Mischung aus Viscin, Fetten, Harzen und Ölen als analgetisch wirksame, reizlose Salbengrundlage hergestellt und empfohlen. Obata fand Oleanol-, Cerotin, Linol- und Linolensäure (157) als Inhaltsstoffe. Einleger (32) charakterisierte ein Glykogalaktopentosan als Hauptbestandteil des Mistelleims. Leprince (122) beschrieb ein Alkaloid im Harz der Mistel, was durch Wester (223) und Havas (70) bestätigt wurde. Später wurden diese Forschungen von Khwaja (97, 98) wieder aufgenommen. Es wurden Alkaloide in der koreanischen und dann auch in der europäischen Mistel nachgewiesen. Müller extrahierte (153) Propionylcholin, Samuelsson (184) g-Aminobuttersäure. Obata (156) wies auf den hohen Arginingehalt der Mistel hin, was von Vester in mehreren Arbeiten bestätigt wurde. Vester und seine Arbeitsgruppe fanden, daß neben 40% Arginin auch der Prolingehalt mit 10% außergewöhnlich hoch ist, während Glutamin, Asparagin und Tryptophan nicht nachgewiesen werden konnten (217). Durch eine Ammonsulfatfällung und Chromatograpie erhielten Vester und Mitarbeiter basische Proteine (106, 200, 215, 218, 219). Diese Stoffe nannten sie VP16-Proteine. In Tabelle 1 finden sich die Vesterschen Proteine gemäß der Einteilung nach Franz (40) mit der modernen Nomenklatur beschrieben.

Schließlich wurden von Selawry (199) im Eluat des Ionentauschers sowie im Hochvakuumdestillat niedermolekulare Tumorhemmstoffe gefunden. Die von Vester isolierten Inhaltsstoffe zeigten im Tierversuch jedoch keine Tumorhemmung.

1942 begann mit den Arbeiten von Winterfeld, Dörle und Kronenthaler (225, 227, 230) die Isolierung der sogenannten Viscotoxine. Der Begriff Viscotoxin wurde erstmals 1949 von Winterfeld und Bijl (226) eingeführt. Dieser Stoffkomplex wurde durch saure Extraktion aus Misteln gewonnen und einer Strukturanalytik unterzogen (233, 231, 232) 1958 zeigte Samuelsson (177), daß Viscotoxin keine Zucker enthält und nur aus Aminosäuren besteht. Er befand sich damit im Gegensatz zur Auffassung von Winterfeld und Heuken (228). Samuelsson (179, 180, 181, 182, 183, 184, 185) konnte jedoch aufzeigen, daß Viscotoxin ein Gemisch aus drei Proteinen darstellt, das wegen Protein-Protein-Wechselwirkung schwer zu trennen war (184). Auch Winterfeld und Kirschbaum (229) schlugen eine Viscotoxin-Fraktionierung vor. Eines der Viscotoxine wurde sequenziert und veröffentlicht (188). Weitere Arbeiten zur Analytik der Struktur der Viskotoxine folgten (187, 158, 159, 114). Schließlich wurde auf die strukturelle und Wirkungsähnlichkeit von Viscotoxin und dem Kobragift verwiesen (165). Als weitere Bestandteile wurden Phoratoxin und Phoratoxin B (149, 150, 186, 209, 210) gefunden.

Neben der intensiven Forschung zur Analytik der Viscotoxine erfolgten erste Hinweise auf ein weiteres Mistelprotein durch Krüpe (118) und Bird (9). Sie fanden eine hämagglutinierende Wirkung der wäßrigen Pflanzenextrakte. Pardoe (160) veröffentlichte 1917 erste Angaben über ein Lektin aus der Mistel, ein galaktosespezifisch reagierendes und sich an bestimmte Tumorzellen bindendes Protein. Auch Luther (140) und andere wiesen auf entsprechende Eigenschaften von Rohextrakten der Mistel hin. Ein Fortschritt bedeutete das Immobilisieren von Immunglobulinen an Trägermaterialien der Chromatographiesäulen. Die Kombination derselben mit einer Affinitätschromatographie an partiell hydrolisierter Sepharose ermöglichte die Isolierung von drei verschiedenen Mistellektinen. Diese Separation geht ebenso wie die Namengebung "Mistellektin I, -II und -III (ML-I, ML-II, ML-III) auf die Arbeiten von Franz und Mitarbeiter in den Jahren 1978-1992 zurück (237, 38). Sie isolierten und untersuchten Struktur und Wirkung auch der A- und B-Kette der Lektine (39, 41). Seitdem gewannen die Lektine zunehmend an wissenschaftlichem Interesse (44, 45, 46, 47, 48, 88, 90, 93, 134, 135, 136, 141, 151, 205, 206, 239, 212). Genauere Ergebnisse von Schink zeigen sogar, daß ML-I aus 25 und ML-III 15 Isolektinen bestehen (191).

Am eingehendsten wurde bisher das ML-I untersucht. Es gehört wie alle Lektine zu den zuckerbindefähigen Proteinen. Im Falle des Mistellektins ist das Lektin die B-Kette eines doppelkettigen Proteins mit der Molekülmasse 60 000. Das ebenfalls häufig vorkommende ML-III hat eine Molekülmasse von 50 000. In Bezug auf die relativen Anteile von ML-I und ML-III lassen sich deutliche Unterschiede und Anhängigkeiten von der Mistelart, der Erntezeit und den einzelnen Organen der Mistel aufzeigen.

Als weitere wichtige Stoffgruppe der Mistel lassen sich hauptsächlich aus dem Schleim der Beeren Poly- und Oligosaccharide isolieren. Sie bestehen hauptsächlich aus veresterten Derivaten der Galakturonane in Form von Arabinogalaktanen (92). Sie finden sich wegen Zuckerbindungsfähigkeit der Lektine häufig im Verbund mit diesen.
 
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Pharmakologische Wirkungen der Inhaltsstoffe

Untersuchungen zu den pharmakologischen Wirkungen von Mistelextrakten und ihrer einzelnen Bestandteile reichen ebenfalls bis zur Jahrhundertwende zurück. Auf großes Interesse stießen zunächst die Ergebnisse von Gaultier (49, 50) aus dem Jahre 1907, der eine blutdrucksenkende Wirkung von Mistelextrakten beim Menschen und auch am Tier (51, 52) fand. Eine Übersicht vermitteln die Arbeiten Auster (1) und Hegnauer (74). Die Ergebnisse nachfolgender Untersuchungen zur blutdrucksenkenden Wirkung von Mistelextrakten sind nicht einheitlich (91, 34, 230, 154, 178).

In weiteren Arbeiten (1, 74, 91, 34) wurde ein vorübergehend wirkendes Parasympathikomimetikum als blutdrucksenkendes Agens vermutet. In einer Arbeit (230) wird es als Gleichgewicht von Azetylcholin mit seinen Zerfallsprodukten bezeichnet. Müller (154) fand im Gegensatz zu Winterfeld und Kronenthaler (230) auch Propyonylcholin. Samuelsson (178) wies g-Aminobuttersäure als blutdrucksenkenden Inhaltsstoff nach, wies jedoch noch auf eine weitere herzwirksame Komponente. Diese war oral nicht wirksam. Franz (40) nahm an, daß die Autoren Viscotoxine vor sich hatten.

Es war Koch (112, 110, 113), der erste umfangreiche Studien über die Wirkung von Mistelextrakten auf Tumorzellen am Tier durchführte. Er fand unterschiedliche toxische Wirkungen des Mistelextraktes, aber unabhängig vom Wirtsbaum nach der Erntezeit. Koch bestimmte auch eine nekroseerzeugende Komponente quantitativ und schrieb dieser die beobachtete antitumorale Wirkung zu. Bei intra- oder peritumoraler Injektion eines Mistelextraktes beobachtete Koch in 47% der Fälle (Mäuse mit solidem Ehrlich-Karzinom) eine Dauerheilung. Dabei traten Nekrosen im Tumor auf, die nicht wesentlich auf das gesunde Gewebe übergriffen. Diese Untersuchungen wurden von Chernov (22) wiederholt. Er fand eine Verzögerung verschiedener Sarkom- und Ehrlich-Aszites-Karzinomzellinien unter Gabe von Mistelextrakten. Diese Ergebnisse wurden durch weitere Untersuchungen (23, 199) bestätigt. Schließlich beobachtete Buhl (21), daß eine Vor- und Nachbehandlung mit Iscador® bei Mäusen mit solidem Ehrlich-Karzinom zu einer durchschnittlichen Lebenszeitverlängerung von 38 Tagen führte. 1965 zeigte Seeger (196, 197, 198), daß je nach Anzahl der Nekroseeinheiten nach Koch sich ein verimpfbarer Tumor schneller oder langsamer entwickelt, wobei er eine Beteiligung von Lymphozyten vermutete. 1966 wies Zschiesche (238) eine Erhöhung der Phygozytoseaktivität unter i.v.-Applikation von Iscador® nach. 1979 wiesen Bloksma et al. (10) auf einen immunmodulierenden Effekt des Mistelpräparates Iscador® hin. Rentea (162) beobachtete eine Zunahme des Thymusgewichtes bei Ratten und Mäusen nach Iscador®-Gabe. Khwaja (98, 99) stellte mit den von ihm beschriebenen Alkaloiden toxische Wirkungen auf Leukämiezellen und andere Zellen fest. Ulrich (214) und später Hülsen (89) wiesen nach, daß HELIXOR® das Wachstum von HELA- und L-Zellen der Maus stärker reduziert als dasjenige menschlicher Fibroblasten. Sie fanden eine dosisabhängige Reaktion des Zellwachstums und empfahlen, Suspensionszellkulturen menschlicher Leukämiezellen zur Bestimmung der Wirksamkeit von HELIXOR®-Chargen einzusetzen. Vester et al. (216) teilten die Wirkung des Inhaltsstoffkomplexes VP16 in eine zytostatische, eine kanzerostatische und eine toxische Wirkung ein. Sie berichteten von einer Hemmung des Tumorwachstums um 50% bei einer Dosierung von 300 ng VP16 pro kg Körpergewicht des Tieres. Auch Viscotoxine wurde die letale Dosis von 0,8 mg/kg Kaninchen bestimmt. Woynarowski und Konopa (235) untersuchten die Wechselwirkungen von Viscotoxinen und der DNA der Zielzellen und vermuteten hier die Grundlage der zytotoxischen Aktivität.

Die bislang bekanntesten Inhaltsstoffe und ihre Wirkungen in vitro, im Tierversuch und am Menschen sind in Tabelle 3 zusammengefaßt.

Die Wirkung der in Mistelextrakten vorhandenen Lektine wurde zunächst als blutkörperchenagglutinierende beschrieben (118, 9, 160). Später beschrieb Luther ihre präzipitierende Wirkung auch auf Mäuse-Aszites-Tumorzellen (139). Die Bindung von Lektinen an Erythrozyten oder Tumorzellen setzt Glykokonjugate an der Oberfläche der Zielzellen voraus. Tatsächlich ergaben elektronenmikroskopische Analysen (222), daß auf Ehrlich-Aszites-Tumorzellen mehr Lektinerezeptoren zu finden sind als auf humanen Erythrozyten. Es wurde vermutet, daß sich das Lektin zwar mit seiner Zuckerbindungsstelle an Glykokonjugate der Zelloberfläche bindet, jedoch die A-Kette, die selbst kein Lektin ist, in die Zelle eingeschleust wird und dort die ribosomale Proteinsynthese hemmt (207). Der zytotoxische Effekt von Mistelextrakten wird daher im wesentlichen den Lektinen zugeschrieben (27). Es wurde beobachtet, daß Humanerythrozyten nur in serumsfreiem Milieu agglutinieren (42). Dies veranlaßte Franz (43) zu versuchen, Mistellektine an immobilisierte Immunglobuline zu binden. Der agglutinierende Anteil des Lektins band völlig an die fixierten Immunglobuline (43, 138). 1985 fand Metzner (151) eine Freisetzung von Interleukinen und eine Aktivierung von Phagozyten unter geringen Dosen der B-Kette von ML-I. Hajto zeigte 1986 (68), daß Iscador® Large Granular Lymphocytes (LGL) und Natürliche-Killer-Zellen (NK) beim Menschen stimuliert. 1990 fanden Hajto und Gabius (65, 66) vergleichbare Stimulierung der LGL und der NK-Zellen von Iscador® am Menschen und nach Lektingaben beim Kaninchen und bestätigten insofern frühere Ergebnisse von Metzner und Franz (151). Für ein Iscador®-Versuchspräparat wurde mittels eines analytischen Verfahrens der Lektingehalt quanitativ bestimmt; die an Tieren gewonnenen Ergebnisse einer lektindosisabhängigen Immunumodulation wurden auf die ermittelte Lektinkonzentration des verwandten Iscador®-Präparates übertragen und daraus ein Dosisoptimum für die Iscador®-Gabe am Menschen abgeleitet. Die Bildung von Antikörpern unter Misteltherapie wurde durch die Arbeitsgruppe um Berg (203) eingehend untersucht. Danach neutralisieren Antikörper, die sich unter Misteltherapie entwickeln, die toxischen Wirkungen von Mistelextrakten, was die Verträglichkeit von Mistelextrakten auch in hohen Dosen erklärt. Auch die Notwendigkeit einer "Einleitungstherapie" mit niedrigen Dosen und langsamer Dosissteigerung erhält hierdurch ein Rationale. In einer weiteren Arbeit wies Schultze (194) erstmals auf die individuell unterschiedliche Fähigkeit der Lymphozyten verschiedener Patienten hin, auf Mistelextraktgabe zu reagieren. Neuere Arbeiten (120, 121) beschäftigen sich mit einem Peptid des Molukulargewichts 5000 Da, das ähnliche immunologische und cytotoxische Wirkungen wie die Lektine entfaltet. Anwendungen von reinem Lektin am Menschen wurden von Beuth (8) durchgeführt, und bestätigten die von Hajto und Gabius beschriebenen immunmodulatorischen Effekte. Die Forschungen von Hajto (68) ergaben eine optimale Dosierung von 1 ng ML-I/Kg Körpergewicht, die er an vier Mäusen und drei Kaninchen mit reinem ML-I und an neun Tumorpatientinnen mit einem Versuchspräparat nachgewisen hat. Diese Arbeiten wurden nicht fortgeführt, so daß weitere Untersuchungen zur Dosisoptimierung noch ausstehen. Trotzdem folgten den Forschungen von Hajto (68) immunologische Untersuchungen mit der von Hajto angegebenen optimalen Dosierung. Da der Beobachtungszeitraum dieser Untersuchungen kaum länger als vier bis sechs Wochen betrug, wurden von den Autoren auch keine Antikörperreaktionen auf Mistelextraktgabe beschrieben, die eine Dosierungssteigerung möglich machen.

Andere Arbeiten (3,31) betonen, daß eine individuell optimale Dosierung des Patienten nach seinen klinischen und immunologischen Reaktionen vorteilhafter sei.

Die unter Mistelextraktgabe zu beobachtende Veränderung der Anzahl von Immunzellen im peripheren Blut im Sinne einer deutlichen Immunmodulation ist in Bezug auf ihre therapeutische Relevanz derzeit noch nicht abschließend interpretierbar.

Klinik

Zu der Einsicht des Arztes, wie Mistelextrakte in der Therapie wirken müssten, kommt bald die praktische Erfahrung hinzu. Obwohl dies und auch einzelne Erfolge für das ärztliche Handeln ein hinreichender Grund sein sollten, eine Therapie erneut einzusetzen, wird immer wieder nach einer statistischen Absicherung der Erwartungen gefragt. Daher liegen einige Ergebnisse von klinischen Studien und Berichten vor, die beschrieben und gewertet werden sollen.

Klinische Studien

Schon 1933 berichtet Kaelin (94) über die damals schon mehr als 10-jährige Erfahrungen mit dem Präparat Iscador®. Seine Berichte über klinische Erfolge bei der Anwendung in der Krebstherapie wurden von anderen Autoren bestätigt (132, 123, 125, 130, 131, 36, 59). In den letzten 20 Jahren folgten dem Iscador® andere Präparate, die unten beschrieben werden. Außerdem sind die Experimente zur Nekroseerzeugenden Wirkung von Koch (110) zu erwähnen, die auch dazu führten, daß die Firma Madaus das Präparat Plenosol® für die Behandlung von Arthrosen, Dermatosen und Karzinomen empfahl (33, 201). Kraft (115) berichtete schon 1940 über klinische Erfahrungen mit Plenosol® in der Tumorbehandlung, die auch von weiteren Autoren (5, 152, 211) bestätigt wurden.

Es folgten 48 Publikationen, von denen 13 von Ergebnissen aus prospektiven Studien berichten. Die Patienten in neun kontrollierten Studien zeichneten sich in der Kontroll- sowie in der Mistelgruppe durch eine ausreichende prognostische Vergleichbarkeit aus. Das Ergebnis ergab einen statistisch signifikanten Vorteil der Therapie mit Mistelextrakten (100, 101). In diesen neun Studien wurden über 3000 Patienten berücksichtigt, die mit Mistelextrakten behandelt wurden. Insgesamt sind es jedoch über 10000 Patienten, die in fast 50 wissenschaftlichen Untersuchungen über die Therapie mit Mistelextrakten Eingang fanden. Die hohe Patientenzahl rührt allerdings auch daher, daß einige Studien Vergleichsgruppen der Literatur entnommen haben, deren Patientenanzahl hier eingegangen ist. Die Studien und Ihre Ergebnisse sollen hier nicht im einzelnen besprochen werden. Tabelle 4 enthält die wichtigsten Daten und Merkmale der publizierten Studien. In Tabelle 4 kann festgestellt werden, daß häufig ein Therapievorteil für die Mistelextrakte von den Untersuchern gesehen wird, auch wenn unabhängige Metaanalytiker zu dem Schluß kommen, daß die Aussagekraft der Studie fehlt. Dies rührt daher, daß auch bei gleichen, oder nicht signifikant höheren Überlebenszeiten und Remissionsraten von den behandelnden Ärzten am Einzelfall Verbesserungen gesehen wurden, die wegen ihres individuellen Charakters nicht für eine Patientengruppe beschreibbar waren. Zusammenfassend kann den Ergebnissen entnommen werden, daß eine Therapie mit Mistelextrakten geeignet ist, das Befinden, die Lebensqualität und den klinischen Befund des Patienten zu verbessern. Neben einer Verlängerung der Überlebenszeiten wurde auch eine verminderte Rezidiv- und Metastasenrate gefunden. Bei inoperablen Tumoren sowie bei kontinuierlich oder phasenweise progredienten Tumoren wurde eine Verlängerung der Stillstandszeiten oder eine Verminderung der Progredienz festgestellt. Untersuchungen zur intrapleuralen Instillation von Mistelextrakten zur Austrocknung der Ergüsse zeigten eine konventionellen Behandlungsverfahren gleichwertige Erfolgsrate bei fehlenden Nebenwirkungen. Fälle von schwerwiegenden Nebenwirkungen liegen nicht vor. Interessanterweise finden sich auch unter hochdosierten Mistelinfusionstherapien (bis zu 7 g/d) klinisch keine Toxizitätshinweise, während bei Verabreichung der Einzelsubstanz in einer entsprechenden Dosis hochtoxische Wirkungen zu erwarten wären. Da Mistelextrakte entsprechend ihrem therapeutischem Rationale nicht tumorspezifisch, sondern nach den oben skizzierten Gesichtspunkten allgemein bei einer "Krebserkrankheit" eingesetzt werden, sollte das Gesamtergebnis der vorliegenden Studien in der Lage sein, auch denjenigen zu beeindrucken, der sich nicht mit den der Misteltherapie des Krebses zugrundeliegenden theoretischen Gesichtspunkten auseinandergesetzt hat.
 
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Metaanalysen

Die oben aufgeführten Studien zur Wirksamkeit der Misteltherapie sind mittlerweile auch metaanalytischen Beurteilungen unterzogen worden (86, 155, 2, 69, 100, 101). Jedoch müssen auch diese kritisch betrachtet werden. Kiene (100) kommt unter konsequenter Berücksichtigung der von ihm verwandten Beurteilungskriterien zu dem Ergebnis, daß neun von 36 berücksichtigten kontrollierten Studien eine ausreichend gesicherte Vergleichsvalidität von Mistel- und Kontrollgruppe aufweisen und eine statistische Signifikanz auf lebensverlängernde Wirkung aufzeigen. Andere Metaanalysen lassen eine hinreichende Sorgfaltspflicht in den Schlußfolgerungen zum Teil vermissen. So wird etwa eine methodisch unzureichende Studie zur Misteltherapie beim Nierenkarzinom, die keinen Unterschied zwischen Mistel- und Kontrollgruppe ergab, von Kjaer (105) ohne Methodenkritik als Beweis für die Unwirksamkeit einer Misteltherapie gedeutet, während Kiene (102) in Bezug auf dieselbe Studie zu dem Ergebnis kommt, daß sie zwar keinen Vorteil für die Misteltherapie aufzeigt, daß ihr aber aufgrund des gemischten Patientenkollektives und der Auswertungsmethode keine Aussagekraft zukommt. Kiene vermerkt hierzu, daß "Sachlichkeit und Objektivität im Falle der Misteltherapie häufig auf der Strecke zu bleiben scheinen". An anderer Stelle (147) wird hierzu geltend gemacht, daß habituelle Skeptiker einer Misteltherapie im Falle negativer Ergebnisse die Validität solcher Studien als völlig ausreichend ansehen anzusehen pflegen, um ein solches negatives Ergebnis als bewiesen zu erachten, während bei positiven Ergebnissen in der Regel die Qualität der Studien als unzutreffend für eine Aussage erklärt werde.

Praktische Erfahrungen

Für den Arzt, der über umfangreiche Erfahrungen in der Behandlung von Krebspatienten mit Mistelextrakten verfügt, können die vorausgehend aufgeführten Studienergebnisse zwar Hinweise für eine Wirksamkeit von Mistelpräparaten in der Onkologie darstellen; er kann aus ihnen jedoch nichts für sein konkretes therapeutisches Handeln am individuellen Patienten ableiten. Dies rührt daher, daß die Studienergebnisse nur den Querschnitt der Patienten betreffen und sich ihre Aussagekraft Aussagekraft wegen der Heterogenität der progostischen Strukturen innerhalb der einzelnen Patietenkollektive erheblich relativiert. Die Mehrzahl der mit Mistelextrakten behandelnden Ärzte machen daher geltend, daß eine Beantwortung der für das ärztliche Handeln entscheidenden Frage, warum unter Misteltherapie im einen Fall überraschende Erfolge bis hin zu Totalremissionen beobachtbar sind und im anderen Fall Patienten kaum oder gar nicht auf eine Misteltherapie reagieren, nur durch differenzierte, umfassend dokumentierte retrospektive, vorallem aber prospektive kasuistische Erfolgs- und Mißerfogsanalysen zu beantworten sei. Aus diesen sollen dann schrittweise Verlaufstypologien und prädiktive Kriterien erarbeitet werden, die es erlauben, zu erwartende Responder einer Misteltherapie von Non-Respondern zu unterscheiden. Sie plädieren daher für die Aufwertung einer der Einzelfall-Forschung, in der intraindividuell die relevant erscheinenden Parameter aufeinander bezogen im Längsschnitt verfolgt und analysiert werden.

Aufgrund der bisherigen Erfahrungen und imunstatusgestützten Verlaufsbeobachtungen zeigt sich immer deutlicher, daß es in Bezug auf die Miteltherapie für jeden Patienten eine individuell optimale Dosis herauszufinden gilt.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß Totalremissionen unter Misteltherapie zwar immer wieder beobachtet, aber insgesamt selten sind. Häufig wird jedoch eine Verzögerung der Intervalle bei rezidivierenden Tumoren und ein Wachstumsstillstand oder eine Verkleinerung von Metastasen beobachtet.

Sehr gut dokumentiert finden sich die zuverlässigen Erfolge bei intrapleuraler Instillaion von Mistelextrakt zu Autrocknung maligner Ergüsse (11, 12, 13, 170, 208). Erwähnenswert ist die sehr geringe Nebenwirkungsrate bei dieser Applikation.

Die große Mehrzahl der Patienten berichtet über eine Zunahme der Leistungsfähigkeit und des Appetits, über eine Verbesserung des Schlafvermögens, eine angenehme Durchwärmung und einen Rückgang der Infektanfälligkeit unter Misteltherapie.

Im Blutbild läßt sich mit großer Regelmäßigkeit ein Anstieg der Leukozyten und Lymphozyten sowie eine Erhöhung des T4/T8-Verhältnisses beobachten.
 
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Mistelextraktpräparationen

Pharmazeutik

Wie eingangs ausgeführt, wird die Einführung der Mistel in die Krebstherapie nicht einer Zufallsbeobachtung verdankt. Die Erarbeitung eines wissenschaftlichen Rationale für die Krebstherapie mit Viscum album-Präparaten ist danach keineswegs identisch mit der Isolierung und molekularen Reindarstellung ihrer einzelnen Inhaltsstoffe. Forschergruppen, die sich im Sinne diese erweiterten Wissenschaftsveständnisses um die Herausarbeitung übergreifender, qualitativer Gesichtspunkte von Mistel- und Krebsbildungsprozessen und ihrer gesetzmäßigen Entsprechungen bemühen, sehen trotzdem in diesen Verfahren unverzichtbare Teilaspekte einer Rationalitätsgewinnung. Als Fortführung solcher, um qualitative Gesichtspunkte erweiterte Erkenntnisbemühungen, verstehen sich auch Forschungsaktivitäten, denen es darum geht, die einzigartige Qualität der Substanzkomposition der Mistel im phamazeutischen Prozeß zu bewahren und die antitumoröse Wirksamkeit durch ein spezielles physikalisches Aufbereitungsverfahren der Mistelextrakte zu steigern. Die hier zugrundeliegenden Gesichtspunkte gehen ebnfalls auf R. Steiner zurück. Dabei handelt es sich um ein kompliziertes Verfahren, bei dem der Extrakt aus der Mistel, die im Sommer geerntet wird, senkrecht in den Mistelextrakt der Pflanze eintropft, die im Winter geerntet wird, wobei der "Wintersaft" schnell auf einer Scheibe oder in einem Flüssigkeitswirbel rotiert. Steiner regte auch die differenzierte Anwendung von Mistelextraktpräparationen verschiedener Wirtsbäume an. Die erste Mistelpräparation, das "Iscar" wurde von Ärztin Ita Wegmann erstmals und erfolgreich bei einer 56 Jahre alten Mammakarzinompatientin eingesetzt (24). Auch das Folgepräparat Iscador® und die Präparate Helixor®, Iscucin®, Isorel® und AbnobaViscum® berücksichtigen Angaben Steiners, die Mistelextrakte durch eine spezielle pharmazeutische Aufbereitung zu einem krebsspezifischen Heilmittel zu machen. Dabei werden spezielle Erntezeiten und Wirtsbäume berücksichtigt und das oben beschriebene Mischverfahren von Sommer- und Wintersäften der Mistel angewendet. Dennoch unterscheiden sich die Präparate deutlich voneinander und sind insbesonders in ihren einzelnen Stoffkonzentrationen nicht miteinander vergleichbar. Dies rührt daher, daß zur Herstellung von Mistelextrakten prinzipiell drei verschiedene Extraktionsverfahren zur Anwendung kommen und zu dem das Mischungsverhältnis und das Mischungsverfahren der Sommer- und Winterextrakte verschieden ist. Unterschiedliche Verfahren der Extraktion haben jedoch unterschiedliche Mengen und Mengen-Verhältnisse der Inhaltsstoffe im fertigen Arzneimittel zur Folge. Alle oben genannten Präparate werden aus der frischen Pflanze hergestellt. Die Präparate Plenosol® und Eurixor® sind wäßrige Extrakte aus nicht näher bezeichneten Mistelpflanzen. Letzteren liegen die Ergebnisse der von E. Koch (110) durchgeführten Untersuchungen zur nekroseerzeugenden Wirkung von Mistelextrakten zugrunde, weswegen Erntezeitpunkte und Mischprozesse hier keine Rolle spielen. Die Qualitätssicherung der Endprodukte hängt davon ab, welche Wege von der Ernte über die Mischung bis zur Ampulle eingeschlagen werden. Entsprechnd den unterschiedlichen Gesichtspunkten zur Herstellung von Mistelpräparaten finden sich auch unterschiedliche Methoden ihrer Qualtitätssicherung.

Qualitätssicherung

Auch bei komplexen Inhaltsstoffgemischen, wie sie Mistelextrakt darstellt, muß gewährleistet sein, daß in zeitlich nacheinander hergestellten Präparaten, vergleichbare Mengen und Mengenverhältnisse der Inhaltsstoffe anzutreffen sind. Prozeßstandardisierung und Inhaltsstoffstandardisierung sind die zwei Methoden, mit denen gleichbleibende Qualität der Mistelextrakte und damit eine Chargenkosntanz gewährleistet werden soll. So wird etwa Plenosol® auf Nekroseeinheiten standardiseirt. Durch Standardisierung auf einen Inhaltsstoff oder auf eine bestimmte Wirkung wird allerdings nur die Konstanz des Inhaltsstoffes oder der Stoffgruppe, die an einer bestimmten wirkugn ursächlich beteiligt ist, gewährleistet.

Zur Prozeßstandardisierung gehören ein konstantes Verhältnis und festgelegte Mengen der verwendeten Pflanzenteile sowie definierte Erntezeitpunkte und Mischungsverhältnisse der von der Jahreszeit abhängig gewonnenen Mistelsäfte. Die Kenntnis der Inhaltsstoffmengen und -verhältnisse der verschiedenenr jahrszeitabhängigen Ernten und der verschiedenen Pflanzenarten und -teile (männliche und weibliche Pflanze, Blätter, Knospen und Beeren) sind zur Erreichung einer Chargenkonstanz unentbehrlich. Darüberhinaus vermögen in-Prozeß-Kontrollen die Inhaltsstoffkonstanz beträchtlich zu erhöhen. Eine Prozeßstandardisierung ermöglicht also auch eine Konstanz von Inhaltsstoffen, die noch nicht bekannt oder in ihrer pharmakologischen Wirkung noch nicht erforscht sind. Zudem bleibt hier das Verhältnis von Inhaltsstoffen zueinander unverändert. Für eine valide Prozeßstandardisierung ist zu fordern, daß die Ergebnisse mit jenen der Inhaltsstoffstandardisierung vergleichbar sind. Tatsächlich hat sich die Prozeßstandardisierung einer Standardisierung auf einen einzelnen Inhaltsstoff als mindestens ebenbürtig erwiesen. Messungen zehn aufeinanderfolgender Chargen eines Mistelpräparates (76) ergaben minimal 8% Abweichung in der Lektinkonzentration, obwohl durch die Prozeßstandardisierung während der Herstellung nicht explizit auf Lektine standardisiert werden konnte.

Mistelextrakt - Präparate

Alle Präparate sind zur parenteralen Gabe bestimmt und sind in 1ml oder 2ml - Ampullen erhältlich. Wenn Präparate in mehreren Verdünnungen erhältlich sind, so werden oft auch Serienpackungen angeboten. In diesen Packungen sind Ampullen mit verschiedenen Konzentrationen für die Einleitungstherapie enthalten.

AbnobaViscum® ist ein Präparat aus den Preßsäften der Mistel. Die Misteln werden zu definierten Jahreszeitpunkten geerntet und verarbeitet. Durch ein spezielles Mischverfahren mit anschließender besonderer Sterilfiltrierung wird eine stabile kolloidale Lösung erhalten, die eine gelbgrüne Farbe hat. Das Herstellungsverfahren ist prozeßstandardisiert. Das Präparat wird anschließend nach eigenem Verfahren rhythmisch in Dezimalstufen potenziert. Die Zulassung nach dem neuen Arzneimittelgesetz für den Tannenmistelextrakt der Potenzen D2 bis D5 wurde 1985 erteilt. Alle anderen Wirtsbäume und Verdünnungen wurden 1992 zur subkutanen Injektion zugelasssen. Es stehen acht verschiedene Wirtsbaummistelpräparate in den Verdünnungsstufen 2 bis 6, 10, 20 und 30 zur Verfügung.

Eurixor® ist ein wässriger Extrakt aus Mistelkraut (1:1,3). Dieses Präparat ist ein Lizenzprodukt und geht auch auf Untersuchungen von Fr. E. Koch zur nekroseerzeugenden Wirkung der Mistelextrakte zurück. Es wird die Standardisierung auf Mistellektin I angestrebt. Das Präparat ist als Phytotherapeutikum erhältlich. Die Indikationen sind degenerativ entzündliche Gelenkerkrankungen (intrakutane Injektion) und Malignome (intravenöse Applikation). Es ist in einer Stärke erhältlich.

Helixor® ist ein kaltwässriger Frischpflanzenextrakt. Die Misteln werden zu vier verschiedenen, definierten Zeitpunkten im Jahr geerntet und verarbeitet. Die Mischung der Sommer- und Wintersäfte geschieht in speziellen rotierenden Gefäßen, in denen auch die Verdünnungen hergestellt werden. Das Herstellungsverfahren ist prozeßstandardisiert. Die Zulassung nach dem neuen Arzneimittelgesetz wurde schon 1982 für alle Präparationen und Verdünnungen erteilt. Zusätzlich wurden sieben verschiedene Parameter, die Inhaltsstoffgruppen und Eigenschaften messen, beim Bundesgesundheitsamt angemeldet. Das Präparat ist zur subkutanen Injektion zugelassen. Es stehen drei Präparationen verschiedener Wirtsbaummisteln gemäß den drei verschiedenen botanischen Subspecies der Mistel zur Verfügung. Sie sind in den Verdünnungen 0.01mg, 0.1mg, 1mg, 5mg, 10mg, 20mg, 30mg, 50mg und 100mg erhältlich.

Iscador® ist ein wässriger Extrakt, der einer Milchsäuregärung unterworfen wird. Die Misteln werden im Sommer und im Winter geerntet. Die Mischung des Extraktes aus der Winter- und der Sommermistel geschieht in einer äußerst hochtourig rotierenden Maschine. Anschließend wird verdünnt. Das Präparat ist zur subkutanen Injektion bestimmt. Es stehen vier Präparationen verschiedener Wirtsbaummisteln zur Verfügung. Zusätzlich werden die Präparationen mit Metallzusätzen angeboten. Die Präparate sind in den Konzentrationen 0.0001mg, in Dezimalschritten bis 10mg und 20mg, 30mg und 50mg in 1 ml Ampullen erhältlich.

Iscucin-Viscum® ist eine auf den Arzt Köller zurückgehende Präparation, die auf einer persönlich gegebenen Anregung Steiners aus dem Jahre 1924 basiert. Die Mischung von Sommer- und Winterextrakten der Mistel erfolgt auch mit Hilfe einer speziellen Apparatur. Das Präparat ist zur subkutanen Injektion bestimmt. Es stehen acht verschiedene Präparationen verschiedener Wirtsbaummisteln zur Verfügung. Das Präparat ist in Konzentrationen 20-1 bis 20-6, 20-8 und 20-10 erhältlich.

Isorel® (in Deuschland: Vysorel®) ist ein kaltwässriger Frischpflanzenextrakt, der sich ebenfalls aus Extrakten der Sommermistel und der Wintermistel zusammensetzt. Nach dem Mischprozeß wird eine Sterilfiltration durchgeführt. Das Herstellungsverfahren ist prozeßstandardisiert. Das Präparat ist seit 1986 nach dem neuen Arzneimittelgesetz in der Bundesrepublik Deutschland zur subkutanen Injektion zugelassen. Es stehen drei Präparationen verschiedener Wirtsbaummisteln gemäß den drei verschiedenen botanischen Subspecies der Mistel zur Verfügung. Die Präparate sind in der Stärke 60 (60mg/1ml) erhältlich.

Plenosol® ist ein auf Untersuchung von Fr. E. Koch zur nekroseerzeugenden Wirkung der Mistelextrakte zurückgehendes Präparat. Es handelt sich um einen wässrigen Extrakt aus Mistelkraut (1:1,3). Um gleichbleibende Qualität gewährleisten zu können, wird auf Nekroseeinheiten standardisiert. Das Präparat ist als Phytotherapeutikum erhältlich. Die Indikationen sind degenerativ entzündliche Gelenerkrankungen (intrakutane Injektion) und Malignome (intravenöse Applikation). Es ist in der Stärke N erhältlich.

Praktische Anwendung von Mistelextraktpräparaten

Die Angaben der Hersteller zu Applikationsweise und Indikationsspektrum sind unterschiedlich. Übereinstimmung besteht jedoch darin, daß sich das Therapieregime am individuellen Responds des Patienten orientieren sollte. Es wird empfoheln, mit einer geringen Dosis zu beginnen und erst im weiteren Verlauf der Therapie die Dosis zu steigern. Dieses Vorgehen kennzeichnet die Einleitungsphase der Therapie mit Mistelextraktpräparaten. Da die Patienten in der Regel sehr verschieden lokal mit kleinen Entzündungen und systemisch mit Fieber auf Mistelextraktgaben reagieren, werden zur optimalen Dosisfindung verschiedene Parameter empfohlen. Hauptsächlich wird sich der behandelnde Arzt mit der Dosierung an der Größe der häufig auftretenden Lokalreaktionen ausrichten. Diese sind im Prinzip erwünscht, sollten jedoch eine bestimmte Größe (häufig 5 cm) nicht überschreiten. Ebenso wird eine Erhöhung der mittleren Tagestemperatur um mindestens 0.5°C und eine Vergrößerung der Tagestemperaturamplitude um mehrere Zehntel Grad angestrebt. Die Temperaturreaktionen sollten jedoch ebenso wie die Lokalreaktionen in einem tolerablen Rahmen bleiben. Es wird im Allgemeinen vormittags injiziert. Am Tag der Injektion können sich Müdigkeit und Abgeschlagenheit, was ebenfalls als Zeichen eines Ansprechens auf die Therapie gewertet wird. Diese Reaktionen sollten jedoch nicht länger als zwei Tage anhalten.

Ist nach einigen Monaten eine Dosierung gefunden worden, unter der sich der Patient sich subjektiv wohl fühlt, und eine Erhöhung der Körperkerntemperatur sowie der Tagestemperaturamplitude bleibend eingetreten, beginnt die Erhaltungstherapie. Diese beginnt definitionsgemäß auch dann, wenn ein- oder mehrmals die Dosis reduziert werden mußte, weil die Temperaturreaktion oder die immunologischen Werte wieder abgesunken sind. Die für das Stadium der Krebserkrankung des Patienten notwendige oder zu erreichende Dosis der Erhaltungstherapie kann auch aus den Angaben der Hersteller entnommen werden. Diese Dosierungsorschläge stellen algemeine Erfahrungswerte dar, die gegebenenfalls auf den einzelenen Patienten hin zu indvidualisieren sind.

Je nach Verträglichkeit und Stadium des Krankheitsgeschehens werden verschiedene Injektionsrhythmen vorgeschlagen. Sie reichen von 1-2 Applikationen pro Woche über 6 Wochen mit 14-tägigen mit Therapiepausen bis zu Injektionen ohne Pause.

Es bestehen Hinweise, daß mit Mistelextrakten in niedrigen Dosen immunmodulierend therapiert wird, in hohen Dosen jedoch cytotoxisch. So ließ sich unter hochdsierter Infusiosntherapie häufig ein Abfall der Immunparameter beobachten, obwohl klinisch eine Besserung erreicht werden konnte (95). Die Empfehlungen der Hersteller zur Anwendung der verschiedenen Wirtsbaummistelpräparate sind ähnlich: Beim Mamma-Karzinom der Frau wird in der Regel die Apfelbaummistel verwendet; beim Bronchialkarzinom des Mannes die Tannen- oder Eichenmistel.

Unterschiede in den Angaben der Hersteller finden sich bezüglich der Behandlung von Leukämien und intrakraniellen Tumoren. Während für Helixor® detaillierte Angaben zur Therapie von Leuämien gemacht werden, raten andere Hersteller von einer begleitenden Therapie bei Leukämien ab (192,77,62). Die Hersteller von Iscador®, Iscucin® und Plenosol® empfehlen bei der Behandlung intrakranieller Tumoren die orale Gabe.

Die Therapie mit Mistelextrakten ist keineswegs auf die behandlungsfreie Zeit in der Nachsorge oder auf "austherapierte" Fälle beschränkt. Neben der Behandlung von Präkanzerosen erfolgt die präoperative Medikation unter dem Aspekt einer Immunstimulierung. Bei adjuvanter Behandlung wird über eine Verminderung der Nebenwirkungen und eine Verbesserung der Lebensqualität berichtet (64). Besonders nach Beendigung einer Chemo- oder Bestrahlungstherapie lassen sich verstärkte Reaktionen auf Mistelextraktgaben beobachten, die durch den Wegfall der durch die Primärtherapie bedingten Immunsuppressionen bedingt sind. Alle Hersteller weisen darauf hin, daß nicht in Bestrahlungsfelder injiziert werden sollte. Ebenso ist die Injektion in bestehende oder nicht ganz abgeklungene Lokalreaktionen kontraindiziert. Bei präfinalen und finalen Zuständen der Krebserkrankung ließ sich für die Hochdosisinfusion von Mistelextrakten eine schmerzlindernde Wirkung aufzeigen (95, 103, 234, 107). Bei Patienten im finalen Stadium, die eine Therapie mit Mistelextrakten beginnen wollen, kann das Ziel der Therapie jedoch nur in eine schonenden Roborierung bestehen.

Aus den einleitend skizzierten Gesichtspunkten lassen sich zugleich auch Kontraindikationen und Nebenwirkungen einer Misteltherapie ableiten. Da Mistelextrakte eingesetzt werden, um die Körpertemperatur des Patienten zu erhöhen, sind fieberhafte Infekte oder fieberhafte Zustände anderer Genese als Kontraindikationen anzusehen. Da die Behandlung mit Mistelextrakten zudem auf eine Verstärkung der bei Krebspatientn in der Regel brachliegenden Fähigkeit zu entzündlichen Reaktionen abzielt, läßt sich unter Misteltherapie oftmals ein Übergang chronischer Entzündungen in ein akutes Stadium beobachten. Kontraindiziert sind auch entzündliche Venenerkrankungen und -aus Sicherheitsgründen- die Schwangerschaft.

Die Dauer der Therapie ist wegen der fehlenden Toxizität der Mistelextrakte nicht prinzipiell begrenzt. Sie sollte sich in der Nachsorge nach dem Rezidivrisiko richten. Im allgemeinen wird empfohlen, nach fünf Jahren die Pausen zu verlängern und die Therapie auszuleiten. Bei Verschlechterung der immonologischen Daten, Anstieg der Tumormarker sowie besonderen psychosozialen Belastungen oder lebensgeschichtlich einschneidenden Ereignissen sollte die Therapie wieder aufgenommen, eventuell stattfindende Therapiepausen abgebrochen oder während der Erhaltungstherapie die Dosis erhöht werden.

Ausblick
 
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