Die Bewertung therapeutischer Maßnahmen bei atopischer Dermatitis und Psoriasis
 aus der Perspektive der Patienten unter Berücksichtigung komplementärmedizinischer Verfahren
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Autor: Bitzer EM, Grobe TG, Dörning H 
Keywords: Atopische Dermatitis, Psoriasis, Komplementärmedizin, Therapieverfahren, Studie, Neurodermitis
Abstract: Therapeutische Maßnahmen bei atopischer Dermatitis bei Kindern bzw. Erwachsenen und bei Psoriasis wurden in einer Studie mit Fragebögen untersucht. Patienten wurden retrospektiv zu den in Anspruch genommenen Therapieverfahren befragt sowie zu dem subjektiv wahrgenommenen kurzfristigen und langfristigen Nutzen der Behandlungen. Es wurden eine Reihe schulmedizinischer, naturheilkundlicher und komplementärmedizinischer Therapiemethoden ausgewertet und miteinander verglichen. Die Untersuchung wurde im Auftrag der GEK vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsforschung (ISEG) durchgeführt.
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Comment:
Die vorliegende Studie befragt sehr detailiert zu den einzelnen Verfahren und vergleicht danach eine "schulmedizinische" und eine "komplementärmedizinische" Gruppe von Therapieverfahren. Dieser Gruppenvergleich läßt komplementäre Verfahren in der Bewertung etwas schlechter abschneiden als klassische Verfahren. Dieses Ergebnis ist auf den ersten Blick für naturheilkundlich Interessierte erstaunlich, wie kommt es zustande? In der Gruppierung wurden die besonders wirksamen klassischen Naturheilverfahren Klimatherapie und Ernahrungstherapie sowie die Psychotherapie zu der Gruppe Schulmedizin gezählt, da sie allgemein anerkannt und erstattungsfähig sind. Es lohnt sich also die Auswertung dieser interessanten Untersuchung genau durchzulesen! 
Besonders für Therapeuten und Patienten interessant ist die Frage, welche Erfolge eine integrative, ganzheitliche Behandlung hätte, die Klimatherapie, Ernährungstherapie, Psychosomatik und andere in synergistischer Weise mit einander verbindet. In diese Richtung sollte weiter geforscht werden! [IJBH
Vorwort
Inhalt
A:   Einführung (1-7)
B:   Atopische Dermatitis bei Erwachsenen (1)
B:   Atopische Dermatitis bei Kindern (2)
C:   Psoriasis (1-3)
D:   Literatur
E:   Anhang (1. Teil)
       Anhang (2. Teil)

C: Psoriasis
 
1. Material und Methoden   
1.1 Durchführung der Befragung   
1.2 Untersuchungspopulation   
2. Erkrankungsbezogene Patientencharakteristika  
2.1 Assoziationen unter ausgewählten 
Patientencharakteristika 
3. Therapiespektrum bzw. Vielfalt der angewendeten Therapien  
3.1 Anzahl angewendeter unterschiedlicher Behandlungsverfahren  
3.1.1 Determinanten der Behandlungsvielfalt  
3.2 Therapiespektrum  
 
3.3 Inanspruchnahme komplementärmedizinischer Behandlungen  
4. Bewertung der Therapien  
4.1 Kurzfristige Wirkung   
4.2 Längerfristige Wirkung   
4.3 Nebenwirkungen und Beeinträchtigung durch Therapieverfahren   
4.4 Erfolg der Therapieverfahren  
4.5 Beziehungen zwischen Dimensionen der patientenseitigen Therapiebewertung    
5. Diskussion
 
4. Bewertung der Therapien

Die Befragten wurden unter der Voraussetzung entsprechender Therapieerfahrungen um eine Einschätzung der im Fragebogen aufgeführten Behandlungsmaßnahmen gebeten. Dabei wurde neben der globalen Einstufung des Behandlungserfolges die persönliche Einschätzung der kurzfristigen und längerfristigen Wirkung der Behandlungsmaßnahme auf die Hautveränderungen sowie die Beeinträchtungung durch die jeweilige Therapie erfragt. Zur Einschätzung konnte zwischen jeweils vier Beurteilungsstufen gewählt werden (”keine Wirkung” bzw. ”kein Erfolg”, ”keine Beeinträchtigung” über die Kategorien ”kaum” und ”mäßig” bis zu ”starke Verbesserung”, ”starke Beeinträchtigung” oder ”großer Erfolg”).

In den nachfolgenden Abschnitten und in den zugehörigen Abbildungen werden die Häufigkeitsverteilungen der Antworten nacheinander für die vier genannten Bewertungsdimensionen dargestellt. Die Darstellung beschränkt sich dabei auf Behandlungsformen, deren Anwendung von mindestens 10 Befragten im Fragebogen angegeben worden war (vgl. Tabelle 29).

4.1 Kurzfristige Wirkung

Die stärkste kurzfristige Wirkung wird bei den äußerlich anzuwendenen Präparaten für die kortisonhaltigen Salben angegeben. Mehr als 80% der Anwender geben zumindest eine mäßige Verbesserung der Hautsymptome unter äußerlicher Kortisontherapie an. Merklich niedriger werden die kurzfristigen Wirkungen von Vitamin-D3-Analoga, Anthralinpräparaten, Teerpräparaten zur Hautbehandlung sowie Harnstoffpräparaten bzw. Salicylaten (Freitextangabe) eingestuft. Ihre kurzfristige Wirksamkeit liegt jedoch noch über der von wirkstoffreien Cremes, Naturmitteln, Badezusätzen oder Teerpräparaten zur Hautbehandlung.

Auch unter den intern angewendeten Behandlungsmaßnahmen wird eine Kortisontherapie, die in dieser Form jedoch nur in schweren Erkrankungsfällen indiziert ist, kurzfristig als verhältnismäßig wirksam eingestuft. Homoöpathische Behandlungen sowie Naturpräparate werden zurückhaltend beurteilt.

Eine vergleichbare geringe kurzfristige Wirksamkeit wird auch bei der Einschätzung diätetischer Maßnahmen sowie bei Entspannungstechniken und Psychotherapie angegeben. Demgegenüber werden die weiter verbreiteten Therapieverfahren auf Basis oder unter Einbeziehung von UV-Bestrahlung, wozu im weitesten Sinne auch Reizklimaaufenthalte gezählt werden können, durchgängig als verhältnismäßig wirksam eingestuft.


Abbildung 15: Kurzfristige Wirkung von Behandlungsmaßnahmen (Psoriasis)

Unter den komplementärmedizinischen Maßnahmen im engeren Sinne weist Akupunktur die vergleichsweise beste Wirkungseinschätzung auf, Eigenblutbehandlung und Bachblütentherapie sind in bezug auf alle bewerteten Therapien diejenigen mit der geringsten kurzfristigen Wirksamkeit.

4.2 Längerfristige Wirkung

Die nachfolgende Abbildung gibt die patienseitige Einschätzung der längerfristigen Wirkungen einzelner Behandlungsmaßnahmen wieder.

Abbildung 16: Längerfristige Wirkung von Behandlungsmaßnahmen (Psoriasis)

Für die Mehrzahl der Behandlungsmaßnahmen finden sich Einschätzungen der längerfristigen Wirkung, die nur wenig von der angegebenen kurzfristigen Wirksamkeit abweichen. So zählt auch im Hinblick auf die längerfristige Wirksamkeit die externe Kortisonanwendung zu den am positivsten bewerteten Behandlungsmaßnahmen. Ihre Wirksamkeit wird allerdings wie auch die der internen Kortisonanwendung längerfristig im Mittel geringer eingeschätzt. Eine entsprechende Aussage gilt auch für Reizklimaaufenthalte, die in ihrer längerfristigen Wirksamkeit zurückhaltender beurteilt werden und bezüglich dieser Bewertungsdimension nahezu identische Ergebnisse wie die UV-Strahlenbehandlungen (PUVA sowie übrige UV-Behandlungen) aufweisen.

Diätetische Maßnahmen sowie Entspannungstherapien werden ausgehend von einem eher niedrigen kurzfristigen Potential in ihrer längerfristigen Wirkung geringgradig besser eingeschätzt.

Zu Maßnahmen, die in der längerfristigen Wirksamkeit deutlich besser eingestuft werden, können lediglich die Psychotherapie sowie interessanterweise die Fumarsäuretherapie gerechnet werden, der 7 von 10 Anwendern sogar eine starke längerfristige Wirksamkeit bescheinigen. Allerdings sollten diese Ergebnisse vor dem Hintergrund der geringen Anzahl von zugrundeliegenden Beobachtungen nur zurückhaltend interpretiert werden.

4.3 Nebenwirkungen und Beeinträchtigung durch Therapieverfahren

Die Nebenwirkungen bzw. Beeinträchtigungen durch einzelne Therapiemaßnahmen wurden in derselben kategorialen Abstufung abgefragt wie zuvor die Wirksamkeit (”keine” bis ”starke”). Die Ergebnisse sind in der nachfolgenden Abbildung dargestellt.

Bei einem Vergleich der Darstellungen zur Wirksamkeit imponiert zunächst der relativ hohe Anteil von Befragten ohne therapiebedingte Beeinträchtigungen bei einer Vielzahl von Behandlungsmaßnahmen. Eine Ausnahme bildet die Fumarsäure, für deren Anwendung nahezu alle Patienten eine zumindest geringe und noch mehr als ein Drittel der Anwender eine starke Beeinträchtigung angeben.

Aus Patientensicht weiterhin als verhältnismäßig nebenwirkungsträchtig wird die innere Anwendung von Kortisonpräparaten gefolgt von der PUVA-Therapie eingestuft. Etwas geringere Beeinträchtigungen werden für die äußeren Anwendungen von Dithranol, Teer- sowie Kortisonpräparaten angegeben.

Alle abgefragten komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden mit Ausnahme des Fastens zeigen ausgesprochen geringe Einstufungen der Beeinträchtigung.

Abbildung 17: Beeinträchtigung durch Behandlungsmaßnahmen (Psoriasis)

4.4 Erfolg der Therapieverfahren

Ausgehend von der Hypothese, daß die Erfolgseinschätzung einer Behandlungsmaßnahme insgesamt nicht ausschließlich von ihrer Wirksamkeit im Hinblick auf die Hautveränderungen abhängt, sondern durch Faktoren wie z.B. Nebenwirkungen, Behandlungsaufwand und -umstände modifiziert wird, wurden die Befragten zusätzlich um eine entsprechende übergreifende Therapiebeurteilung gebeten. Die Ergebnisse sind der nachfolgenden Abbildung zu entnehmen.


Abbildung 18: Erfolg von Behandlungsmaßnahmen (Psoriasis)

Eine Gegenüberstellung von Angaben zur Erfolgseinschätzung insgesamt sowie von Angaben zur Einschätzung der längerfristigen Wirksamkeit zeigt i.d.R. nur marginal abweichende Ergebnisse. Auf eine erneute Erläuterung der einzelnen Therapiebewertungen kann an dieser Stelle daher verzichtet werden. Die Erfolgsbewertung der aufgeführten Therapiemaßnahmen insgesamt hängt in der Untersuchungspopulation demnach nahezu ausschließlich von ihrer längerfristigen Wirksamkeit ab bzw. wird übereinstimmend eingestuft und kaum vom Ausmaß der Nebenwirkungen bzw. Beeinträchtigungen modifiziert.

4.5 Beziehungen zwischen Dimensionen der patientenseitigen 
Therapiebewertung

Die bereits im vorausgehenden Abschnitt angedeuteten Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bewertungsdimensionen sollen im folgenden näher betrachtet werden. Grundsätzlich ist dies auf zwei unterschiedlichen Ebenen möglich.

Zum einen lassen sich die Zusammenhänge der Bewertungsdimensionen im Rahmen der Bewertung einzelner Therapien separat betrachten, zum anderen können die Bewertungen der verschiedenen Therapien in unterschiedlichen Dimensionen miteinander verglichen werden.

Assoziationen der Bewertungsdimensionen bei einzelnen Therapieverfahren
Berücksichtigt wurden therapiebezogen alle Assoziationen von zwei Bewertungsdimensionen, sofern zumindest 10 gültige Bewertungsangaben in beiden Dimensionen vorhanden waren. Die einzeltherapiebezogenen Auswertungen ergaben ein sehr einheitliches Bild, so daß sich eine Darstellung der Einzelergebnisse erübrigt:
Assoziationen der Bewertungsdimensionen im Therapievergleich
In den nachfolgenden Streudiagrammen sind die Behandlungsmaßnahmen nach den Einstufungen durch die Anwender in bezug auf jeweils zwei Bewertungsdimensionen notiert. Als Maßzahlen liegen die Anteile der Anwender zugrunde, die mindestens eine mäßige Verbesserung, Beeinträchtigung oder einen mäßigen Erfolg angeben. Dargestellt werden drei Kombinationen von Einstufungen der Behandlungsmaßnahmen (kurzfristige vs. längerfristige Wirkung, Erfolg insgesamt vs. längerfristige Wirkung sowie Beeinträchtigung vs. längerfristige Wirkung).

”Kurzfristige Wirkung” vs. ”längerfristige Wirkung”

Die Darstellung verdeutlicht nochmals die bereits beschriebene weitgehende Übereinstimmung in der Einschätzung von kurzfristiger und längerfristiger Wirkung. Augenfällig sind drei Abweichungen. Die kurzfristig deutlich positiver bewertete kurzfristige Wirkung der externen Kortisontherapie sowie die längerfristig günstiger bewertete Psychotherapie und Fumarsäurebehandlung.

Abbildung 19: Längerfristige vs. kurzfristige Wirkung von Behandlungsmaßnahmen (Anteil Anwender mit mind. mäßiger Wirkung); r = .82

”Erfolg insgesamt” vs. ”längerfristige Wirkung”

Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht die im Hinblick auf die Gruppenergebnisse der jeweiligen Anwender nahezu perfekte Übereinstimmung der Einschätzungen von längerfristiger Wirkung sowie der Erfolgsbewertung insgesamt. Für den dargestellten Zusammenhang der Therapieeinschätzungen ergibt sich so ein Korrelationskoeffizient von r = .99.

Abbildung 20: Erfolg insgesamt vs. längerfristige Wirkung von Behandlungsmaßnahmen (Anteil Anwender mit mind. mäßiger Wirkung); r = .99

”Beeinträchtigung” vs. ”längerfristige Wirkung”

Ein etwas anderes Bild ergibt sich bei der Gegenüberstellung von Beeinträchtigung und längerfristiger Wirkung. Wirksamere Behandlungsmaßnahmen sind demnach nicht zwangsläufig mit einer höheren Beeinträchtigung verbunden. Zu Maßnahmen mit verhältnismäßig großer Wirksamkeit bei geringen Beeinträchtigungen zählen Reizklimaaufenthalte, Calcipotriolanwendung sowie UV-Bestrahlung.

Verhältnismäßig hohe Beeinträchtigungswerte bei gleichzeitig guter Wirksamkeit zeigen demgegenüber interne Anwendungen von Kortison und Fumarsäure.

Interessanterweise werden im Mittel aus der Sicht der jeweiligen Anwender bis auf eine Ausnahme (Teerpräparate zur Hautbehandlung) Therapiemaßnahmen in ihrer Wirksamkeit auf den vorgegebenen vierstufigen Skalen grundsätzlich höher eingeschätzt als bezüglich ihrer Nebenwirkungen. So können auf Basis der Befragungsangaben keine Behandlungsmaßnahmen explizit als schädlich in dem Sinne eingestuft werden, daß die durch ihre Anwendung zu erwartende Beeinträchtigung höher als die erwartete Wirkung auf die Hautveränderungen wäre.

Abbildung 21: Beeinträchtigung vs. längerfristige Wirkung von Behandlungsmaßnahmen (Anteil Anwender mit mind. mäßiger Wirkung bzw. Beeinträchtigung);
r = .65

5. Diskussion

Ziel der dargestellten Befragung von Psoriatikern war die Erfassung von patientenseitigen Therapieerfahrungen bezüglich eines möglichst weiten Spektrums angewendeter Therapien.

Die Identifizierung von potentiell an einer Psoriasis erkrankten Personen wurde über Abrechnungsscheine ambulant tätiger Hautärzte vorgenommen, die der Schwäbisch Gmünder Ersatzkasse (GEK) für das 4. Quartal 1995 vorlagen. Bei einem Anteil von 5,1% hautärztlicher Krankenscheinen mit der Diagnose Psoriasis erwies sich dieser Zugangsweg grundsätzlich als praktikabel, ist jedoch mit einigen Limitationen verbunden:

Insgesamt dürften somit insbesondere Patienten mit leichteren Erkrankungsverläufen gemessen an ihrem Anteil in der Gesamtgruppe der Psoriatiker in der GEK unterrepräsentiert sein.

Der Rücklauf von 78% unter den angeschriebenen 15-59jährigen Patienten mit der Krankenscheindiagnose einer Psoriasis kann für eine schriftlich-postalische Befragung als äußerst zufriedenstellend angesehen werden. Systematische Verzerrungen der Ergebnisse sind in diesem Zusammenhang somit kaum zu erwarten.

Als Kriterium zur Aufnahme in die Studienauswertung wurde die Anwort auf die Eingangsfrage des Erhebungsbogens nach dem Vorliegen einer Psoriasis bzw. einer Schuppenflechte herangezogen. Diese Frage wurde von 18% der Befragten verneint. Eine Ursache hierfür könnte insbesondere in nur mangelhaft validen Diagnoseangaben auf Abrechnungsscheinen liegen. Daß einem entsprechend erkrankten Patienten die Bezeichnung der Diagnose nicht geläufig ist, erscheint in Anbetracht der umgangssprachlich gebräuchlichen Bezeichnung bei der Diagnose einer ”Schuppenflechte” eher unwahrscheinlich.

In der Studienpopulation wurde eine Reihe soziodemographischer sowie erkrankungsspezifischer Parameter erhoben. Gemessen an der Altersstruktur innerhalb der GEK waren die 15 - 29jährigen Versicherten in der Gruppe der hautärztlich behandelten Psoriatiker leicht unterrepräsentiert. Das Geschlechtsverhältnis in der Untersuchungspopulation entsprach weitgehend dem der GEK-Versicherten, was in Übereinstimmung mit den Erwartungen bei einer geschlechtsunabhängig auftretenden Erkrankung steht.

Die mittlere Erkrankungsdauer betrug zum Befagungszeitpunkt 14 Jahre, mehr als die Hälfte der Befragten waren bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres erkrankt. Die aktuellen erkrankungsbedingten Beschwerden wurden auf einer von Finlay (1994) in Großbritanien entwickelten Skala im Mittel mit 25,2% des maximal erfaßbaren Beschwerdescores angegeben. Dieser Wert stimmt gut mit dem von Finlay angegebenen Wert von 29,7% für ambulant in einer Universitätsklinik behandelte Psoriatiker überein (für Kontrollpersonen ohne Hauterkrankungen war dort ein Wert von 1,6% ermittelt worden, über das gesamte Spektrum der ambulant behandelten Hautpatienten betrug der Wert 24,2%). Der Vergleich von Beschwerdeangaben auf zwei visuellen Analogskalen zeigt, daß die Patienten i.d.R. gemessen am aktuellen Zustand in der Vergangenheit bereits von deutlich schwereren Erkrankungsphasen betroffen waren.

Bei maximal 32 möglichen Nennungen wurden von den Patienten im Mittel Anwendungserfahrungen mit 5,9 unterschiedlichen Behandlungsmaßnahmen angegeben (Median: 5). Da im Erhebungsbogen einzelne Therapien bzw. Therapieformen zu Kategorien zusammengefaßt werden, ist dieser Wert allerdings in erster Linie für Vergleiche von Subgruppen innerhalb der Studie von Bedeutung, wo er als ein relatives Maß für die Behandlungsvielfalt herangezogen werden kann.

Als Determinanten der Behandlungsvielfalt konnten folgende Variablen in multivariaten logistischen Regressionsmodellen identifiziert werden:

Das Modell entspricht den allgemeinen Erwartungen, nach denen bei einer überwiegenden Zahl von Erkrankungen sowohl die (subjektive) Beeinträchtigung als auch der zeitliche Rahmen der Erkrankung die Zahl von unterschiedlichen Therapieversuchen beeinflussen dürfte. Der zusätzliche Einfluß der Anzahl von Hautlokalisationen ist bei Psoriatikern ebenfalls plausibel. Zum einen stellt sie ein weiteres Maß für das Ausmaß bzw. die Schwere der Erkrankung dar, zum anderen ist mit einem Einfluß auf die Behandlungsvielfalt zu rechnen, da der Befall von unterschiedlichen Hautregionen auch eher zur Notwendigkeit unterschiedlicher therapeutischer Vorgehensweisen führt.

Im Spektrum der angewendeten Behandlungsmaßnahmen überwiegen klassisch-schulmedizinische Therapieansätze. So geben über 70% der Befragten Therapieerfahrungen mit kortisonhaltigen Salben an. Die externe Kortisontherapie ist damit - neben der Anwendung von wirkstoffreien Cremes (z.B. Fettcremes) - die am häufigsten genannte Behandlungsmaßnahme. In der Rangfolge ihrer Häufigkeit von Anwendungserfahrungen folgen UV-Bestrahlungen (56%, wobei 21% der Patienten explizit eine PUVA-Therapie angeben), Teerpräparate zur Kopfhautbehandlung (54%), Badezusätze (37%), Reizklimaaufenthalte (35%) sowie Teerpräparate zur Hautbehandlung und Vitamin-D3-Analoga mit je 33%.

Ausgehend von einer weit gefaßten Definition verfügen lediglich 40% der Befragten über Erfahrungen mit komplementärmedizinischen Behandlungsmaßnahmen. Der Anteil von Anwendern komplementärmedizinischer Behandlungen reduziert sich auf 27%, sofern die alleinige Angabe von Präparaten zur äußeren oder inneren Anwendung ”... mit Wirkstoffen aus der Natur” nicht als hinreichendes Kriterium zur Klassifizierung dieses Anwenderkreises gewertet wird. Unter den verbleibenden komplementärmedizinischen Therapiemaßnahmen spielen neben ”vegetarischer Ernährung” und ”Fasten” insbesondere homöopathische Behandlungen sowie die Eigenblutbehandlung anteilig eine verhältnismäßig bedeutsame Rolle.

Als Prädiktoren der Anwendung von komplementärmedizinischen Verfahren erweisen sich in der Untersuchungspopulation die maximale Beeinträchtigung und die Anzahl der Hautlokalisationen sowie das Geschlecht, wobei Frauen mit größerer Wahrscheinlichkeit komplementärmedizinische Maßnahmen in Anspruch nehmen. Anwender komplementärmedizinischer Behandlungsmaßnahmen verfügen in der untersuchten Population im Mittel gleichzeitig auch über größere Anwendungserfahrungen bezüglich allopathischer Therapiemaßnahmen, was den Schluß nahe legt, daß komplementärmedizinische Methoden i.d.R. ergänzend und insbesondere bei schwereren Erkrankungsverläufen eingesetzt werden.

Zur Bewertung der Behandlungsmaßnahmen wurde nach der kurzfristigen und längerfristigen Wirkung auf die Hautveränderungen, nach der mit einer Behandlung verbundenen Beeinträchtigung sowie nach dem Erfolg der Maßnahme insgesamt gefragt. Dargestellt wurden Bewertungen, sofern zumindest 10 Befragte eine Anwendung der jeweiligen Maßnahme angegeben hatten.

Während therapiebezogen in einigen plausiblen Fällen mäßig divergierende Einschätzungen der kurz- und längerfristigen Wirkung resultierten, zeigten die Einstufungen des Erfolges und die der längerfristigen Wirkung nahezu identische Ergebnisse. Die therapiebedingten Beeinträchtigungen wurden dabei durchgängig für alle Therapien (mit Ausnahme von Teerpräparaten zur Hautbehandlung) auf der vorgegebenen vierstufigen Bewertungsskala im Mittel geringer als die Wirkung der jeweiligen Maßnahme eingeschätzt.

Zu Behandlungsmaßnahmen mit hoher Wirksamkeit, die jedoch gleichfalls mit einer hohen Beeinträchtigung aus Sicht der Anwender verbunden sind, zählen insbesondere die interne bzw. systemische Kortisontherapie sowie die Fumarsäurebehandlung, wobei die Bewertungen der Fumarsäurebehandlung bei der nur geringen Anzahl von vorliegenden Patienteneinschätzungen vorsichtig interpretiert verden sollte. Im Bericht nicht näher dargestellte Subgruppenanalysen belegen, daß Patienten, die diese beiden Therapien angewendet hatten, überdurchschnittlich schwere Erkrankungsverläufe aufwiesen. Die Beobachtung entspricht den Erwartungen, die sich aus der auf schwere Erkrankungsverläufe beschränkten Indikationsstellung der Therapien ergibt.

Eine relativ hohe Wirksamkeit bei einer gegenüber der systemischen Kortisontherapie etwas geringeren Beeinträchtigungs- bzw. Nebenwirkungseinschätzungen weist die PUVA-Therapie auf, die gleichfalls eher bei schwereren Erkrankungsverläufen indiziert ist.

Eine mittlere Beeinträchtigung bzw. Nebenwirkungsrate bei guter Wirksamkeit wird der externen Kortisonanwendung, der UV-Bestrahlung (unter Ausnahme der PUVA-Therapie) sowie der Therapie mit keratolytisch wirksamen Salicylaten bzw. Harnstoffpräparaten bescheinigt. Eine gute Wirksamkeit bei nur geringen Nebenwirkungen ergibt sich für die Anwendung von Vitamin-D-3-Analoga sowie für Reizklimaaufenthalte. Alle in diesem Abschnitt genannten Behandlungsmaßnahmen sind auch bei leichteren Erkrankungsverläufen indiziert und werden nach den vorliegenden Befragungsergebnissen häufig angewendet, was vor dem Hintergrund der günstigen Relation von angegebener Wirkung und Nebenwirkung verständlich und folgerichtig erscheint.

Die gleichfalls relativ häufig verwendeten Teerpräparate werden bezüglich ihrer Wirkung bei mäßiger Beeinträchtigung zurückhaltender interpretiert. Applikationen zur Hautbehandlung weisen dabei eine ausgesprochen ungünstige Relation von Wirkung und Beeinträchtigung auf, wobei insbesondere subjektive Beeinträchtigungen eine bekannte Limitation der Teeranwendung darstellen.

Eine den Teerpräparaten aus Patientensicht vergleichbare Wirkung besitzen spezielle diätetische Maßnahmen, Dithranolpräparate sowie die allerdings nur von wenigen Befragten angegebene Psychotherapie.

Keine der komplementärmedizinischen Maßnahmen verursachte nach Einschätzung der überwiegenden Zahl ihrer Anwender wesentliche Beeinträchtigungen, allerdings wurden gleichfalls die Wirkungen der Maßnahmen auf die Hautveränderungen im Mittel für die einzelnen Maßnahmen nur als gering eingestuft.

Insgesamt läßt sich feststellen, daß komplementärmedizinische Maßnahmen vorrangig bei schwereren Erkrankungsverläufen von einem nicht unerheblichen Teil der Patienten und insbesondere Patientinnen angewendet werden. Komplementärmedizinische Maßnahmen stellen jedoch in ihrer Bedeutung - zumindest in einer hautärztlich behandelten Patientenpopulation - eher eine Ergänzung der i.d.R. als wirksamer eingestuften schulmedizinischen Therapiestrategien dar.

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