Bioinformation zwischen Lebensenergie
und qualitativen Steuerprozessen (Teil 2 von 3)
Das Verhältnis quantitativer Lebensenergie-Konzepte zu qualitativer
nichtenergetischer Bioinformation am Beispiel der Orgontheorie von Wilhelm
Reich: Ganzheitliche Analyse der Wirkmechanismen des Orgonakkumulators
zurück
Teil 2 von 3 vorwärts
Teil 2 von 3
Erster
Abschnitt: Lebensenergie
Was
ist Lebensenergie, was ist Leben?
Lebensenergie soll eine spezifische Energie sein, die dem Lebendigen innewohnt,
die das Lebendige vom Toten unterscheidet. Die Herangehensweise an die
Frage, was denn Leben überhaupt sei, ist so alt wie die Menschheit.
Man hat sie indes sehr unterschiedlich beantwortet.
Energie
Verschiedene Experimentatoren haben versucht, diese Lebensenergie rein
physikalisch zu verstehen, sie sozusagen ganz in die Materie herunterzuziehen.
Wenn dies gelingt, so hätten wir es mit einer Energie zu tun, die
wir messen und in andere physikalische Energien umwandeln könnten,
zum Beispiel in Elektrizität, in Bewegung oder in Wärme.
Transzendenzoffene
Naturwissenschaft
Das verstehe ich unter Lebensenergieforschung: Eine klassische naturwissenschaftliche
Forschung, die offen ist gegenüber der Tatsache, daß es geistige,
mystische oder auch magische Elemente in der Erfahrung des Menschen gibt.
Auch diese sind Naturphänomene, auch diese können erforscht werden.
Eine Naturwissenschaft, die eine solche Grenzüberschreitung in die
geistige Seite der Wirklichkeit zuläßt, wird als transzendenzoffene
Naturwissenschaft bezeichnet.
Vier
Forderungen an eine Wissenschaft vom Leben
Was fordern wir von einer Wissenschaft, die versucht, das Leben zu verstehen?
Zum ersten die Beachtung der Wissenschaftsgeschichte und der Frage:
"warum forschen wir überhaupt?" Wir forschen, weil wir wissen wollen,
woran wir als Menschen eigentlich sind. Wer sind wir? Warum leben wir?
Was steckt dahinter? Diese uralten Fragen haben nicht nur die Religionen
und die Philosophien, sondern auch die Wissenschaften hervorgebracht. Doch
es gab vor einigen hundert Jahren einen Einschnitt: Die Wissenschaftler
sagten, ”Wir haben uns so lange darüber gestritten, ob es einen Stein
der Weisen gibt, oder was Leben und Gott bedeuten! Wir verzichten vorerst
auf alles, worüber wir nur spekulieren können und sprechen nur
noch über das, was wir wirklich messen können. Was wir messen
können, können wir auch mathematisch beschreiben und uns eindeutig
darüber austauschen. Wir wollen sehen, wohin uns dieser Weg führt.”
Man nennt dies den galileischen Verzicht. Dieser Verzicht hat die uns bekannte
materialistische Wissenschaftssicht entwickelt, und hat (sozusagen als
Nebeneffekt der Erkenntnissuche) die moderne Technologie hervorgebracht.
Der nächste wichtige Punkt ist die Methodologie der Forschung.
Wenn man von der Natur eine Antwort haben will, dann muß man ihr
die richtige Frage stellen. Wenn ich eine Frage stelle, werde ich eine
Antwort bekommen; wenn meine Frage nicht präzise ist, dann wird mich
die Natur möglicherweise aufs Glatteis führen. Entsprechende
Irrtümer gibt es in der Wissenschaftsgeschichte und auch in der zeitgenössischen
Lebensenergieforschung zur Genüge.
Die dritte Voraussetzung sind die Themen von Religion, Ethik, Philosophie
und die Frage: Was ist denn Wirklichkeit? Wie real, wie wirklich
ist das, was wir sehen, und gibt es darüber hinaus noch mehr? Ein
Beispiel: Manche Menschen behaupten, um Körper herum eine Aura sehen
zu können. Sie nehmen etwas wahr, was andere nicht wahrnehmen. Ist
diese Aura Wirklichkeit, obwohl sie sich der Meßbarkeit entzieht?
In der indischen Kultur etwa ist dies ein Konsens, über den sich niemand
streiten würde. In der christlichen Religion gesteht man vorwiegend
Heiligen zu, so etwas wie einen Schein um sich zu tragen oder ihn sehen
zu können. Also muß die Frage über die Beschaffenheit der
Wirklichkeit mit beachtet werden, wenn man Forschung auf diesem Gebiet
machen will.
Vier
Existenzbereiche
Als vierten grundsätzlichen Punkt seien hier die Existenzbereiche
einer naturwissenschaftlichen Forschung genannt: Wir wissen, daß
es eine physikalische Welt gibt, eine Physis, sie umfaßt all
das, was gerechnet und gemessen werden kann. Wir wissen, daß es eine
biologische Welt gibt, Bios. Unsere biologischen Körper sind
um einiges komplexer als das rein physikalisch Beherrschbare. Wir wissen,
daß es eine psychische Welt gibt, denn jeder Mensch erlebt diese
Psyche, eine emotionale Welt. Und wir wissen, daß es eine
geistige Welt gibt, Pneuma genannt, die ebenfalls reale Wirkungen
in der Welt zeitigt. Beispiele für eine Wirkung der geistigen Welt
sind die Wirkungen der Träume oder der ethischen Erkenntnisse. Eine
Eingebung in einem Traum oder eine ethische Überlegung kann das Leben
eines Menschen grundlegend verändern, hat also ganz reale Auswirkungen
in der physikalischen, biologischen und psychischen Welt, kommt aber aus
dem geistigen Bereich der Welt. Die Beschreibung der Welt in diesen vier
Existenzbereichen stellt ein sehr altes Konzept dar, das auch in mehreren
Kulturen verwendet wurde.
Der Energiebegriff ist nur in den ersten zwei Bereichen definiert, denn
der Bereich Psyche und insbesondere Pneuma, der Bereich des Geistigen,
entziehen sich der quantitativen Meßbarkeit. Dort haben wir es nämlich
mit Qualitäten zu tun, die man nicht mehr messen kann, und dem entsprechend
existiert dort auch kein Begriff von Materie und kein Begriff von Energie.
Der menschliche Geist ist somit ein nichtmaterielles, nichtenergetisches
Geschehen.
Forderungen an eine Forschung, die versucht, das Leben
zu verstehen: |
-
Beachtung der Wissenschaftsgeschichte:
Warum forschen wir?
-
Methodologie der Forschung:
Wie lautet unsere Frage genau?
-
Religion, Ethik und Philosophie:
Was ist wirklich?
-
Existenzbereiche: Physis, Bios, Psyche, Pneuma:
Woraus besteht die Welt?
|
Das
Beispiel der Orgonenergie-Theorie von Wilhelm Reich
1997 war das Jahr der Feierlichkeiten für alle an dem Werk von Wilhelm
Reich interessierten Personen: Vor 100 Jahren wurde W. Reich in Österreich
geboren - und vor 40 Jahren verstarb er in den USA. Als Schüler Sigmund
Freuds widmete er sein Leben der Erforschung von Lebensprozessen, insbesondere
der Bedeutung der Sexualität. Ausgehend von Freuds Libido-Begriff
(der Energie des Triebgeschehens in der Psyche) postulierte Reich eine
Lebensenergie, die nicht nur im biologischen und im psychischen Bereich
wirkt, sondern eine allumfassende schöpferische Energie sei. Abgeleitet
von den Begriffen Orgasmus und Organismus nannte Reich diese Energie Orgon.
Er schrieb ihr ausdrücklich physikalische Eigenschaften zu und veröffentlichte
etwa 20 Meßexperimente, mit denen er seine Theorie zu untermauern
versuchte. Wilhelm Reich hat auch heute zwar bedeutenden Einfluß
auf einzelne Strömungen der Psychotherapie, nicht aber der Naturwissenschaft,
obwohl er selbst eher sein Konzept einer physikalisch verstehbaren Lebensenergie
als sein Hauptwerk ansah.
Dieser vorliegende erste Abschnitt beruht auf den Erfahrungen, die ich
in den Jahren 1990 bis 1994, während meines Meteorologiestudiums an
der Freien Universität Berlin (FU-Berlin) als Initiator und Leiter
der 'Arbeitsgruppe Orgon-Biophysik' gesammelt habe. In dieser Zeit wurden
fast alle biophysikalischen Experimente Reichs unter kontrollierten Versuchsbedingungen
und mit moderner Meßtechnik nachvollzogen. Ein Teil der Arbeit fand
im Rahmen eines zweijährigen Projekttutoriums mit dem Titel ”Orgon-Biophysik
- Kritische Annäherung an die biophysikalischen Arbeiten von Wilhelm
Reich” an der FU-Berlin, Universitätsklinikum Benjamin Franklin (Steglitz),
Abteilung für Naturheilkunde, bei Prof. Dr. Joachim Hornung statt.
Neben der Finanzierung durch die FU-Berlin wurden die Kosten für Meßtechnik
und Geräte durch Spenden von interessierten Personen und durch Zuwendungen
durch die ”Wilhelm Reich Gesellschaft zur Erforschung lebensenergetischer
Prozesse e.V.” getragen, deren Mitglied ich in dieser Zeit war. Ihnen allen
möchte ich ebenso herzlich danken. Die folgenden Ausführungen
erfüllen Reichs Forderung nach systemimmanenter Kritik, denn sie beruhen
auf einer intensiven Auseinandersetzung mit Reichs physikalischen, aber
auch anderen Arbeiten, ohne dabei jedoch die naturwissenschaftlichen Denk-
und Forschungsmethoden zu verlassen.
Die
Akkumulation von Lebensenergie im Orgonakkumulator
Um seine Orgonenergie medizinisch und technisch nutzbar zu machen, konstruierte
Reich verschiedene Apparaturen, unter denen der Orgonakkumulator wohl die
bekannteste ist. Der Orgonakkumulator ist ein enger Kasten aus verzinktem
Eisenblech, der nach außen hin wärmeisoliert ist und nur durch
eine kleine Öffnung einen geringen Luftaustausch mit der Umgebung
erlaubt. Er ist gerade groß genug, um darin eine aufrecht sitzende
Position einnehmen zu können; man betritt ihn im allgemeinen nackt
oder leicht bekleidet. Er basiert auf Reichs Idee, daß man Lebensenergie
in einem Kasten akkumulieren könne, wenn dieser innen mit Metall ausgekleidet
ist und nach außen abwechselnd organische/nichtmetallische und metallische
Schichten aufweist. Hierbei soll Lebensenergie von außen durch das
organische Material angezogen und nach innen hin durch das Metall abgestrahlt
werden.
Warum erleben nun Menschen darin spezifische Wärme- und Strömungsempfindungen?
Zwei Diplomarbeiten zeigten einen signifikanten Unterschied einzelner physiologischer
Größen zwischen Versuchspersonen, die in einem Orgonakkumulator
oder in einer Vergleichskiste sitzen [Gebauer/Müschenich 1987 und
Hebenstreit 1995]. Doch wie kommen diese physiologischen Wirkungen zustande?
Analyse
nach den vier Existenzbereichen
Im folgenden stelle ich eine Analyse von diesem Orgonakkumulator vor, und
zwar bezogen auf das Schema der vier Existenzbereiche der Welt. Es ist
sehr hilfreich ein Naturphänomen in dieser Vierfachkonturierung zu
betrachten, denn sie regt zu einer ganzheitlichen Sicht an.
Physis
Was geschieht im Orgonakkumulator auf physischer Ebene? Ein Mensch,
der in einem engen Metallkasten sitzt, befindet sich in einem spezifischen
Mikroklima. Sein aufrecht sitzender Körper setzt etwa 140 Watt in
Wärme um, vergleichbar mit zwei 75 Watt Glühbirnen, und muß
diese auch an die Umgebung abgeben, um einen Wärmestau im Inneren
zu vermeiden (Aktivität und Energiestoffwechsel bei: Jendritzky, G.
in: promet 3/4, 1982 in [Wedler o.J.]). Die Haut und die Ausatmung geben
Feuchtigkeit an die Luft ab. Hierdurch kommt es nach kurzer Zeit zu einer
Klimaänderung: die Lufttemperatur und die Luftfeuchtigkeit erhöhen
sich. Die Enge des Raumes und die geschlossene Tür mit ihrer kleinen
Öffnung verringern Luftbewegung und Luftaustausch. Die Wärmeabstrahlung
des Körpers (Infrarotstrahlung) wird von den Wänden aus verzinktem
Eisenblech fast vollständig reflektiert und fällt auf den Körper
zurück.
Die vier Größen Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftbewegung
und Wärmestrahlung definieren gemeinsam den meteorologischen Begriff
der Schwüle, und nach einiger Zeit hat sich im Orgonakkumulator ein
Klima eingestellt, das so schwül ist, wie man es sonst nur in den
Tropen finden kann (Zuträglichkeits-Bereiche für Innenräume
nach Leusden-Freymark bzw. Kip und Courtice in [Wedler o.J.]).
Bios
Diese Klimaänderung auf physikalischer Ebene drückt sich auf
biologischer Ebene darin aus, daß das Thermoregulationssystem
des Körpers reagieren muß. Die ständig im Körper ablaufenden
Verbrennungsprozesse würden zu einer Überhitzung des Körperinneren
führen, und um seinen Wärmehaushalt auszugleichen muß der
Körper nun einige Regulationsmechanismen aktivieren. Schließlich
tritt ein deutliches Wärmeempfinden im Körper auf: Aufwallen
von Hitzeempfindungen, Schweißausbruch, Rötung der Haut und
meßbare Temperatursteigerungen des Körperkerns und der Haut
werden von Reich und auch von anderen beschrieben. Bei regelmäßigen
Wiederholungen solcher Wärmesituationen verändert sich das Reaktionsverhalten
des Körpers durch Adaptation [Batchelder 1996]. Durch den eingeschränkten
Luftaustausch mit der Umgebung verringert sich auch der Sauerstoffgehalt
der Luft, was ebenfalls zu dem spezifischen Gefühl "jetzt ist es genug!"
beiträgt, das sich nach 15 bis 45 Minuten in einem Orgonakkumulator
einstellt [Reich 'Der Krebs' 1981].
Ein Vergleichskasten, der inwendig mit Holz (statt Blech) ausgekleidet
ist, hat eine weitaus geringere Reflexion von Wärmestrahlung und kann
Luftfeuchtigkeit aufnehmen, weshalb der entsprechende Wert der Schwüle
nicht oder nicht so rasch erreicht wird. Darüber hinaus wirkt der
Orgonakkumulator als Faradayscher Käfig, wodurch das Elektroklima
in den beiden Kästen sehr unterschiedlich ist, seine Bedeutung ist
allerdings schwer einzuschätzen. Subtile elektromagnetische Effekte
sind denkbar, erreichen aber wahrscheinlich nicht so starke physiologische
Wirkungen wie die der klimatischen Effekte.
Wärmeeffekte
Die folgende Graphik zeigt, daß Lufttemperatur und Wärmestrahlung
gleichbedeutend für das Wärmeempfinden des Menschen sind [Verband
der Elektrizitätswerke Österreichs o.J.]. Ein Orgonakkumulator,
in dem zum Beispiel eine Lufttemperatur von 25 Grad herrscht und in dem
ein Mensch mit einer typischen Hauttemperatur von 32 Grad sitzt, hätte
eine Wärmerückstrahlung auf den Körper, die einer Wandtemperatur
nahe 30 Grad entspricht.
Die Graphik verdeutlicht, daß diese Situation im allgemeinen
als zu warm empfunden wird. Erhöhte Luftfeuchtigkeit und fehlende
Luftbewegung verstärken diese Empfindung bis zu einem Punkt, wo das
Sitzen im Orgonakkumulator schließlich unangenehm wird. Die beiden
genannten doppelblinden Vergleichsstudien bilden diesen Unterschied der
Wärmestrahlung ab, der Nachweis einer spezifischen Lebensenergie kann
deshalb aus ihnen nicht abgeleitet werden. Daß es sich hierbei um
Klimaeffekte handelt wird zusätzlich dadurch unterstrichen, daß
Reich nur in engen Metallkästen solche Wärmeempfindungen fand,
in größeren Metallräumen traten sie nicht auf, die Klimaänderung
würde hier viel langsamer einsetzen. Hebenstreit findet in seiner
sehr gründlichen Arbeit (für deren meßtechnische Ausstattung
ich übrigens beratend tätig war) im Mittel eine Erhöhung
der Innentemperaturen um 2,17 Grad im Blechkasten aber nur um 1,24 Grad
im Vergleichskasten mit Holz, bei einer mittleren Ausgangstemperatur von
23,2 Grad. Einen direkte Abhängigkeit der physiologischen Größen
von den Innentemperaturen findet Hebenstreit nicht, da er nur die Lufttemperatur
berücksichtigt und nicht die komplexere Schwüle [Hebenstreit
1995 und persönliches Gespräch 1998].
Psyche
Auf psychischem Gebiet wird die biologische Körperreaktion
mit der persönlichen Überzeugung verknüpft, Lebensenergie
in sich aufzunehmen. Die Aufmerksamkeit ist darauf ausgerichtet, sich selbst
etwas Heilsames zu tun. Alles worauf man seine Aufmerksamkeit lenkt, kann
psychosomatische Reaktionen und Placeboeffekte hervorrufen, insbesondere
bei regelmäßiger Wiederholung. Ein bekanntes Beispiel für
biologische Effekte aus einer Verknüpfung von Wahrnehmung, Aufmerksamkeit
und Wiederholung ist der Pawlowsche Reflex. Als weiteres Beispiel sei das
Autogene Training genannt: In der Grundübung ('Mein rechter Arm ist
warm') wird die entspannte Aufmerksamkeit mit der Erinnerung an Wärme
verknüpft. Nach wenigen Wiederholungen sind physiologische Reaktionen
der Blutgefäße meßbar. Das selbe Muster vollzieht ein
Mensch, der sich regelmäßig in einen Orgonakkumulator setzt:
Entspannte Aufmerksamkeit wird verknüpft mit der Überzeugung
eines heilsamen gesundheitlichen Effektes. Diese positive Erwartung findet
in der biologischen Empfindung der Thermoregelung eine positive Bestätigung
und wird mit der Wiederholung zu einem deutlichen psychosomatischen Reaktionsmuster.
Eine Besserung des Gesundheitszustandes wäre ebenso wahrscheinlich
wie bei Anwendung von Autogenem Training, die Annahme einer spezifischen
Lebensenergie ist hierfür jedoch nicht notwendig.
Pneuma
Die Betrachtung aus dem Blickwinkel des Pneuma achtet besonders
auf Qualitäten und Ordnungsmuster des Geschehens. Die aufrecht sitzende
Haltung entspricht der Grundhaltung des TAO-Yoga und gilt als eine sehr
effektive Yogaposition. Zur Beziehung zwischen Körperhaltungen und
geistigen Zuständen sei auf Felicitas Goodman verwiesen [Goodman 1993].
Die regelmäßige Benützung des Orgonakkumulators stellt
eine Art Ritual dar. Sie wird bewußt mit dem Willen zur Aufnahme
von Heilenergie ausgeführt, und ist also einer religiösen magischen
oder schamanischen Kulthandlung vergleichbar. Von solchen Ritualen wissen
wir, daß sie Wirkungen haben können. Die Haltung und die geistige
Einstimmung in die Aufnahme einer Heilkraft ist mit Traditionen des Geistigen
Heilens identisch, insbesondere mit der Form, die von den Bruno Gröning
Freundeskreisen praktiziert wird: Dabei wird in aufrecht sitzender Haltung
der Geist in entspannte Aufmerksamkeit versetzt, mit der Einstellung, "göttlichen
Heilstrom" (wie Gröning es nannte) anzunehmen, und "Belastungen" an
Gott abzugeben (Gröning riet, den Begriff Krankheit nicht zu verwenden).
Die Praktizierenden berichten über erstaunliche Spontanheilungen,
eine Reihe von Fällen sind von dem Arzt Matthias Kamp dokumentiert
worden [Kamp 1993]. Der von Gröning verwendete Begriff ”Göttlicher
Heilstrom” nutzt auch das Bild des Strömens/Fließens, und trifft
das qualitative Geschehen des Geistigen Heilens sicherlich besser als der
Energiebegriff, denn Energie kommt im Alltagsverständnis aus der Steckdose
und wird in Kilowattstunden abgerechnet. Die Gnade einer Geistigen Heilung
läßt sich jedoch wohl kaum in Kilowattstunden messen. Die Wirkung
geistiger Einstimmung ist sehr groß, wie eine Reihe von Studien zum
Geistigen Heilen belegen [Benor 1993; Wiesendanger 1994].
Die angeführten Gesichtspunkte zeigen, wie komplex das Geschehen
in einem wärmeisolierten Blechkasten mit zugehörigem ideologischen
Überbau ist. Aus dem Erleben eines Menschen in einem Orgonakkumulator
kann deshalb kein schlüssiger Beweis für eine Lebensenergie abgeleitet
werden. Während einer typischen Orgonakkumulator-Sitzung von 15 bis
45 Minuten kommt es zu verschiedenen physikalischen, biologischen psychischen
und geistigen Effekten, die möglicherweise heilsam wirken können.
Da dieses Setting in seiner Gesamtheit darauf ausgerichtet ist, heilsam
zu wirken, ist eine gesundheitsfördernde Wirkung nicht unwahrscheinlich.
Die selben Wirkungen sind aber auch ohne Annahme von Reichs Orgontheorie
und ohne teuren Orgonakkumulator erzielbar, beispielsweise durch Klimatherapie,
Autogenes Training und Yoga.
Beispiel
einer ganzheitlichen Analyse: Wirkmechanismen im Orgonakkumulator von Wilhelm
Reich |
Existenzbereiche der Welt |
Lebensenergie? |
Was geschieht im Orgonakkumulator? |
Erklärung ohne Annahme einer Lebensenergie |
Physis
(quantitativ) |
Lebensbegriff; Energiebegriff |
Klimaänderung (Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftbewegung,
Wärmestrahlung), Faraday-Käfig |
Wärmeeffekte in engem Eisenblechraum |
Bios
(quantitativ, teilweise qualitativ) |
Lebensbegriff; Energiebegriff |
Körperreaktion: Thermoregulation des Körpers
stellt sich um von gemäßigtem Klima auf schwüles Tropenklima |
Klimatherapie, Reiztherapie, Adaptation |
Psyche
(quantitativ und qualitativ) |
Lebensbegriff; Energiebegriff nur eingeschränkt sinnvoll |
Empfinden der Körperreaktion, Persönliche Überzeugungen,
Wille sich etwas Heilsames zu tun, regelmäßige Praxis |
Psychosomatik, Placeboeffekte, Pawlowsche Reflexe |
Pneuma
(qualitativ) |
Lebensbegriff; jenseits von Energie und Materie |
Meditative Körperhaltung (Tao Yoga), Wirkung im Sinne
eines Rituals |
Philosophie, Radionik, Schamanismus, Psychokinese, Geistiges
Heilen |
Der
physikalische Nachvollzug von Reichs Experimenten
Der Orgonakkumulator ist sicherlich das bekannteste Experiment Reichs,
er wird auch noch von einzelnen Ärzten und Kliniken eingesetzt. Weitere
Versuche Reichs und ihr Nachvollzug sind in der 1997 erschienenen Lesebegleitung
zu Wilhelm Reichs Veröffentlichung ”Das ORANUR Experiment, Erster
Bericht” beschrieben, die der Arzt Christian Rudolph und ich gemeinsam
im Verlag Zweitausendeins veröffentlicht haben [Harrer 1997]. In diesem
Band wird Reichs Umgang mit physikalischer Meßtechnik und mit Radioaktivität
beleuchtet und kommentiert. In seinem ”ORANUR-Experiment” berichtete Reich
über eine Reihe physikalischer Experimente, die er seit 1938 mit dem
Ziel durchführte, einen endgültigen physikalisch-meßtechnischen
Beweis für seine These einer spezifischen Lebensenergie zu finden.
In unserer Lesebegleitung haben wir versucht, die diesen Experimenten zugrundeliegenden
physikalischen und technischen Gesetzmäßigkeiten so darzustellen,
daß auch für Nichtphysiker erkennbar wird, wie die Meßergebnisse
zustande kamen, die von Reich als Orgonenergie-Phänomene interpretiert
wurden. In den Exkursen unserer Lesebegleitung wird Reichs Temperaturdifferenz-Experiment,
seine Versuche mit Elektrostatik und Elektroskop, seine Arbeit mit Vakuumröhren,
seine Versuche mit dem Geiger-Müller-Zähler und mit radioaktivem
Material analysiert. Außerdem wird beschrieben, wie es mir gelang,
den berühmten Orgonmotor nachzubauen, mit dem Reich Lebensenergie
in motorische Kraft umwandeln wollte.
Das
Ergebnis von fünf Jahren Forschung zum Thema Orgonenergie
Im baugleichen Nachvollzug der Experimente konnten tatsächlich die
selben Phänomene beobachtet werden, wie sie von Reich beschrieben
wurden. Die Analyse der Versuchsdesigns und der Einsatz moderner Meßtechnik
zeigten jedoch, daß alle auftretenden Phänomene durch klassische
physikalische Effekte erklärbar sind [Harrer 1997, 1998]. Ein Hinweis
auf eine spezifische Lebensenergie konnte nicht gefunden werden. Die Untersuchung
von Reichs Originalgeräten im Wilhelm Reich Museum in Rangeley, USA,
brachte gravierende Mängel der von ihm verwendeten Meßtechnik
zu Tage und ließ vermuten, daß Reich sich nicht genügend
in Grundlagen und Methodik der experimentellen Physik insbesondere der
Meßtechnik eingearbeitet hatte, um die von ihm beobachteten Effekte
in geeigneter Weise zu interpretieren. Es konnte gezeigt werden, daß
Reich durchgehend Meßfehler und Experimentator-Effekte unterliefen
[Harrer 1997, 1998]. Entsprechend erscheint die von ihm aus den Experimenten
abgeleitete Theoriebildung unhaltbar, und der Begriff Orgonenergie eignet
sich daher auch nicht für eine naturwissenschaftliche Diskussion der
Frage nach einer Lebensenergie. Diese Erkenntnis wurde durch die Analyse
aller von Reich hierzu veröffentlichten Texte bestätigt. Wenn
es eine meßbare spezifische Lebensenergie geben sollte, so ist Reich
ihr Nachweis leider nicht geglückt, statt dessen hatte er sich "durch
eine an sich verständliche Illusion trügen lassen" (Albert Einstein
in einem Brief an Wilhelm Reich, vom 7. Februar 1941 [Reich 1953]).
weiter zu Teil 3
copyright: Harrer 1998
eMail: webmeister@datadiwan.de